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Ein goldenes Detail am Rande

Von Gregor Hochreiter

Wissen
Die Nachprägung der 100-Kronen-Münze erwies sich am US-Markt als Hit.
© Münze Österreich AG

Ein US-Gesetz und der Bankier Simon Moskovics machten Österreich zu einem Exportland für Goldmünzen.


Mitunter sind es Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied machen, so wie in dieser weithin unbekannten Episode der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Die Hauptakteure dieser Episode sind das in den USA 1933 verhängte Goldverbot, die 100-Kronen-Goldmünze mit dem Prägejahr 1915, die Bank Winter unter ihrem Wiederbegründer Simon Moskovics sowie das unternehmerische Gespür von Henry Jarecki.

Eben dieser Henry Jarecki, seines Zeichens Gründer der US-amerikanischen Niederlassung von "Mocatta & Goldsmid" - ein 1684 in London gegründetes Edel- und Basismetallhandelsunternehmen - holte Anfang der 1970er Jahre in den USA Informationen zu einem Detail des am 5. April 1933 erlassenen und später mehrmals verschärften Goldverbots für US-Bürger und US-Unternehmen ein. Das Verbot kannte nämlich einige Ausnahmen. So mussten Sammlermünzen, ursprünglich definiert als Münzen, die vor diesem Tag geprägt wurden, den Behörden nicht übergeben werden.

An diesem Punkt setzte die Anfrage von Henry Jarecki an. Er wollte wissen, ob diese Ausnahmeregelung auch für neu geprägte Münzen galt, sofern diese als Prägejahr eine Jahreszahl von - nunmehr - vor 1934 aufwiesen. In diesem Fall wären neu geprägte historische Münzen, wie etwa Kronen-Münzen aus der österreichisch-ungarischen Monarchie, nicht vom Verbot erfasst gewesen, da sie als Sammlermünzen eingestuft worden wären. Die von Jarecki Anfang der 1970er Jahre mit der Anfrage konsultierte Kanzlei "Cadwalader", die mit dem Gründungsjahr 1792 als die älteste durchgehend tätige Anwaltskanzlei der USA gilt, befand, dass derartige Nachprägungen in den USA wohl vertrieben werden dürften.

Und so nahm eine Kette an Geschehnissen ihren Anfang, die Österreich weit über die unmittelbaren Geschäftsinteressen hinaus prägen würde.

Win-win-win-Situation

Henry Jarecki wusste, dass das Hauptmünzamt, die heutige Münze Österreich AG, die 100-Kronen-Münze mit dem Prägejahr 1915 in der erforderlichen Prägequalität herstellen konnte. Bei dieser handelt es sich um eine Münze aus sogenanntem 900er-Gold. Das bedeutet, dass 90 Prozent des Bruttogewichts aus Gold bestehen. Bei einem Bruttogewicht von 33,88 Gramm sind das 30,49 Gramm Gold. Die restlichen 10 Prozent bestehen aus Kupfer. (Der erstmals 1989 ausgegebene "Wiener Philharmoniker", heute eine der beliebtesten Goldanlagemünzen weltweit, dagegen besteht wie alle klassischen Goldanlagemünzen der Gegenwart zu 999,9 Promille aus Gold, auch Feingold genannt.)

Das kommunistische Ungarn, das ebenfalls den Prägestempel besaß, scheiterte indes an den Qualitätserfordernissen, womit die österreichischen Nachprägungen konkurrenzlos waren.

Der von Jarecki geplante Export von neugeprägten 100-Kronen-Münzen in die USA sollte allen Beteiligten zum Vorteil gereichen. Das Hauptmünzamt verdiente an der Prägung, sehr zur Freude des Finanzministers, da das Hauptmünzamt damals noch im Eigentum des Finanzministeriums stand. Für den Import des Goldes nach Österreich zeichnete die Bank Winter unter ihrem Wiederbegründer Simon Moskovics verantwortlich, die über die notwendigen Voraussetzungen verfügte: Als erste private Bank Österreichs hatte sie 1963 die Lizenz erhalten, Gold auf eigene Rechnung einzuführen, dieses im Hauptmünzamt prägen zu lassen und zu verkaufen. Und Henry Jarecki organisierte den Verkauf in den USA, zu einer Zeit, als sich das Goldverbot bereits dem Ende zuneigte.

Präsident Roosevelts "Executive Order 6102" verbot Amerikanern den privaten Besitz von Gold.
© U.S. Government Printing Office / Public domain / via Wikimedia Commons

Die Nachprägungen gingen in den USA weg wie die warmen Semmeln. Die ersten 16.000 Stück der neu geprägten Sammlermünzen waren in zehn Minuten verkauft. Dies entspricht rund einer halben Tonne Feingold. Weitere Tranchen folgten rasch und konnten aufgrund der regen Nachfrage mit immer höheren Aufschlägen im Markt untergebracht werden. Binnen eines Jahres wurden insgesamt 45 Tonnen neugeprägter 100-Kronen-Münzen verkauft. Dass die US-Bürger eine so starke Nachfrage nach Goldanlagemünzen hatten, lag am jahrzehntelangen Goldverbot.

Als am 24. Oktober 1929 die Börse in New York krachte, galt in den führenden Wirtschaftsnationen der damaligen Zeit ein Goldstandard. Banknoten konnten in Gold eingewechselt werden, waren also so gut wie Gold. Als Reaktion auf den Börsenkrach begann die Bevölkerung, Gold zu horten, das aufgrund der starken Deflation beständig an Wert zulegte. Um das Horten zu unterbinden, erließ der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt am 5. April 1933 die "Executive Order 6102", die den privaten Goldbesitz im Inland verbot.

Bis zum 1. Mai mussten alle US-Bürger ihre Goldbestände bei den Behörden abliefern. Ausgenommen davon waren nur Goldschmuck und historische Münzen, wobei alle vor dem 5. April 1933 geprägten Münzen pauschal ausgenommen wurden. Zudem kam ein Freibetrag von 100 US-Dollar zur Anwendung, was beim damaligen Goldpreis von 20,67 US-Dollar pro Unze rund 5 Unzen oder etwas mehr als 150 Gramm Feingold entsprach. Der aktuelle Gegenwert von 5 Unzen Feingold ist rund 7.950 Euro (Stand Anfang Jänner 2022). Trotz rigoroser polizeilicher Überprüfungen sollen den Behörden nur rund 30 bis 50 Prozent der im privaten Eigentum befindlichen Goldbestände übergeben worden sein.

Spätere Lockerung

1961 verschärfte US-Präsident Dwight D. Eisenhower das Goldverbot. US-Bürgern wurde es nun zusätzlich verboten, Gold im Ausland zu halten, mit Ausnahme von Sammlermünzen. Nur ein Jahr später schärfte der neue Präsident John F. Kennedy die Regelungen ein weiteres Mal nach. Nunmehr wurde es US-Bürgern auch verboten, Sammlermünzen im Ausland zu halten. Zudem wurden die US-Bürger verpflichtet, ihr im Ausland gehaltenes Gold bis Jahresende in die USA zu bringen. Die US-Regierung, wollte dadurch der angeblichen Zunahme von Fälschungen entgegenwirken.

1969 kam es zu ersten Lockerungen. So wurde amtlich verlautbart, dass historische Münzen - jetzt neu - aus der Zeit vor 1934 ohne Lizenz importiert werden durften. Schließlich hob Präsident Gerald Ford mit der "Executive Order 11825" per 31. Dezember 1974 das Goldverbot auf. Seither ist es US-Bürgern und US-Unternehmen wieder uneingeschränkt gestattet, Gold zu besitzen und mit Gold zu handeln.

Für den Erfolg der österreichischen Goldmünzen spielte neben Henry Jarecki auch Simon Moskovics eine tragende Rolle. 1949 hatte der aus dem ungarischen Debrecen gebürtige Simon Moskovics seine wirtschaftliche Tätigkeit in Wien aufgenommen. In den 1950er Jahren machte er sich mit der Lösung eines gravierenden strukturellen Handelsbilanzproblems im staatlichen Handel mit der Sowjetunion einen Namen in der österreichischen Politik. Ein Teil der Lösung war der Ankauf von Gold im Rahmen von switch trades und die Politik lohnte sein Engagement für die Republik mit der Erteilung der bereits erwähnten Lizenz, eigenes Gold im Hauptmünzamt prägen zu lassen und zu verkaufen.

1959 erfolgte zusammen mit Robert Winter - dem Sohn Alfred Winters, der 1892 die "Bank Winter" ursprünglich gegründet hatte und die 1938 nach der "Arisierung" aufgelöst worden war - die Wiederbelebung der Bank Winter. Innerhalb weniger Jahre gelang es Simon Moskovics, das Institut zur nach der Bilanzsumme größten Privatbank Österreichs aufzubauen, und das als persönlich haftender Gesellschafter, was ihm die Bezeichnung "Wiens letzter Privatbankier" einbrachte.

Die Goldmünze zu Ehren der Babenberger von 1976.
© CoinInvest GmbH / CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) / via Wikimedia Commons

Danach stieg Moskovics in das Goldgeschäft ein, als er der Schweiz ihr De-facto-Monopol bei der Prägung von Golddukaten abspenstig machte. Es folgte die bereits geschilderte Episode um den erfolgreichen Export der Kronen-Münzen in die USA.

Mit diesen beiden maßgeblich von Simon Moskovics und der Bank Winter initiierten Goldgeschäften war die österreichische Goldgeschichte in der Nachkriegszeit noch lange nicht zu Ende. Im Gegenteil: Angeregt von Simon Moskovics, brachte die Republik anlässlich der 1.000-Jahr-Feierlichkeiten der Belehnung der Babenberger mit der damaligen Markgrafschaft Österreich 1976 eine 1.000-Schilling-Goldmünze in Umlauf.

Weltweiter Erfolg

Zunächst zögerte der damalige Finanzminister Hannes Androsch, doch in Erwartung des nicht unbeträchtlichen Münzgewinns - das ist die Differenz zwischen dem Nennwert der Münze von 1.000 Schilling und den Herstellungskosten, bestehend aus den Material- und Prägekosten - hatte sich Androsch von diesem Projekt überzeugen lassen. Infolge der Ölkrise und des daraus resultierenden Austrokeynesianismus der Regierung Kreisky wies das Budget ab 1975 ein deutliches Defizit auf. Zudem hoffte Androsch, dass durch den regen Ankauf der ersten Goldmünze der Zweiten Republik der in der damaligen Zeit starke Inflationsdruck ein wenig gedämpft werden würde.

Der "Wiener Philharmoniker" in Gold ist weltweit gefragt.
© obs / Münze Österreich AG

Lediglich beim bisher letzten Kapitel der goldenen Erfolgsgeschichte in Rot-Weiß-Rot wirkte Simon Moskovics nicht mehr mit. 1989 erblickte der "Wiener Philharmoniker", ursprünglich als klassische 1-Feinunze-Goldmünze, das Licht der Welt. Das war jenes Jahr, in dem das bisher dem Finanzministerium unterstellte Hauptmünzamt von der Republik an die Oesterreichische Nationalbank verkauft und in "Münze Österreich" umbenannt worden war. Wie auch schon die 100-Kronen-Goldmünzen in den USA und die 1.000-Schilling-Goldmünze vor allem, aber nicht nur in Österreich, so wurde auch der Philharmoniker in kürzester Zeit zu einer Erfolgsgeschichte, und das weltweit.

Dass ausgerechnet Österreich mit dem Wiener Philharmoniker heutzutage eine der weltweit beliebtesten Goldmünzen prägt, ist angesichts des seit mehreren Jahrhunderten bestenfalls unbedeutenden Goldbergbaus wahrlich überraschend. Und es lag an einem kleinen, unbedeutend scheinenden Detail, dass diese goldene Erfolgsgeschichte in Rot-Weiß-Rot ihren Lauf nahm. Henry Jarecki entdeckte es Anfang der 1970er Jahre und packte gemeinsam mit Simon Moskovics die sich bietende Gelegenheit beim Schopf.

Gregor Hochreiter arbeitet als selbständiger Ökonom in Wien. Er ist Chefredakteur des jährlich erscheinenden "In Gold We Trust"-Reports und Buchautor.