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Die Lust am schnellen Aufstieg

Von Peter Payer

Reflexionen
Der Donauturm mit seinem Hochleistungslift, Werbezeichnung der Firma Sowitsch, 1964.
© © Peter Payer/Christian Lintl

Hohe Türme mit Aufzügen zählten in vielen Städten schon im 19. Jahrhundert zu den großen Attraktionen. Wien hat sich erst in den 1960er Jahren mit dem Donauturm diesem Trend angeschlossen.


Dass frei stehende Stadtaufzüge zu einer Sehenswürdigkeit werden können, hatte sich schon im 19. Jahrhundert abgezeichnet. Der älteste von ihnen, Elevador Hidráulico da Conceição (Elevador Lacerda) im brasilianischen Salvador, entstand bereits im Jahr 1873. Der berühmteste, der Eiffelturm in Paris, 1889 fertiggestellt und 324 Meter hoch, avancierte zur Stadtikone schlechthin.

Andere Städte folgten diesen Beispielen: Stockholm mit dem Freiluftaufzug Katharinahissen (1883), Salzburg mit dem Aufzug auf den Mönchsberg (1890), Prag mit dem Aufzugsturm Petřín (1891), Lissabon mit Elevador de Santa Justa (1902) oder Berlin mit dem Funkturm (1926). Sie alle wurden zu vielbenutzen Anlagen, spiegelten auf jeweils eigene Weise die technische Entwicklung und die Faszination dieser Hebevorrichtungen wider. Während manche rein als Aussichtstürme konzipiert waren, überbrückten andere zusätzlich Niveauunterschiede zwischen einzelnen Stadtteilen, hatten also auch eine wichtige Verkehrsfunktion.

In Wien stellte lediglich das Riesenrad, 65 Meter hoch und damals ebenfalls eine neue Art des Emporhebens, eine vergleichbare Sehenswürdigkeit dar. Bei seiner Eröffnung im Juli 1897 schrieb die "Neue Freie Presse" begeistert: "In ruhiger, vollkommen gleichmäßiger, durch keinerlei Erschütterung gestörter Fahrt erhebt sich der Wagen, und selbst Personen, die, wie der landläufige Ausdruck lautet, an ‚Schwindel’ leiden, können die Fahrt ohne irgend welches Unbehagen machen. Langsam, gleichmäßig steigt der Wagen und immer weiter und freier wird der Ausblick auf den Prater und sein Menschengewoge, und endlich auf die Stadt selbst, die förmlich greifbar erscheint."

Nachkriegs-Neuerung

Angesichts dieses liftähnlichen Erlebnisses stand ein richtiger Stadtaufzug, wie in anderen Me-tropolen, lange Zeit nicht zur Diskussion. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnete sich eine Änderung ab: Der 68 Meter hohe Nordturm (Adlerturm) des Stephansdoms erhielt in den 1950er Jahren einen Aufzug der Firma Sowitsch, mit dem die Besucher zu einer Aussichtsplattform fahren konnten.

Anfang der 1960er Jahre, im Zuge der Vorbereitungen zur Wiener Internationalen Gartenschau (WIG 64), bot sich sodann Gelegenheit für eine wirklich spektakuläre Elevation. Jenseits der Donau, auf dem Gelände des Donauparks, entstand Europas größte florale Freiluftausstellung, ein Versuch der Nachkriegszeit, Wien wieder auf der internationalen Landkarte zu positionieren. Neben dem Blütenzauber von tausenden Sträuchern und Blumen wurden auf dem Gelände auch neue Formen der Mobilität präsentiert: So konnte man mit einem Sessellift elegant durch die Lüfte schweben, mit der Kleinbahn oder eigenen Motor-Rikschas herumfahren - oder mit dem Express-Aufzug den Donauturm hinauffahren.

Der Donauturm, errichtet nach Mustern in Stuttgart und Dortmund, sollte zum weithin sichtbaren Erkennungszeichen der Großveranstaltung werden. Im Unterschied zu den Vorbildern war er jedoch kein Fernsehturm, sondern ausschließlich Aussichtsturm und Landmark für das städtebauliche Entwicklungsgebiet jenseits der Donau.

Nach Plänen des Architekten Hannes Lintl und des Statikers Robert Krapfenbauer wurde am 1. August 1962 mit den Bauarbeiten begonnen. Der Turm bestand aus einem 181 Meter hohen, konisch verlaufenden Stahlbetonschaft, gefolgt von einem Stahlmast bis zu einer Gesamthöhe von 252 Metern. Stolz berichteten die Zeitungen, dass der Donauturm somit der höchste Turm Wiens und Österreichs (bis dahin war dies der Stephansdom) und der zweithöchste Turm Europas sein werde. Eine eigene Errichtungs- und Betreibergesellschaft wurde gegründet, an der die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien (95 Prozent) und die Brauerei Schwechat (5 Prozent) beteiligt waren.

Die Eröffnung erfolgte nach knapp zweijähriger Bauzeit am 16. April 1964. In dem Schaft fuhren fortan zwei Personenaufzüge, fünf Kleinlastenaufzüge und ein hydraulischer Aufzug, alle hergestellt von der Wiener Firma Sowitsch, die damit ein wichtiges Prestigeprojekt realisieren konnte. Das seit 1914 bestehende Unternehmen hatte gerade seinen Produktionsstandort am Wienerberg ausgeweitet und stand im harten Wettbewerb mit den übrigen Wiener Aufzugsfirmen, allen voran Freissler und Wertheim.

Die Geschwindigkeit der beiden Personenaufzüge war sensa-tionell: Mit 6,2 Meter pro Sekunde stellten sie die damals schnellsten Lifte Europas dar. Innerhalb von nur 24 Sekunden erreichte man die 150 Meter hoch gelegene Aussichtsterrasse. Über eine weitere Liftstation konnte man von dort in das darüber liegende Zentralgeschoß (165 Meter) fahren. Von hier gelangte man wahlweise in das Café oder das Restaurant, die sich jeweils - eine weitere technische Besonderheit - langsam im Kreis drehten und so einen bequemen Rundumblick ermöglichten.

Doppeldeckeraufzug

Eine Liftkabine konnte bis zu 14 Personen befördern, die stündliche Förderleistung beider Aufzüge zusammen betrug 800 Personen in jeder Richtung. Zur reibungslosen Abwicklung des Verkehrs wurden die Kabinentüren gegenüberliegend angeordnet (Durchlader), sodass ein- und aussteigende Fahrgäste einander nicht behinderten. Bei starkem Wind reduzierte man die Geschwindigkeit auf 2,5 Meter pro Sekunde, da die Schwankung des Turmes die Aufzugskabel zu sehr bewegte. Und noch eine weitere Besonderheit gab es: Der linke Aufzug war - erstmalig in Österreich - als Doppeldeckeraufzug ausgeführt. Während im Oberdeck Personen transportiert wurden, gelangten zeitgleich im Unterdeck die Mahlzeiten von der im Keller gelegenen Küche ins Restaurant.

Eine zur Inbetriebnahme erschienene Werbebroschüre erläuterte aufs Genaueste die sicherheitstechnischen Innovationen des Aufzugsbetriebs, gedacht für jene, die sich besonders interessierten, aber auch zur Beruhigung der Fahrgäste:

"Trotz der hohen Fahrgeschwindigkeit wäre eine Angst vor Seekrankheit völlig unbegründet. Anfahren und Anhalten wird unabhängig von der Kabinenbelastung durch eine Automatik völlig stoßfrei und weich geregelt. Auch sonst ist Ängstlichkeit nicht am Platz. Angefangen von den acht Spezialseilen pro Aufzug, die eine dreißigfache Sicherheit bieten, ist man mit den Sicherheitseinrichtungen geradezu verschwenderisch umgegangen. Getrennte Schalteinrichtungen, Notstromaggregate, Umsteigmöglichkeiten von einer Kabine in die andere, Gleitfangvorrichtungen und ölhydraulische Puffer seien als Beispiele erwähnt."

Begleitet wurde jede Fahrt zudem von einem geprüften Aufzugswärter, der - in den Wohnhäusern schon lange durch die automatische Druckknopfsteuerung ersetzt - hier eine Renaissance erlebte. Er hatte während der gesamten Betriebszeit der Aufzüge anwesend zu sein. Die ganzjährig gefahrenen und demzufolge auch geheizten und entlüfteten Kabinen waren sein Arbeitsplatz. Oben angekommen, erwartete die Besucher ein neuer Blick auf Wien, ein Perspektivenwechsel, der mit zum eigentlichen Zweck des Baus gehörte:

"Denn der Turm will ja nicht nur an sich schön sein, er ist ja auch vor allem dazu gebaut, viele Besucher zu empfangen und ihnen gerade das geliebte Bild unserer Stadt aus einer neuen Perspektive aufzuschließen und nahezubringen. Man hatte zwar oft argumentiert, dass man Wien auch aus der Blickrichtung etwa des Kahlenberges oder des Leopoldsberges genießen könne, ohne dass dazu ein Turm notwendig sei. Gerade diese Art, auf Wien herunterzuschauen, hat aber bisher einen völlig falschen Eindruck von der Lage unserer Stadt vermittelt. Aus dieser Perspektive breitet sich hinter Wien die Ebene aus und man hält Wien für ihren Bestandteil. Der Donauturm lässt - für das breite Publikum zum ersten Male - die eigentliche Lage Wiens im Hügelland erkennen."

Trotz all dieser Vorzüge war der Bau nicht unumstritten. So manche Zeitgenossen bemängelten die enormen Kosten von 60 bis 80 Millionen Schilling (auf heutige Preise umgerechnet etwa 18 Millionen Euro); Architekten wie Hermann Czech oder Friedrich Achleitner kritisierten die banale Zeichenhaftigkeit und politische Instrumentalisierung des Turmes. Was mit ihm installiert wurde, war, wie auch Andreas Nierhaus aus heutiger Sicht feststellt, letztlich eine Retro-Perspektive, die aus der Gegenwart des 20. Jahrhunderts zurück in die Vergangenheit einer Großstadt schaute.

Stabile Maschinerie

Bei den Besuchern war der Donauturm allerdings, vielleicht gerade deswegen, von Beginn an ein Erfolg. Mehr als 100.000 Fahrten bewerkstelligte jeder Aufzug pro Jahr, so der TÜV, der auch diese Anlage regelmäßig inspizierte. Im Jahr 1984, nach zwanzigjähriger Betriebszeit, hatten alle Aufzüge somit eine Strecke zurückgelegt, die etwa die doppelte Entfernung der Erde zum Mond darstellt. Die Aufzugstechnik bewährte sich in diesem Zeitraum bestens. Trotz der hohen Frequenz mussten die Tragseile beim linken Aufzug erst 1974 ausgewechselt werden, beim rechten Aufzug 1973 und 1983.

Erst im Jänner 2010 erfolgte sodann eine durchgehende Erneuerung durch die Firma Kone (der finnische Aufzugskonzern hatte im Jahr 1970 Sowitsch übernommen). Nach einer Beförderungsleistung von 20 Millionen Besuchern und einer zurückgelegten Wegstrecke von insgesamt 750.000 Kilometern wurden die Expresslifte außer Betrieb genommen und einer Generalüberholung unterzogen. Motoren und Kabinen wurden ersetzt, Antrieb und Steuerung auf den letzten Stand der Technik gebracht.

Die Original-Aufzugsmotoren, einzigartige Dokumente ihrer Zeit, wurden sorgsam bewahrt. Einer davon befindet sich heute im Technischen Museum Wien.

Peter Payer, geboren 1962, Historiker und Stadtforscher, Kurator im Technischen Museum Wien. Zahlreiche Publikationen, zuletzt "Auf und Ab. Eine Kulturgeschichte des Aufzugs in Wien" (2017).