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"Wien behält Weltkulturerbe"

Von Daniel Bischof

Politik
Das derzeitige "Hotel InterContinental" samt dem visualisierten Bauprojekt am Heumarkt.
© Unesco/Martin Kupf

Landtagspräsident Ernst Woller ist überzeugt, dass Wien von Roter Liste gestrichen wird.


Wien. Der Wiener Landstagspräsident Ernst Woller (SPÖ) ist optimistisch. "Wien wird sein Weltkulturerbe behalten", ist er überzeugt. Bereits bei den nächsten zwei Sitzungen des Unesco-Welterbekomitees 2019 oder 2020 könnte das historische Zentrum von Wien von der Roten Liste der gefährdeten Stätten gestrichen werden: "Ich glaube nicht, dass es länger dauern kann", meint Woller, der im Auftrag von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) für die Stadt Wien mit der Unesco verhandelt.

Ein Grund für Wollers Zuversicht ist ein Treffen, das diese Woche in Wien stattgefunden hat. Die Direktorin des Unesco-Welterbezentrums, Mechtild Rössler, war am Montag zu Gast in Wien. Gemeinsam sei man die betroffenen Areale am Heumarkt und Karlsplatz abgegangen. Formal habe sich dadurch noch nichts geändert, aber: "Das Verhältnis ist jetzt viel besser", sagt Woller.

"Wir sind zuversichtlich"

Rössler bestätigt gegenüber der "Wiener Zeitung", dass das informelle Treffen stattgefunden hat. Zu Details will sie sich nicht äußern. "Ich gebe keine persönliche Meinung ab. Das Welterbekomitee trifft die Entscheidungen."

Vorsichtig optimistisch zeigt sich Isabelle Anatole-Gabriel. Sie leitet im Welterbezentrum die Abteilung für Europa und Nordamerika. "Wir sind zuversichtlich hinsichtlich des laufenden Prozesses", sagt sie. Eine Stätte werde dann von der Welterbeliste genommen, wenn sie ihren außergewöhnlichen universellen Wert verliere. "Die Charakteristiken, wegen denen die Stätte auf die Liste gekommen sind, müssen verloren gegangen sein", erklärt Anatole-Gabriel.

Erst dann könne das Welterbekomitee den Welterbestatus aberkennen. Das sei ein langer Prozess und derzeit "nicht der Fall für das historische Zentrum von Wien". Die Republik und Stadtverwaltung seien in einen engen Dialog mit dem Welterbezentrum und der Icomos - sie berät die Unesco - getreten, um die notwendigen Korrektivmaßnahmen vorzubereiten. Sobald diese ergriffen und vom Welterbekomitee abgesegnet worden seien, "sollte die Stätte von der Gefahrenliste herunterkommen".

"Es ist nicht schwarz und weiß"

Was sind nun die notwendigen Maßnahmen, was wird gefordert? Wie verhält es sich mit dem Heumarkt-Projekt, das der Hauptgrund für die Eintragung von Wien auf die Rote Liste war? Muss die Höhe des geplanten 66 Meter hohen Turmes nun reduziert werden? Bezüglich dieser Fragen bleiben Unklarheiten offen.

"Es ist nicht nur eine Frage der Höhe, sondern auch eine der Raumplanung und des Volumens. Es ist kompliziert und nicht nur schwarz und weiß", antwortet Anatole-Gabriel. Auch gehe es nicht nur um den Heumarkt. Im Fokus steht etwa auch die Aufstockung des Winterthur-Hauses am Karlsplatz. Auf weitere Nachfragen verweist sie auf die offiziellen Beschlüsse der vergangenen Sitzungen des Welterbekomitees.

In den Beschlüssen aus 2017 und 2018 wird der Heumarkt-Turm kritisch beäugt und auf die Forderungen des Komitees aus der Sitzung 2016 Bezug genommen. Darin wird etwa eine Höhenreduktion und Reduzierung des visuellen Einflusses des Gebäudes auf den urbanen Kontext und die Sicht auf das historische Zentrum eingemahnt.

Konkrete Planungsänderungen beim Heumarkt sind derzeit aber nicht bekannt. Im Welterbezentrum in Paris zeigt man sich abwartend - mit Verweis auf die nächsten formalen Schritte und neuen Einschätzungen der Gutachter zur Causa Wien, die in den nächsten Monaten folgen werden.

Der Plan

Konkrete Fortschritte könnte es in einem anderen Punkt geben: In den Beschlüssen wird mehrfach kritisiert, dass es Wien an Kontrollinstrumenten und Regeln für den Umgang mit seinem Welterbe mangle. Nicht effektiv genug seien die Steuerungsmöglichkeiten der Stadtregierung.

Management-Pläne, wie mit dem Weltkulturerbe umgegangen wird, sind für Welterbestätten eigentlich unabdingbar. Wien hatte bisher aber keinen solchen Plan. Woller will dieses Versäumnis beseitigen, derzeit erarbeite man einen solchen Plan. Alle entsprechenden Planungsinstrumente, Richtlinien und Gesetze sollen darin festgehalten werden. Unter anderem mit diesem Plan will er die Unesco überzeugen, Wien von der Roten Liste zu nehmen.

Skeptisch zeigt sich Gabriele Eschig, die Generalsekretärin der österreichischen Unesco-Kommission, welche die nationale Verbindungs- und Koordinierungsstelle zur Unesco-Hauptorganisation in Paris ist.

"Ein Schandfleck"

"Man kommt nicht von der Roten Liste, indem man nichts tut", sagt Eschig. Es brauche eine grundlegende Neukonzeption des Bauprojekts. Beim Welterbe gehe es um "die Erhaltung des außergewöhnlichen universellen Werts", erklärt sie. Im Falle Wiens bestehe dieser aus der Geschlossenheit der historischen Bebauung aus dem zweiten Jahrtausend im Mittelalter, dem Barock und der Gründerzeit. Der Heumarkt-Turm gefährde diesen Wert.

Dass die Unesco dieses Mal noch ein Auge zudrückt, wenn Wien verspricht, künftig keine solchen Hochhausbauten mehr zuzulassen, hält sie für "sehr unwahrscheinlich". "Jetzt zu sagen: ‚Wir setzen da in die Kernzone ein Hochhaus, nehmt es nicht so schlimm, wir machen es nicht mehr‘, funktioniert nicht."

Woller kann die Aufregung nicht nachvollziehen. "Nur, weil da jetzt ein Haus steht oder ein Blick nicht so ist, wie man sich das jetzt vorstellt, wird das Welterbe Wiens nicht zerstört", sagt er. Vielmehr werte der Turm das derzeitige Heumarkt-Areal, das derzeit "ein Schandfleck ist", auf.

Die Welterbezone in Wien sei riesig und werde sicherlich nicht durch "eine einzige punktuelle Maßnahme" beeinträchtigt. Das Projekt gehöre einem privaten Investor, der Gemeinderat hat im Juni 2017 den entsprechenden Flächenwidmungsplan beschlossen. "Das ist eine Rechtsgrundlage, die gilt", so Woller. Daher könne man jetzt nicht verlangen, dass das Projekt überarbeitet gehört.

Diskussion um Grenzen

Als mögliche Lösung bringt Woller eine "minimale Begradigung" der Welterbezone ins Spiel. Der Teil um den Heumarkt könnte aus der Kernzone entfernt werden: "Wenn das die Lösung ist, wäre das für uns akzeptabel". Die Grenzen sieht er nicht in Stein gemeißelt. Über Modifikationen könne diskutiert werden.

"In Wien ist die ganze Innenstadt Weltkulturerbe", sagt er. In London sei es nur der Big Ben und der Tower of London. "In London kann man bauen, was man will, solange man nicht die Tower Bridge sprengt." Einen solchen Zustand wolle er für Wien nicht, aber: "Wir täten uns leichter, wenn der Stephansplatz und das Ensemble rund um den Ring Weltkulturerbe wäre".

Eschig hält davon wenig. Denn eine Modifikation der Zone sei nur dann möglich, wenn dadurch das Welterbe besser geschützt werden könne. Die Meinungen zwischen der Stadtregierung und der österreichischen Unesco-Kommission liegen damit weiter auseinander. Woller betont aber: "Unser Verhandlungspartner ist die Unesco in Paris".

Ob sein Optimismus gerechtfertigt ist, wird sich nun in den kommenden Monaten zeigen. Dann sollten weitere formelle Schritte in der Causa mehr Klarheit bringen. Drei externe Experten für Stadtbau- und Stadtplanung haben sich im März 2018 bereits ein Bild gemacht. Sie waren im Rahmen eines Experten-Workshops in Wien. Dieser vom Bundeskanzleramt organisierte Workshop war die erste Stufe des Drei-Stufen-Plans der Bundesregierung, der den Erhalt der Welterbestätte Wien garantieren soll. Der Plan wurde von der Unesco positiv aufgenommen.

Gutachten eher negativ

Die drei Experten haben ihre Eindrücke in Gutachten zusammengefasst. Ein Blick in die - online frei verfügbaren Papiere - offenbart ein überwiegend negatives Bild. Gutachterin Birgitta Ringbeck kritisiert, dass durch bisherige Hochhausbauten außerhalb der Welterbezone - wie etwa dem Uniqua-Tower und dem Sofitel Vienna Stephansdom - bereits die historische Skyline Wiens negativ beeinflusst worden sei. Dieser Trend werde nun durch den Heumarkt-Turm in der Welterbezone selbst fortgesetzt. Dadurch sei die Welterbestätte insgesamt in Bestand und Wertigkeit gefährdet.

Gutachter Vittorio Magnago Lampugnani räumt ein, dass das Heumarkt-Areal vernachlässigt worden und eine Neugestaltung zu begrüßen sei. Das Projekt sei aufgrund seiner Höhe problematisch, die Dimension des Turms bezeichnet er als "traumatisch". Auch er hält die Welterbestätte Wien dadurch für gefährdet und plädiert für eine Überarbeitung "von Grund auf". Positiver ist Expertin Christa Reicher eingestellt, sie begrüßt das Projekt größtenteils, auch wenn sie etwa eine "Justierung der Höhenentwicklung" für notwendig erachtet. Das Welterbe Wiens sei nicht bedroht.

Besuch im November

Woller meint, dass die Gutachten nur "informelle Stellungnahmen" seien, die vorbereitende Bedeutung haben. Entscheidend sei das "Heritage Impact Assessment", das der zweite Schritt des Drei-Stufen-Plans ist. Der Bericht wird von einem deutschen Experten erstellt und beschäftigt sich mit dem Erhaltungszustand des Wiener Welterbes. Allerdings werden darin auch die Ergebnisse aus den drei Gutachten einfließen.

Es folgt ein Besuch von Fachmännern der Icomos im November. Unter Berücksichtigung der Gutachten und des "Heritage Impact Assessments" werden die Icomos-Experten dann urteilen, ob Wiens Weltkulturerbe noch seinen außergewöhnlichen universellen Wert besitzt.

Dieser Icomos-Bericht wird die Grundlage für die Beschlussfassung des Welterbekomitees in der Sitzung 2019 sein. Zudem muss die Republik Österreich der Unesco über alle getroffenen und geplanten Maßnahmen und Veränderungen hinsichtlich des Welterbes bis April 2019 berichten.

Die Rote Liste

Auf der Welterbeliste befinden sich derzeit weltweit 1.092 Natur- und Kulturstätten aus 167 Staaten. 54 Stätten stehen auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes, der ganz überwiegende Teil davon befindet sich in Kriegs- oder sonstigen Katastrophengebieten. "Kaum ein Staat, in dem Frieden herrscht, der reich ist und alle Mittel hätte, die selbstauferlegten Anforderungen zu erfüllen, steht auf der Roten Liste", sagt Eschig. Eine ähnliche Situation wie in Wien gibt es nur in Liverpool, dessen Hafenstadt seit 2012 wegen eines Hochhaus-Projekts auf der Roten Liste steht. Ihren Status haben erst zwei Stätten verloren: Ein Naturschutzgebiet im Oman, weil dort Öl gefördert wurde und das Elbtal in Dresden wegen der umstrittenen Waldschlösschen-Brücke.