Herr Maus trat seine Laufbahn beim Film eigentlich unfreiwillig an. Der Kollege Hase, Oswald the Rabbit, hatte die Rolle zuerst bekommen, aber dann schnappte ihn sich die Konkurrenz. Walt, der Chef, musste umdisponieren. Er besetzte die freigewordene Stelle jetzt mit dem Mäuserich. Er wollte ihn Mortimer nennen, aber seine Frau Lilly war dagegen. Sie bekam fast einen Schüttelfrost.
"Mortimer ist ein schrecklicher Name für eine Maus!", empörte sie sich. - "Na, wie soll er denn dann heißen?", fragte Walt leise. (Man fuhr gerade nach New York, es war im Februar oder März 1928, Winterwetter, er musste sich auf den Verkehr konzentrieren.) "Doch nicht etwa Mickey. Oder?", fragte er. - Lilly meinte, das klänge auf alle Fälle schon mal besser als Mortimer. Aber, wie Sie sehen: Sogar der Name war zweite Wahl. In seinem ersten Film spielte er den Steamboat Willie, einen Flusskapitän, der munter vor sich hin pfiff, während er das Steuerrad bediente.
"Die kleine Ratte"
Richtig beliebt wurde Mickey aber nie. Fünfzig Jahre später schrieb der Wiener Liedermacher Ludwig Hirsch einen Song über ihn. Er endete so:
"An einem bestimmten Tag im Jahr 1928 standen sich plötzlich links der seine Pflicht tuende Mond und rechts die ihre Pflicht tuende Sonne am selben Himmel gegenüber. Erschreckt starrten sie sich an und in diesem kurzen Schreckensmoment vergaßen beide nur Bruchteile von Sekunden ihre Pflicht zu tun. Die Folgen waren verheerend. Bitte, dieser Tag sei in alle Ewigkeit verflucht! An diesem Tag wurde die Micky Maus geboren."
Mickey schien überall Feinde zu haben. Sein größter Widersacher war der Nazi-Propaganda-Minister Goebbels. "Widerlich. Mäuse sind ein schmutziges Ungeziefer", verkündete er, und wollte die Maus überall in seinem Einflussbereich abschaffen lassen. Allerdings liebte sein Chef, "der Führer", die Maus, ebenso wie der "Duce" in Italien. Die Italiener waren überhaupt ganz vernarrt in den Mäuserich, auch wenn sie ihn liebevoll "Topolino" nannten, "die kleine Ratte".
Als die Autofirma Fiat 1936 einen Kleinwagen, den Vorläufer des Fiat 500, auf den Markt brachte, wurde der Wagen sofort zu "Fiat Topolino" umgetauft. Gebaut wurde er bis 1956. Als ich vor einem Jahr für ein paar Minuten am Bahnhof in Bonn/Beuel vorbeikam, sah ich einen wunderbar wiederhergestellten Wagen dieses Typs, und machte sofort ein Foto davon. Leider hatte ich vergessen, die Fischaugenlinse abzuschalten, sodass das Autochen nun eher rundlich gebogen aussieht - aber das passt andererseits auch wieder zum Zeichenstil, den Walt so liebte - es ist ein Stil, der auch keine geraden Linien kennt.