Wien. (iw) Wer geht ins Theater? Wer in Ausstellungen? Viele junge Menschen seien es nicht, so Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. Die gesamte Wiener Kulturszene sei gentrifiziert.

"Wiener Zeitung":Wie aufgeschlossen sind Jugendliche heute Kultur gegenüber?

Bernhard Heinzlmaier: Das Problem liegt schon im Kulturbegriff. Denn, was ist Kultur? Hier wird Kultur offensichtlich als Hochkultur definiert. Und man kann definitiv sagen, dass die Hinwendung der Jugendlichen zur Hochkultur sehr gering ist. Wer geht in die Oper, wer geht ins Theater? Das ist eine bürgerlich gebildete Minderheit, die das tut. Die gesamte Wiener Kulturszene ist gentrifiziert, ein Angebot für gehobene Schichten. Dann gibt es natürlich die Festwochen, in den Bezirken, in den Vorstädten. Damit kommt man dann tatsächlich an die Wiener heran. Aber, was sich innerhalb des Ringes abspielt, ist alles Hochkultur und nur für eine auserlesene Schicht.

Gehört das verändert?

Es widerspiegelt die gesellschaftliche Ungleichheit. Ein Platz in der Staatsoper wird mit viel Geld subventioniert. Die populäre Kultur wird dem Markt überlassen, der dann von irgendwelchen Influencern im Internet geprägt wird. Genau das, was dort herauskommt, ist das, was wir sehen. Rapper wie Kollegah und Farid Bang mit ihrem unverhohlenen Antisemitismus. Da gibt es einen Popkulturmarkt, um den sich kein Mensch kümmert. Die Politik hat von dem, was dort abläuft, überhaupt keine Ahnung, weil sie nur in hochsubventionierten Ausstellungen, Theatern und Musikproduktionen herumhockt.

Was müsste man tun?

Die Politik pumpt Unsummen in die Förderung von bürgerlich konservativer Kulturproduktion. Es bräuchte ein vernünftiges Förderkonzept auch für die Populärkultur. Es braucht eine Politik, die sich Gedanken um den Kulturkonsum der Kinder, der Mitte der Gesellschaft, aber auch der unteren sozialen Schichten macht. Das scheint mir wichtig zu sein.

Wie konsumieren Jugendliche heute Kultur?

Die Mehrheit konsumiert das, was in den reichweitenstarken Medien angeboten wird. Musikproduktionen, Filme, Serien.

Sie gehen nicht ins Theater?

Das ist eine Minderheit. Das sind die Kinder des Bildungsbürgertums, die nicht von der Notwendigkeit des Überlebenskampfes eingenommen sind, sodass sie sich eine Wolfgang-Bauer-Reprise anschauen können.

Aber finden Sie nicht Bemühungen, mehr junge Menschen ins Theater zu bekommen, gut? Die App Ticket Gretchen etwa will das versuchen.

Die Jeunesse-Chöre finde ich auch gut. Das ist aber ein Angebot für Leute, die ins Akademische oder Schottengymnasium gehen. Das finde ich eh gut. Das ist aber nichts für die Jugend, sondern nur für einen Ausschnitt. Da unterhält sich ein Ausschnitt der Jugend mit sich selbst. Das finde ich eh gut. Ich führe jeden Tag Selbstgespräche, dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.