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Der letzte Schluck

Von Daniel Bischof und Christian Rösner

Politik

Ab Freitag gilt das Alkoholverbot beim Praterstern. Was steckt dahinter?


Wien. Dem neuen Wiener SPÖ-Parteichef und künftigen Bürgermeister Michael Ludwig kann es offensichtlich nicht schnell genug gehen: Am Wochenende hat er ein Alkoholverbot am Praterstern angekündigt - und bereits diese Woche Freitag soll es schon in Kraft treten. FPÖ und ÖVP jubeln, denn sie sehen damit jeweils "ihre" langjährige Forderung endlich erfüllt. Der grüne Koalitionspartner reagiert wiederum verschnupft und bezeichnet das Vorhaben als "populistische Scheinlösung". Von einer "reinen Showmaßnahme" sprechen auch die Neos.

Tatsächlich verlässt Ludwig mit seinem Vorstoß einmal mehr die ursprüngliche "alte" Linie seiner Partei. Zwar muss man fairerweise dazusagen, dass bereits Michael Häupl Ende des vergangenen Jahres gemeint hatte, er könne sich ein Alkoholverbot durchaus vorstellen. Dieses müsse aber noch "ordentlich diskutieren" werden, so Häupl. Aber mit dieser Einstellung war der Bürgermeister zumindest in der Stadtregierung damals noch relativ alleine.

Selbst der im August 2017 verstorbene Bezirksvorsteher der Leopoldstadt, Karlheinz Hora, sowie der Drogenkoordinator Michael Dressel hatten sich stets dezidiert gegen ein Alkoholverbot am Praterstern ausgesprochen. "Wenn Sie beispielsweise eine Wasserflasche am Praterstern trinken, wäre die Polizei dazu verpflichtet, den Inhalt der Flasche zu überprüfen. Jede einzelne Flasche, die am Praterstern getrunken wird, müsste überprüft werden. Dazu bräuchten wir 1000 Polizisten", meinte Hora.

Warum also nun die Eile, ein solches Verbot nun doch umzusetzen? Insider sind sich einig: "Ludwig wird am 24. Mai im Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt. Und dafür braucht er auch Stimmen von FPÖ und ÖVP - da kommt ihm das Alkoholverbot gerade recht." Ohne die Stimmen der Opposition könnte es für Ludwig eng werden: Er kann sich nicht sicher sein, dass die gesamte Wiener SPÖ geschlossen hinter ihm steht - und was die Grünen betrifft, schon gar nicht.

Kein Verkaufsverbot

Was hat es mit dem Verbot nun konkret auf sich? Mit der Maßnahme will Ludwig die Situation am Verkehrsknotenpunkt Praterstern, der ein Kriminalitätshotspot und Treffpunkt der Suchtgift- und Alkoholikerszene ist, verbessern. In Kraft gesetzt wird das Verbot mittels einer ortspolizeilichen Verordnung. Ab Freitag darf an unmittelbar an den Bahnhof angrenzenden Flächen Alkohol außerhalb der gastronomischen Betriebe nicht mehr getrunken werden. Umfasst sind etwa die Venediger Au und ein Teil der Lassallestraße. Die Kaiserwiese im Prater ist nicht betroffen. Ein Verkaufsverbot wird es nicht geben.

Als Sanktion soll es möglich sein, den Betroffenen zu ermahnen, wegzuweisen oder ihm das Getränk abzunehmen. Geplant sind auch Geldstrafen. Sie sollen von 70 bis 700 Euro - für Wiederholungstäter - reichen. Obdachlose werden diese Summen wohl nicht bezahlen können. "Es wird immer Menschen geben, die das nicht aufbringen können", so Ludwig. Deswegen dürfe man aber nicht auf Sanktionen für jene verzichten, die sich nicht an die "Spielregeln" in der Stadt halten wollen. Es gehe bei der Verordnung nicht um die gezielte Bestrafung von Obdachlosen, heißt es aus dem Büro des künftigen Bürgermeisters. Stattdessen wolle man jenen Gruppen, die sich beim Praterstern konzentrieren und das Sicherheitsgefühl einschränken, entgegenwirken.

Alkoholkonsumverbote bei Bahnhöfen gibt es bereits in Salzburg, Innsbruck und München. In der bayerischen Landeshauptstadt trat im Jänner 2017 ein nächtliches Alkoholverbot beim Hauptbahnhof in Kraft. "Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht", erklärt man im Kreisverwaltungsreferat München, der Sicherheits- und Ordnungsbehörde der Stadt.

Rückgang in München

So seien im ersten Halbjahr 2016 im Geltungsbereich der Alkoholverbotsverordnung im Tatzeitraum zwischen 22 Uhr und 6 Uhr 405 Straftaten beim Hauptbahnhof gemeldet worden. Im ersten Halbjahr 2017 seien es nur noch 305 gewesen. 2017 gab es 1081 Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Alkoholverbot. Gegen 27 Personen wurde ein Aufenthalts- und Betretungsverbot erlassen.

"Nahe des Hauptbahnhofs hat es Gebiete gegeben, in welche sich Teile der Szene verlagern wollten", heißt es aus dem Referat. Durch flankierende Maßnahmen habe man eine großflächige Verlagerung verhindern können. "Aber natürlich wird man nicht alle Süchtige bekehren können."

Von positiven Erfahrungen berichtet man auch im Magistrat der Stadt Innsbruck. Seit 2008 herrscht beim Innsbrucker Hauptbahnhof ein Alkoholverbot. Zwar verlagere sich die Szene in gewisser Weise. Doch sei es durch das Verbot gelungen, die großen und pöbelnden Gruppen von Alkoholsüchtigen zu zersprengen.

In Salzburg wurde ein Verordnung Mitte April 2018 erlassen, sie betrifft den Vorplatz des Hauptbahnhofes. Eine erste Bilanz könne man noch nicht geben, heißt es aus dem Magistrat. Neben dem Verbot setzt man in Salzburg auch auf kulturelle Interventionen. Durch die Veranstaltung von Konzerten und Lesungen versucht man, dem Vorplatz wieder ein freundlicheres Gesicht zu geben. Ähnliche Maßnahmen sind auch für Wien geplant. Das Verbot am Praterstern soll vorerst für ein Jahr gelten.