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Krachende Romantik

Von Elisabeth Hewson

Reflexionen

Die Kunst, ein Feuerwerk zu inszenieren, hat eine lange, internationale Tradition. Zurzeit treten in Hannover die besten Feuerwerker gegeneinander an, darunter auch ein österreicherisches Team.


Ein großes Feuerwerk - wie dieses in Hannover - rührt jeden Menschen an.
© Hewson

". . . und sie fallen einander in die Arme für den Kuss, den man nie vergisst" - während im Hintergrund Sternengarben, Leuchtblumen und Glitzerfälle den Himmel bemalen. DasHappy End schlechthin, der Höhepunkt jedes fulminanten Festes. Ob Kinder oder Großpapa, ob Rocker oder Opernfan, ein Feuerwerk rührt jeden. Berühmt sind die Feuerwerke zum amerikanischen Unabhängigkeitstag, die Osterfeuerwerke in südlichen Ländern, in Valencia, wo es Anfang März ein recht ungewöhnliches Tageslichtfeuerwerk gibt, und natürlich der Event "Rhein in Flammen", "Kölner Lichter", das "Zürich Fest" mit einer Million Zuschauer jährlich und - unser Donauinselfest.

Begonnen hat es mit viel Krach und Rauch in China, aber die Romantik einer aufblitzenden Himmelsbeleuchtung haben wir den Italienern zu verdanken, die 1379 mit Schwarzpulver eine neue Kunst erfanden, die Pyromantik. Diese "Blumen aus Feuer", wie man sie in Japan nennt, spiegelten später die Barockgärten für illustre Gäste am Himmel wider, repräsentierten Macht und Reichtum, und erzählten schließlich ganze Geschichten - später sogar dem gemeinen Volk.

Wiener Kunststücke

In Wien wurde Anfang des 18. Jahrhunderts bereits kräftig gezündelt. In der Klosterneuburger Au und in der Spittelau wurden Kunstfeuerwerke in den Sommer- und Herbstmonaten als beliebte Abendunterhaltung geboten, und schließlich durfte man auch im ehemals nur dem Adel vorbehaltenen Prater und im Augarten das Volk belustigen.

Der berühmteste Pyromantiker (übrigens ja nicht zu verwechseln mit einem Pyromanen, einem pathologischen Brandstifter) war Johann Georg Stuwer, der sich "k. k. privilegierter Kunst- und Lustfeuerwerker" nennen und 1773 sein erstes Kunststück zeigen durfte. Das begeisterte die Wiener derartig, dass schließlich 40.000 Zuschauer die Straßen zum Prater völlig verstopften. Seine Konkurrenten, selbst berühmte wie Girandolini und Mellina, mussten dem Marketing-Genie Stuwer Platz machen.

Andere versagten einfach jämmerlich vor dem kritischen Wiener Publikum, wie ein gewisser Tobias Heim, den die Zeitungskritiker erbarmungslos zerrissen:
". . . hatte die Unverschämtheit, das Publikum zu einer Armseligkeit im Prater zu locken, die er für nichts Geringeres als für ein in Wien noch nie gesehenes chinesisches Luftfeuerwerk ankündigte
. . . eine in Wien noch nie gesehene Erbärmlichkeit."

Johann Georg Stuwer, als Stubenrauch (sic!) in Deutschland geboren, hatte die interessanteren Titel und Themen zu bieten, konnte sich den beliebten Freitag als Vorführtag sichern, und ließ es, ganz nach Wiener Geschmack, besonders laut krachen. Josef II. erlaubte ihm Veranstaltungen im Bereich der heutigen Stuwerstraße und hinter der Venediger Au, heute "Feuerwerkswiese". Dort errichtete er ein riesiges Gerüst und eine Zusehertribüne und kassierte allabendlich ein wahres Vermögen. Auf den Ankündigungszetteln wurden ganze Theaterstücke, Schlachten oder Romandarstellungen versprochen, die man kaum ohne diese "Gebrauchsanweisung" und nur mit viel Phantasie erkennen konnte.

Aber die Wiener konnten nicht genug bekommen von "Der feuerspeuende Berg Vesuv in seinem vollen Ausbruche" oder "Orpheus Taten im Reich der Toten", von "Phaetons Sturz aus dem Sonnenwagen" oder "Was der rauhe Winter entzieht, ersetzt der wohltätige Frühling".

Die Darstellung von "Werthers Leiden. Frei nach Göthe" war Stuwer wohl weniger geglückt: "Werthers kurze, dünne Beine standen in merklichem Kontrast zu seinem kürbisgroßen Kopf und dem fassförmigen Bauch, er rollte furchtbar mit den Augen, und dass er ein Schwärmer war, wurde durch die hinter ihm fortwährend aufsteigenden ‚feurigen Schwärmer‘ verdeutlicht . . ." schildert ein Augenzeuge und meint: ". . . ein unfreiwilliger Lacherfolg." Aber doch ein Erfolg.

Die Konkurrenz in der Pyromantik ist auch heute groß und international, und so gibt es etliche Wettbewerbe, bei denen man sich in der Himmelsbemalung mit Kollegen messen kann: In Montreal kann man beim "L’International des Feux Loto-Québec" seit 1985 andere Feuerwerker in den Schatten stellen, seit 2006 in Berlin bei der "Pyronale". So auch in Hannover, wo seit 1991 ein "Internationaler Feuerwerkswettbewerb" in den Herrenhäuser Gärten ausgetragen wird, an dem heuer auch Österreich teilgenommen hat. Ab 18 Uhr strömen dort die Zuschauer in den Park, machen es sich mit Picknick-Körben auf Decken bequem und werden mit Clowns, Reitvorführungen und Stelzenfiguren, mit Bier-, Sekt- und Eisstandeln bis zum Feuerfinale unterhalten.

Fünf Nationen, die eine Jury aus fast hundert Bewerbern auswählt, dürfen ihre pyromantischen Künste in den Nachthimmel sprühen, begleitet von Musik und allerlei Spektakel. "Feuerwerksgeschichten", neudeutsch "Pyromusical", werden sie genannt, denn zu jeder Vorführung gehört ein Thema, das sich die Teilnehmer selbst aussuchen dürfen. Nach der "Pflicht", einem vorgegebenen Musikstück, etwa vier Minuten lang (heuer ist es Sibe- lius mit "Finlandia") kommt die "Kür" von 20 Minuten. Dabei sollen der Barockgarten und der Himmel darüber möglichst stimmig "ausgefüllt" werden.

Österreichsieg 1993

In würdiger Stuwer-Tradition, aber mit ganz anderen Mitteln traten heuer René und Niki Langer mit ihrem Team StyerFire auf die Hannoversche "Gartenbühne". Österreich war schon einmal dabei und gewann 1993, heuer müssen wir uns gegen die Konkurrenz aus Spanien behaupten (die auch schon dran waren), die Auftritte von England, Polen und den USA folgen noch. Dann wird auch der heurige Preisträger bekannt gegeben. Unser Team wurde vor einem Jahr aus vielen Dutzend Bewerbern ausgewählt, und hatte im Herbst die ersten Ideen. Drei Monate haben sie für die Vorbereitungen investiert, und zu zehnt in drei Tagen alle die Sprüher und Blitzer, Fontänen und sonstigen Himmelsstürmer montiert und verkabelt. "Die meisten beziehen wir aus Italien. Die Auflagen sind ja sehr streng geworden, für die Farben dürfen keine Schwermetalle mehr beigemischt werden, keine Bleigemische, kein Arsen", erzählt Niki Langer, der Chef von SteyrFire. Heute verwendete man verschiedene Salze, wie Kupfer für Azurblau, Barium für Grün und Lithium für Karminrot.

Ganz ungefährlich ist so ein Feuerwerk nicht, auch wenn die Zuschauer Respektabstand halten müssen: Die Feinstaubbelastung ist enorm, vor allem zu Silvester, wenn überall gezündelt wird. In Deutschland wurden in München statt der üblichen 17 Mikrogramm ganze 1138 Mikrogramm gemessen, der Grenzwert liegt bei 50 Mikrogramm, es gab sogar schon Messungen von 4000 Mikrogramm. Außerdem fallen Hülsen zu Boden, es gibt Hörschäden, Brände und schwere Verletzungen. Aber das ist fast immer Unvorsichtigkeit oder Übermut, erklärt Langer, der genau weiß, wovon er spricht, hat er doch sehr gründlich gelernt, wie man mit Explosivstoffen umgehen muss.

Als "staatlich anerkannter Pyrotechniker" muss man einen eigenen Lehrgang absolvieren, Langer war dafür in Vorarlberg bei einem Doppler-Seminar, wo er seine Begeisterung für Feuerwerke in die Praxis umzusetzen lernte. Damit hat er jetzt ein zweites Standbein, ursprünglich ist er EDV-Software-Entwickler für Handwerksbetriebe. Das passt gut zum Feuerwerken: "In den letzten 20 Jahren hat sich die Technik massiv geändert, heute kann man dank Computer Dinge machen, die damals nicht möglich gewesen wären, wie 30 bis 40 Zündungen in der Sekunde." Dazu braucht es ein eigenes Softwareprogramm.

Aber trotzdem kann immer etwas schief gehen: "Wenn einer die Effekte beim Aufbau vertauscht, Kabel falsch anschließt." Immerhin arbeiten zehn Leute eine Woche lang an den Vorbereitungen vor Ort, drei Tage braucht man für das Aufstellen und das Abräumen. Wenn man sich den Kabelsalat bei jedem der 44 Positionen, den 150 Kugelzylinder-Bomben-Gruppen, den 15 Mittelfeuerwerkspositionen und den vielen kleineren Geschoßen anschaut, fragt man sich, wie das überhaupt so gut funktionieren kann: Die wogenden, ruhigen Goldeffekte, die langsam herabregnen; die hellen Blitze; die Bengalischen Feuer, perfekt im Rhythmus, bei dem man die dreieinhalb bis vier Sekunden Steigzeit, bis die Bombe am Himmel explodiert, einrechnen muss. Bei diesen Großfeuerwerken wird alles kombiniert: Boden- mit Höhenfeuerwerken, Fontänen mit Vulkanen, Sonnen, Springbrunnen und Wasserfällen, Feuertöpfen, Römischen Lichtern und allerlei Flammeneffekten.

Blutroter Schein

"Als Motto haben wir die Raunächte gewählt, wenn die bösen Geister vertrieben werden und man sich auf ein neues, sonniges, fruchtbares Jahr freut." Wenn die Dämmerung zur Nacht wird, drückt man um 22.30 Uhr auf den Knopf. Niki Langer zeigt sich cool: "Dann geht alles automatisch. Aber spannend ist es schon, schließlich gibt es keine Generalprobe."

Und unheimlich hat es begonnen, das Alpenprogramm, 20 Perchten mischten sich in blutrotem Schein unters Publikum, dazu mystische Musik, der Garten bebte und die Zuschauer stöhnten. Schließlich hellere Musik und ein fröhlicher leuchtender Himmel, dazu Polka, Beatles und Rolling Stones - Frühling und Sommer sind gekommen. "Auch wenn wir nicht gewinnen, es ist einfach toll, hier mitgemacht zu haben", meint Langer, der mit seinem Team bereits am nächsten Feuerwerk in Monte Carlo bastelt.

Ganz konnte das Österreichische Team aber nicht mit dem alten Stuwer mithalten. Zum Glück. Denn das Wetter muss immer mitspielen. Und bei Stuwer tat es das oft nicht: "Mir haben jetzt lange Zeit ein strohtrockenes Wetter ghabt; da hat aber der Stuwer gedroht, dass er ein Feuerwerk gebn will, und da hat’s an der Stell z’regnen angefangen", schrieben damals die satirischen "Eipeldauer-Briefe".

Der "27. Internationale Feuerwerkswettbewerb"in Hannover dauert noch bis 16. 9. 2017. Die Auftritte von Spanien und Österreich haben bereits stattgefunden, am 19. August zeigt das englische Team sein Können, am 2. September das polnische und am 16. 9. schließlich das Team der USA. Danach wird der Sieger bekannt gegeben.

Elisabeth Hewson lebt als Journalistin und Autorin in Wien.