
Wien. "Des kannst da Jetti-Tant erzählen! Und I bin do ned dei Schani!" diese mitunter grantige Antwort kann man sich von einem Wiener erwarten, wenn man ihn unter einem fadenscheinigen Vorwand bittet, anstrengende oder mühselige Arbeiten zu übernehmen. Dieses Redewendungs-Pärchen aus im Wien des Biedermeier geläufigen Vornamen steht aber nicht nur für Unglaubwürdigkeit und Dienerschaft. Bekannt sind der Schani auch als Spitzname für Kellner in den Wiener Gastgärten und die "Jetti-Tant", die sich früher in Familien um die Freizeitunterhaltung der Kinder gekümmert hat.
In Anlehnung daran haben die Sparten Gastronomie sowie Freizeit und Sport Dienstagabend im Landstraßer Vienna Riding School Hotel den "Goldenen Schani" und die "Goldene Jetti" als Ehrungen für innovative und kreative Gastro- und Freizeitangebote in der Donaumetropole verliehen. Während die Vergabe des "Schani" schon beinahe zur Tradition geworden ist, wird die "Jetti" erst seit 2011 verliehen.
Die "Jetti" soll aber nicht nur als Lob an die Kreativität und das Engagement der Wiener Freizeitbetriebe verstanden werden. Vielmehr solle dieser Wirtschaftszweig stärker ins Bewusstsein der Wiener gerückt werden, wie Spartenobfrau Gerti Schmidt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt. "Die vielfältigen Freizeit-, Sport und Kulturangebote fallen in der Wahrnehmung oft unter den Rost", meint sie. Aber gerade diese würden Wien international so einzigartig machen, wovon auch Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck überzeugt ist. "Sie besuchen eine Stadt, egal wo auf der Welt und sind vom Freizeitangebot fasziniert. Dann kommen Sie zurück nach Wien und finden dieses Angebot in irgendeiner Form auch hier", wirft er ein.
"Der Preis ist auch eine Ergänzung zum Schani, keine Konkurrenz. Wie ein Pärchen eben", betont Schmidt. Apropos Pärchen: Wie es der historische Zufall so will, war "Schani" auch ein Spitzname für den als "Walzerkönig" weltberühmten Komponisten Johann Strauß Sohn, dessen Musik oft bis in die Gastgärten gespielt wurde. Seine erste Ehefrau und Managerin hieß Henriette – von allen jedoch Jetti genannt.
"Da war I aber noch nie"
Auch wenn Wien mit seinem historischen und kulturellen Erbe einen Touristenmagnet darstellt, richten sich die städtischen Freizeitangebote vor allem an die Wiener selbst. Diese würden laut Schmidt oft gar nicht wissen, was sie alles in ihrer Heimatstadt unternehmen könnten. Auch typisch "touristische" Angebote würden verstärkt auf Einheimische abzielen, wie Schmidt, die selbst als Fremdenführerin tätig ist, erklärt. "Viele Wiener nutzen mittlerweile unsere Angebote, um die eigene Stadt besser kennenzulernen. Denn oft kommt irgendwann die Erkenntnis, dass man sich in Bangkok besser zurechtfindet als in Wien. Zwar sind die meisten anfangs skeptisch und meinen ,I kenn mi eh aus, aber spätestens nach der dritten Ecke höre ich oft ein verwundertes ,Da war I aber noch nie", erzählt Schmidt lachend.
Den Wienern ihre eigene Stadt zu zeigen hat sich auch Elisabeth Wolf zum Ziel gesetzt. Mit "Artissimi" – was frei übersetzt so viel wie "viel mehr Kunst" bedeutet – bietet sie Abonnements für Städteführungen an. Dafür wurde sie mit der Goldenen Jetti in der Kategorie "Kunst und Kultur" ausgezeichnet. Die Idee kam ihr auf einer Reise nach London. "Eine Freundin von mir hat sich dort für einen Kulturclub eingeschrieben. Genau das wollte ich nach Wien bringen", erzählt sie. Die Themen der geführten Touren sind dabei sehr vielfältig und reichen von Museumsbesuchen über Innenhoftouren bis hin zu Stadtführungen zu den architektonischen Werken Otto Wagners oder Street Art.
Am Ende jeder Führung steht übrigens ein freiwilliger Lokalbesuch als Ausklang, etwa bei Kaffee oder Mittagessen. "Das Abonnement bedingt, dass immer die gleichen Menschen die Führungen miteinander als Gruppe mitmachen. In den Lokalen haben sie dann die Möglichkeit sich nachher noch auszutauschen. So sind auch schon Freundschaften entstanden", meint Wolf.
Auch wenn die Touren klar Wiener ansprechen, lassen sich auch Niederösterreicher und Linzer, die dafür extra anreisen, von Elisabeth Wolf durch die Donaumetropole führen. "In seltenen Fällen können Führungen auch einmalig besucht werden. Da haben wir auch manchmal Touristen aus Deutschland dabei", meint sie.
Von Fiaker-Dinner bis Rätselralley
Die Wiener haben aber noch zahlreiche andere Möglichkeiten, die Stadt zu erkunden und ihre Freizeit dort zu verbringen, wie die weiteren prämierten Aktivitäten zeigen. Wer lieber fährt statt geht, kann beim Riding Dinner eine Fiaker-Stadtrundfahrt mit einem Essen in der Kutsche kombinieren. Spannender als eine ruhige Kutschenfahrt ist jedenfalls "Time Trap", wo es gilt, aus einigen Zimmern zu entkommen. Dazu müssen Rätsel gelöst werden, die ganz im Stil des 18. Und 19. Jahrhunderts gehalten sind.
Sportlicher ging es in der Kategorie "Körper und Geist zu". Dort erhielt die im 5. Bezirk befindliche Boulderhalle "Blockfabrik" die Goldene Jetti. Beim Bouldern wird in geringer Höhe ohne Sicherungsgurte geklettert, wer springt oder fällt, kann sich auf speziellen Matten abrollen. Auszeichnungen gab es auch für entspanntes Schweben im Wasser in stiller Umgebung bei "Schwerelos" und für ArchäoNOW, das mit historischen Rätselrallyes in Wien mitunter Erinnerungen an die Schulzeit aufkommen lässt.
Natürlich wurden auch wieder Wiens schönste Gastgärten mit dem Goldenen Schani prämiert. Bei mehr als 2700 Gast und Schanigärten war die Wahl für die Jury denkbar schwer. Die Auszeichnung für den schönsten Gastgarten im Grünen ging an die Manameierei in der Exelbergstraße. Am Rande des Schwarzenbergparks kann dort ganztägig gefrühstückt werden. Aber auch der Weinhof Zimmermann im Heurigenviertel Neustift am Walde sowie Landtmanns Parkcafe im Tiergarten Schönbrunn laden zu einer Tasse Kaffee inmitten von Bäumen und Sträuchern ein.
Der Preis für den "schönsten Schanigarten" ging an Marco Simonis Bastei in der Innenstädter Dominikanerbastei, vor dem Restaurant Jussi im 22. Bezirk und der Penzinger Patisserie La Gioia in der Linzerstraße. Aber auch einige "versteckte Juwelen" haben Wiens Gastgärten zu bieten, etwa die Hollerei im 15. Bezirk oder das Grace in Wieden. Ausgezeichnet wurde schließlich Landtmanns Jausenstation, wie das Parkcafe ebenfalls in Schönbrunn. Das ursprünglich als Spielhaus der Kaiserkinder errichtete Gebäude versteckt sich im Heckenlabyrinth des Schlossgartens.
Der Goldene Schani ist übrigens keine normale Statue wie eine Romy oder ein Amadeus. Als Windlicht designt könnten ihn die Sieger gleich als Blickfang in ihre Gastgärten stellen.