Zum Hauptinhalt springen

Atib könnte Finanzierungsverbot umgehen

Von Daniel Bischof

Politik

Der türkisch-islamische Verein könnte Spenden aus dem Ausland in eine Stiftung stecken.


Wien. Durch die Kriegsspielinszenierungen mit Kindern in einer Atib-Moschee war der türkisch-islamische Verein zuletzt in die Negativschlagzeilen geraten. Kritiker monieren, Atib sei nationalistisch ausgerichtet und erhalte verbotenerweise Geld aus der Türkei. Atib bestreitet das. Nun tauchte in Medienberichten das Gerücht auf, dass Atib in Österreich eine Stiftung gründen will. Dadurch könnte das Islamgesetz legal umgangen werden, so die Mutmaßung.

Es habe hinsichtlich einer Stiftungsgründung Überlegungen gegeben, bestätigt Atib-Pressesprecher Yasar Ersoy. Eine fixe Sache sei die Gründung aber nicht. "Eine Umgehung des Islamgesetzes wird es nicht geben. Es wird nur das gemacht, was im Rahmen des Möglichen ist", sagt er. Die Frage, welchen rechtlichen Vorteil sich Atib denn von einer Stiftung erhofft, kann er nicht beantworten. Die ganze Aufregung über das Thema versteht Ersoy nicht: "Warum stellt das überhaupt ein Problem dar? Das Islamgesetz sagt ja, dass eine Stiftungsgründung möglich ist."

Legale Umgehung möglich

In der Tat schlägt der Gesetzgeber die Gründung einer Stiftung vor. Mit dieser könnte das Auslandsfinanzierungsverbot umgangen werden. Der Hintergrund: Das Auslandsfinanzierungsverbot ist einer der Eckpfeiler des 2015 in Kraft getretenen Islamgesetzes.

Es schreibt vor, dass die Kultusgemeinden und Religionsgesellschaften die finanziellen Mittel für ihre gewöhnlichen Tätigkeiten im Inland beschaffen müssen. Damit soll der Einfluss ausländischer Regierungen reduziert werden. Aus der Türkei finanzierte Imame dürfen in Österreich etwa nicht tätig werden. Das Verbot ist aber widersprüchlich, Rechtswissenschafter kritisieren es.

Eine Novellierung des Islamgesetzes werde bereits angedacht, erklärt Religionsrechtler Stefan Schima, Professor am Institut für Rechtsphilosophie an der Universität Wien. Denn viele Regelungen seien noch sehr unbestimmt.

So verstoßen einmalige Zuwendungen aus dem Ausland - darunter fallen etwa Schenkungen - nicht grundsätzlich gegen das Auslandsfinanzierungsverbot, wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Islamgesetz festgehalten. Atib könnte also aus der Türkei legal eine einmalige Geldspende erhalten.

Wenn aus dieser Schenkung ein laufender Ertrag resultiert, mit dem etwa die Personalkosten finanziert werden, wäre die Schaffung einer Stiftung möglich, heißt es in den Gesetzmaterialien. "Entscheidend für die Frage, ob es sich um eine zulässige inländische Finanzierung handelt, wären dann der Sitz der Stiftung und der Wohnsitz der Stiftungsorgane." Es stünde Atib daher offen, die Spenden aus dem Ausland in eine inländische Stiftung zu stecken.

Viele Unklarheiten

Entscheidet sich Atib für die Gründung einer Stiftung, stehen laut Schima drei Alternativen offen. Atib könnte eine Stiftung nach dem Privatstiftungsrecht oder dem Bundesstiftungs- und Fondsgesetz gründen. Eine religiöse Stiftung, die dritte Variante, kann Atib nicht selbst gründen, sondern nur die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ). Es wäre aber möglich, dass Atib der IGGÖ die Errichtung einer entsprechenden religiösen Stiftung empfiehlt. Zwischen Atib und der IGGÖ gibt es enge Verbindungen: So ist IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun auch Atib-Vertreter.

"Bei den ersten beiden Varianten gibt es ein relativ klares Reglement, das die staatlichen Aufsichtsrechte normiert", erklärt Schima. "Wie weit diese Kontrollrechte bei einer religiösen Stiftung gehen, ist hingegen nicht geklärt", erklärt Schima. Hier hänge vieles in der Luft: "Es ist beispielsweise strittig, was alles zu den inneren Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft zählt."

Sollte Atib eine religiöse Stiftung gründen, "wird es ohne rechtliche Konflikte nicht gehen", sagt der Religionsrechtler. Es mangle an entsprechender Judikatur. "Es geht schon um Zuständigkeitsfragen, etwa darum, wer für die Beschwerde gegen Bescheide zuständig ist."

Bereits bisher wurden die mangelnden Vollzugsmöglichkeiten des Auslandfinanzierungsverbots bemängelt. Auch berichteten Medien von anderen Umgehungsmöglichkeiten, die Atib ausgenützt haben soll.

"Verbot hängt in der Luft"

Laut dem Nachrichtenmagazin "News" soll Atib aus der Türkei kommende Imame "geleast" haben. Dienstgeber der Imame ist die türkische Religionsbehörde Diyanet. Atib soll mit Diyanet in Brüssel einen Vertrag abgeschlossen haben. Bei Bedarf soll Atib gegen Bezahlung legal Imame abrufen können. Dieses System stammt laut "News" von einem Atib-nahen Anwalt aus Wien.

Nicht nur bei den Umgehungsmöglichkeiten bleiben viele Fragen offen. Unklar ist auch das Auslandsfinanzierungsverbot im Allgemeinen. "Das Verbot hängt verfassungsmäßig in der Luft", sagt Schima. Fraglich sei, ob es etwa gegen die Eigentumsfreiheit und den Paritätsgrundsatz - er schreibt die Gleichbehandlung der anerkannten Religionsgemeinschaften vor - verstoße. Und auch das Verhältnis des Verbots zu den klassischen Missionstätigkeiten aus dem Ausland, die es in den meisten Religionen gibt, sei strittig, so Schima. "Das wird die Gerichte noch viel beschäftigen."

Das im Bundeskanzleramt angesiedelte Kultusamt will sich zum Stiftungsthema und den Umgehungsmöglichkeiten nicht äußern. Man werde "alle vorliegenden und weiter aufkommenden Hinweise auf Verhalten, das dem Islamgesetz widerspricht, umgehend prüfen", heißt es in einer Stellungnahme.

Derzeit führt das Amt Ermittlungen rund um Atib durch. Der Verein hatte vor gut drei Wochen für Aufsehen gesorgt, nachdem Fotos von Kriegsspielen mit Kindern in einer Atib-Moschee in Brigittenau veröffentlicht wurden. Der für die Moschee verantwortliche Imam wurde von Atib suspendiert. "Wir haben unsere Konsequenzen gezogen", so Atib-Pressesprecher Ersoy. Er findet, dass Atib in der Moschee-Affäre durch die einseitige Medienberichterstattung und pauschalisierende Politik unfair behandelt werde.

Sanktionen unklar

Offen bleibt, welche Sanktionen gegen Atib ergriffen werden können. Innerhalb der IGGÖ gibt es sechs Atib-Kultusgemeinden. Sie könnten vom Kultusamt aufgelöst werden. Religionsrechtler geben einer solchen Maßnahme aber nur geringe Chancen. So muss die Gemeinde zunächst aufgefordert werden, dass sie das gesetzwidrige Verhalten abstellt. Erst im Wiederholungsfall darf sie aufgelöst werden.

Bleibt die Auflösung nach dem Vereinsgesetz, das anwendbar ist, da Atib ein staatlich organisierter Verein ist. Für das Vereinsgesetz ist das Innenministerium zuständig. Der Verein Atib könnte beispielsweise aufgelöst werden, wenn Atib-Funktionäre gegen Strafgesetze verstoßen. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Atib wegen des Verdachts der nachrichtendienstlichen Tätigkeit zum Nachteil Österreichs. Atib soll Erdogan-kritische Türken bzw. türkischstämmige Österreicher für die türkische Regierung bespitzelt haben. Der Verein bestreitet das. Sollte es in dieser Causa rechtskräftige Verurteilungen geben, könnte eine Auflösung nach dem Vereinsgesetz erfolgen.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) erließ am Dienstag die Anordnung an die Vereinsbehörden, Atib-nahe Vereine zu prüfen. Die Vereinsbehörden sollen melden, ob es vereinsrechtliche Anzeigen gegen die Vereine gibt und wie der Verfahrensstand ist.

Der Verein "Türkisch-Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich" (Atib) fungiert als Dachverband, über 65 Moscheevereine mit 100.000 Mitgliedern in Österreich sind darin versammelt. Atib ist ein direkter Ableger des türkischen Religionsamts Diyanet.

Atib