
Aufgeregt sei sie. Und lacht. Doch am liebsten würde Lina jetzt weinen. Ein Backstagebereich der "Babylon Hall" in Erbil. Durchgesessene Sofas, Boxhandschuhe und Wasserflaschen über den Boden verstreut. In einer Ecke bearbeitet ein Schwergewicht in Shorts einen Sandsack: Prack, prack, prack.
Das "Black Mamba" auf Linas T-Shirt, der Name ihres Sport-Clubs, will so gar nicht zur 17-Jährigen mit den Stirnfransen passen. Während ihr die Zwillingsschwester das lange schwarze Haar zu zwei strammen Zöpfen flicht, ist Linas Blick starr geradeaus gerichtet. Als sehe sie den Kampf vor sich. Den letzten, den sie verloren hat. Und den bevorstehenden, vor dem sie Angst hat. Später wird sie sagen, dass sie kurz davor war, loszuheulen.
Lina ist die einzige professionelle Kickboxerin in ganz irakisch Kurdistan. Vor knapp zwei Jahren hat sie die Männerwelt Kampfsport betreten. Eine Welt aus Muskeln und Schweiß. Lina, Federgewicht mit 51 Kilogramm, musste mit Sparringpartnern trainieren, die zwei Köpfe größer und schwerer sind und deren Schläge ungleich härter treffen.
Lina wartet. Die Mikrofonstimme des Moderators, das Geschrei des Publikums und die Metal-Musik hallen nur gedämpft bis hier hinten. Sie hätte bereits vor einer halben Stunde in den Ring steigen sollen, doch ihre Gegnerin hat sich verspätet. Dann steht Mohammed Qays neben ihr. Der 34-Jährige leitet das Box-Gym "Black Mamba", wo er Freizeitsportler und Profis trainiert. Nachdem Lina vom Crossfit zum Sportboxen wechselte, sah er, dass sie Talent hatte und rasch lernte. Es folgte ein Amateurkampf und letztes Jahr im September ihr erster professioneller Fight. Qays, Teilrasur und kurzer Vollbart, ist selbst aktiver Kickboxer. Heute hat er sein Muscle-Shirt und die Trainingshose gegen einen schwarzen Anzug getauscht. "Sie ist hier", sagt er. Wortlos gehen sie durch einen dunklen Gang nach vorne. Die Musik wird immer lauter, dann geht es hinaus in die Halle, wo der Ring im grellen Scheinwerferlicht wartet.

Die "Babylon Hall", eine Veranstaltungshalle am Rande von Erbil, ist für ihre Hochzeitsfeiern in Pink und Weiß bekannt. Wo an anderen Tagen die Tafel des Brautpaares steht, mit mehrstöckigen Torten und Blumengestecken, ist heute der Ring aufgebaut. Eine Kamera am Schwenkarm überträgt die Fight Night live, fängt die verschwollenen Gesichter der Kickboxer ein. Wenn sie Schläge und Tritte einstecken, der Schweiß spritzt, Gesichter entgleisen. Bis einer zu Boden geht, oder am Ende der dritten Runde einen Sieg durch Punktewertung erringt.