Zwei Freundinnen in knappen Jeans-Shorts spannen gemeinsam die Außenplane über ihr orange-rotes Familienzelt. Eine Gruppe sucht noch verzweifelt nach einem fehlenden Pfosten, während es sich drei Burschen im Surfer-Outfit bereits in ihren Klappstühlen gemütlich machen.
Kate Robertson lässt sich von dem Gewusel nicht beirren. Gekonnt schlängelt sich die 30-Jährige in ihrer gelben Sicherheitsweste durch die wachsende Zeltstadt. Für die nächsten drei Tage ist das die Heimat von rund 6000 Jugendlichen, die zum Musikfestival Soundsplash ins neuseeländische Küstenstädtchen Raglan gekommen sind.
"Nehmt ihr euer Zelt nach dem Festival wieder mit nach Hause?" Auf diese Frage erntet Robertson so manchen überraschten Blick. Aber sie ist durchaus berechtigt: 23.500 Tonnen Abfall produzieren Festivals im Schnitt. Beim FM4 Frequency Festival in St. Pölten etwa kamen 2018 an den drei Festivaltagen rund 330 Tonnen Müll zusammen. Einen Großteil davon machen zwar Bierbüchsen, Zigarettenstummel, Flaschen und Lebensmittelverpackungen aus, immer häufiger bleiben jedoch auch Zelte, Schlafsäcke und Klappstühle auf dem Gelände zurück.
Teure Bequemlichkeit
Rund 250.000 Zelte und damit 65 Prozent aller temporären Behausungen werden in Großbritannien pro Festivalsaison hinterlassen, schätzt die "Association of Independent Festivals". Die deutsche Plattform "Green Music Initiative" geht von etwa 30 Prozent aus, und auch in Neuseeland kennen die Veranstalter das Problem: "Je nach Dauer des Festivals und den Wetterbedingungen bleiben durchschnittlich 15 bis 20 Prozent zurück", weiß Soundsplash-Promoter Mitch Lowe zu berichten. Über 500 durchnässte Zelte, dazu noch hunderte Luftmatratzen und Klappstühle ließen die Camper im letzten Jahr auf dem Festivalgelände zurück. Der Experte kennt einen Grund dafür:
"Man kann ein Zwei-bis-drei-Personen-Zelt um 30 neuseeländische Dollar (zirka 18 Euro, Anm.) kaufen, und nach einem dreitägigen Festival ist es für manche einfacher, es dort zu lassen, als es wieder einzupacken."Die Bequemlichkeit der Festivalbesucher hat ihren Preis: Beim heimischen FM4 Frequency verursachen die mehr als 50.000 Gäste so viel Abfall, dass 100 Reinigungskräfte eine ganze Woche lang beschäftigt sind. Doch nicht nur den Organisatoren von Großveranstaltungen kommen die zurückgelassenen Zelte teuer zu stehen. Auch auf die Umwelt wirkt sich die Wegwerf-Mentalität negativ aus. So gelangen bei der Herstellung eines 3,5 kg schweren Zeltes 25 kg gefährliches Kohlendioxid in die Atmosphäre, wie Untersuchungen von Naturschutzorganisationen zeigen.
Darüber hinaus besteht das durchschnittliche Zelt größtenteils aus einer komplexen Mischung aus Kunststoff und anderen Materialien, die eine Wiederverwertung nahezu unmöglich machen. Dementsprechend landet der Großteil der "entsorgten" Zelte gemeinsam mit Schlafsäcken, -matratzen sowie Klappstühlen vom Festivalgelände direkt auf der Müllhalde. Dort lässt er die Plastikberge wachsen, entspricht doch ein Zelt einer Menge von etwa 8750 Strohhalmen.

An Ideen, wie das Problem mit den zurückgelassenen Zelten zu lösen ist, mangelt es nicht: Freiwillige Müllsammler werden bei vielen Festivals mit kostenlosen Tickets belohnt. Beim österreichischen Electric Love Festival kamen Zelte aus Kartons des holländischen Unternehmen KarTent zum Einsatz. Und das FM4 Frequency Festival arbeitete 2019 mit der Schweizer Firma carbon-connect AG zusammen: Für jeden Teilnehmenden, der sein Zelt am Ende der Veranstaltung wieder mit nach Hause nahm, wurde ein Baum gepflanzt.
Zelte für zwei Nächte
Mit der Aktion wurden Aufforstungsprojekte in Mittel- und Südamerika, Afrika sowie Asien unterstützt. Gutes tun, das wollten auch die Veranstalter vom neuseeländischen Soundsplash: "Wir haben bestmöglich versucht, die zurückgelassenen Zelte, Schlafsäcke und Matratzen an lokale Hilfseinrichtungen zu spenden", erklärt Mitch Lowe. Mit mäßigem Erfolg. Einerseits hätten die Organisationen wie Obdachlosen-Unterkünfte meist mit 50 Zelten ihren Bedarf gedeckt.