Am 16. Februar 1919 fanden die Wahlen in die konstituierende Nationalversammlung statt. Für Adelheid Popp, geborene Dworak, gab es doppelten Grund zu feiern, denn einerseits wurde sie als Abgeordnete gewählt, andererseits lag ihr fünfzigster Geburtstag keine Woche zurück.

Als Tochter eines Webers kam sie im damals niederösterreichischen Vorort Inzersdorf am 11. Februar 1869 zur Welt. Als Autorin wagte sie sich an zahlreiche frauenpolitische Themen wie Partnerwahl, Geburtenkontrolle und die Überwindung veralteter Moralvorstellungen heran. Ihr politischer Aufstieg erfolgte nicht zufällig zu einem Zeitpunkt, als sich die Verhältnisse am Kontinent schlagartig änderten. Frauen hatten kriegsbedingt in klassischen Männerberufen gearbeitet, nach dem Waffenstillstand brachten sie Opfer für das Überleben trotz Hunger und Grippeepidemie. Der hohe Blutzoll des Kriegs und die anhaltende Gefangenschaft wirkten sich auf die Bevölkerung aus, die 1918 mehrheitlich weiblich war.

In den politischen Lagern entstand bald Einigkeit darüber, das Frauenwahlrecht angesichts eines demokratischen Neubeginns zu verankern. Obwohl sie in den Wählerlisten die Mehrheit stellten, erreichten die gewählten Mandatarinnen eine Repräsentation von weniger als fünf Prozent. Dennoch empfanden die Politikerinnen dies als Erfolg, denn immerhin hatte es erstmals auf Frauen zugeschnittene Wahlkämpfe gegeben. Aber nicht bei allen Wählerinnen kam die emanzipatorische Botschaft an, in den 20er Jahren wählten die Frauen mehrheitlich christlich-sozial. Bei den Wahlen zur Konstituante siegten insgesamt die Sozialdemokraten, die Mandatsverteilung betrug 72:69:26:3 (SDAP, CS, großdeutsche und deutschnationale Listen, Sonstige).

Bitterarme Familie

Trotz der Verheißung eines allgemeinen und gleichen Wahlrechts "ohne Unterschied des Geschlechts" gab es diskriminierende Regeln. Zahlreiche Personen waren vom Wahlrecht ausgeschlossen, darunter auch Frauen, die in Arbeitshäuser "abgegeben" worden waren oder unter sittenpolizeilicher Überwachung standen.

Die letztgenannte Regelung nahm nicht nur Prostituierten das Wahlrecht. Heutzutage sind nur mehr Personen, die für bestimmte Delikte bestraft werden, ausgeschlossen, wenn das Strafgericht dies ausdrücklich anordnet. Daher ist das heutige Wahlrecht um vieles "allgemeiner" als jenes vom Februar 1919. Das gilt auch für den Aspekt der Wahlmündigkeit und den viel weiter gezogenen Kreis des "Bundesvolks" seit einer Reform aus 2007. Als großzügig gelten nicht nur das niedrige Wahlalter von 16 Jahren, sondern auch die Tatsache, dass die Vollendung des Wahlalters am Abstimmungstag ausreichend ist. Dies wirkt sich besonders bei Wahlen oder Abstimmungen aus, welche spät im Jahr angesetzt werden.