Zum Hauptinhalt springen

Reif für die steinreiche Insel

Von Gerald Schmickl

Reflexionen
Völlig unpolitisch, diese dalmatinische türkis-blaue Meereskoalition . . .
© Schmickl

Ein Besuch auf Brač , der drittgrößten Insel der Adria, die eng mit Österreich verbunden ist.


Es sind eigentlich die immer gleichen Bilder, die ich Jahr für Jahr in sozialen Medien poste. Fotos von (fast) einsamen Buchten, von türkisem Meer, von unterschiedlichsten Blautönen in Wasser und Himmel, und von einer Vegetation, bei der einem schon beim Betrachten Nase und Lunge vor mediterranem Verlangen aufgehen.

"Wo ist das?", wird dann regelmäßig nachgefragt. Und Jahr für Jahr antworte ich rituell einsilbig: "Brač". Und jedes Mal wird Erstaunen geäußert. Man glaubt irgendwie nicht, dass derlei pittoreske An- und Einsichten von einer relativ nahe gelegenen, als Destination nicht gerade ultra-coolen adriatischen Insel stammen. Es ist aber so. Ich kann das - als rituell regelmäßiger Besucher des Eilandes seit mehr als einem Jahrzehnt - nur immer wieder aufs Neue bekräftigen.

 

Naturreservat

Diese lange Zunge - das Goldene Horn (Zlatni Rat) - lässt man sich gerne zeigen.
© Schmickl

Während mir Freunde und Bekannte von ihren unliebsamen Eindrücken in vermeintlichen Paradiesen wie etwa der Südsee, auf Bali oder in Brasilien berichten - von verschmutzten Stränden, trübem Wasser, Massentourismus samt unschönen Hinterlassenschaften -, wofür sie (noch vor Corona) stunden-, mitunter tagelange Anreisen in Kauf nehmen mussten, erzähle ich schon fast gelangweilt von den tatsächlich paradiesischen, ökologisch einwandfreien Bedingungen, wie sie sich auf Brač zeigen. Und diese drittgrößte Insel der Adria (und mit knapp 400 km2 die größte von Dalmatien) befindet sich nicht viel mehr als eine Flugstunde von Österreich entfernt - und kann dank eines kleinen, hoch gelegenen Flughafens sogar direkt angeflogen werden. (Was heuer - Corona-bedingt, richtig erraten! - nur von Graz und Linz aus möglich ist.) Man kann natürlich auch via Split anreisen, sei’s ebenfalls im Flieger oder auf dem Landweg, und dann per Fähre auf die Insel übersetzen.

Ökologie ist oberstes Gebot am Prachtstrand Zlatni Rat.
© Schmickl

Wie umweltbewusst auch immer oder halt doch nicht so wirklich (Flugzeug!): Auf Brač wird jedenfalls höchster Wert auf Ökologie gelegt. Daher ist auch die Südseite der Insel, mit dem Touristenort Bol (und dem 22-Einwohner-Dörfchen Murvica) und dem berühmtesten Kiesstrand Kroatiens, dem Zlatni Rat alias Goldenes Horn, ein erstaunlich sauberes Fleckchen Erde - und Wasser.

Knapp zwei Kilometer sind es von dem Städtchen Bol bis zu dieser Strandzunge, die fast 500 Meter ins adriatische Meer hinausragt - und deren Spitze, je nach Wind und Meeresströmung, einmal auf die linke, einmal auf die rechte Seite leckt.

 

Das naturgeschützte Reservat ist von einem dichten Pinienwald gesäumt, der Schatten spendet und für Windschutz sorgt. Die Winde haben klangvolle Namen: Der Schönwetterwind heißt Maestral und weht am Nachmittag vom Meer her eine teils leichtere, teils stärkere Brise landeinwärts, die vor allem bei Surfern und Kite-Surfern beliebt ist und von ihnen auch sportiv genutzt wird. Ponente wird der regnerische Herbstwind genannt. Und Bura ist der trocken-kalte Wind aus Nordost, der vor allem im Winter die Insel mit kräftigen Böen überfällt und sie und ihre rund 14.000 Einwohner in die Knie zwingt. Entlang der hübschen Promenade von Bol zum Zlatni Rat kann man die Wirkung dieses massiven Windes u.a. daran erkennen, dass die Seestrandföhren teilweise buchstäblich windschief gewachsen sind - ihre Stämme ragen in erstaunlich schrägen Winkeln aus dem dünnen Erdreich.

Dieses ist vor allem deswegen dünn, weil Brač sozusagen "steinreich" ist, denn die Insel besteht fast ausschießlich aus harter Materie. Damit Landwirtschaft, vor allem der Anbau von Wein und Oliven (deren Bäume teils 300 Jahre alt und über die die gesamte Insel verteilt sind), überhaupt möglich ist, musste dem steinreichen Boden Erde erst mühsam abgetrotzt werden. In Škrip, dem ältesten Ort der Insel, kann man in einem kleinen Museum nachvollziehen, wie die Produktion von Olivenöl unter diesen harten lokalen Bedingungen entstanden ist und bis heute erfolgt (und die aktuellen Ergebnisse auch gleich vor Ort verkosten).

Der wertvollste Stein ist freilich der weiße Kalkstein, den die Bračer gerne "Marmor" nennen, der er freilich nicht ist, was seine schmucke, glatt polierte Ansehnlichkeit (etwa auf besagter Promenade nach Bol) und seinen Status als Exportschlager aber keineswegs mindert. Von diesem kostbarsten Material der Insel sind Teile bis in die Parlamentsgebäude von Wien und Budapest gelangt - und sogar bis ins Weiße Haus nach Washington.

Neben Tourismus und Landwirtschaft brachte eine Zeit lang die bekannte internationale Kaugummifirma Bazooka mit einer Fabrik (in der in Hochzeiten bis zu 3.000 Leute arbeiteten) Brač ökonomisch auf Vordermann. Die Fabrik gibt es nicht mehr, das Gebäude steht aber noch.

Nicht zwangsläufig deswegen, sondern ganz allgemein bekannt ist, dass die Bračer - um es einmal vorsichtig zu sagen - äußerst sparsam sind. Sie gelten als Schotten unter den Slawen. Ein bezeichnendes, wenngleich durchaus böses Bonmot (angeblich von einem Dominikanerpater geäußert) lautet, dass Jesus von einem Bewohner der Insel gekreuzigt worden sein muss: "Ein Nagel für zwei Beine und Füße - das kann nur ein Bračer gewesen sein!"

Am Rand von Bol befindet sich ein Dominikanerkloster, das freilich keinerlei Belege für derlei gewagte Behauptungen bietet, das aber in einem Museum detailreich von der Geschichte des Ordens auf der Insel erzählt - und in dessen angenehm kühler Kirche man bei allzu großer äußerer Hitze (die freilich durch die genannten Winde fast immerzu gedämpft wird) eine erfrischende stille Andacht einlegen kann.

Blick auf den Vidova Gora, die höchste Erhebung der Insel.
© Schmickl

Wem weniger nach Einkehr denn nach Überblick zumute ist, der kann auf den 778 Meter hohen Vidova Gora - die höchste Erhebung aller Adria-Inseln - steigen (oder mit dem Rad - am besten einem E-Bike - emporstrampeln, oder sich hinaufchauffieren lassen), um von dort eine imposante Weitsicht zu genießen, die sich nicht nur über die gesamte Insel erstreckt, sondern auf der einen Seite über den sogenannten Bračer Kanal hinweg bis nach Split und zur Makarska-Küste reicht, und auf der anderen Seite die Nachbarinseln, das elegant längliche Hvar und das dahinter gelegene feingliedrige Korčula, umfasst.

Des Kaisers Bett

Ob Kaiser Franz Joseph, zu dessen Reich Brač in seiner wechselhaften Geschichte auch einmal gehörte, dieses Höhenpanorama auch einmal genoss, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls soll er drei Tage und Nächte auf der Insel zugebracht haben, wovon zumindest das Bild einer Bettstatt zeugt, in der er angeblich genächtigt hat, das in der schmucken Privatpension Villa Giardino in Bol hängt, die bis vor wenigen Jahren einer Wienerin gehörte (und mittlerweile in internationalen Besitz überging).

Österreicher zog und zieht es - nicht nur als Touristen - immer wieder auf diese Insel. Neben einigen Privatpersonen, die sich Häuser auf Brač zulegten, ist etwa Hans Peter Haselsteiner als Investor eines Luxushotels im Norden der Insel ("Lemongarden") hervorgetreten, wobei von ihm auch gleich der umliegende Ort, Sutivan, einer Restaurierung unterzogen wurde - und nun in feiner, stilvoller Pracht glänzt.

Und in Bol ist das Hotel Bretanide schon seit längerem in österreichischer Hand, und bietet aufgrund seiner Größe, seiner gepflegten Anlage (die einem dalmatinischen Dorf gleicht, mit zentraler Piazetta für Veranstaltungen) und seiner exquisiten Lage - nur rund 300 Meter vom Goldenen Horn entfernt - ideale Bedingungen vor Ort. Wobei die - zu Fuß bequem erreichbaren - felsigen Buchten westlich des berühmten Strandes Zlatni Rat ja die eigentlichen Entdeckungen ... - aber nein, das verrate ich aus Eigeninteresse lieber doch nicht.

Gerald Schmickl, geb. 1961, ist leitender Redakteur der Beilage "extra" in der "Wiener Zeitung" und Schriftsteller.

Der Artikel entstand in Kooperation mit dem Reisebüro Gruber, Graz.