Der gagausische Schlagersänger Pötr Petkoviç jagt seinen alten, mit rotem Staub wie zugeschneiten Toyota erbarmungslos über die löchrige Dorfstraße von Joltai. Die Gänse, flügelschlagend, rennen um ihr Leben. Am Dorfrand, hinter einer Mauer, liegt unser Ziel: Petkoviç’ Museumsdorf. Es besteht aus einem Holzhäuschen ("gagausischer Stil"), einer Windmühle und einem Brunnen. In einem zweiten Haus befindet sich ein Gemischtwarenladen mit Ausschank; darin sitzt im Halbdunkel, auf Kundschaft wartend, Petkoviç’ Frau.

Das Ensemble ist bescheidener als erwartet. Macht nichts. Ich bin in Gagausien zwar nicht in Museumsdörfern, aber doch ausreichend in Dorfmuseen gewesen und dort, wie das überall auf der Welt der Fall ist, von eifrigen Lehrerinnen auf die Einzigartigkeit ihrer Volkskultur nachdrücklich hingewiesen worden. Der Sänger, glücklicherweise, spricht ohnehin lieber über Musik.

Petkoviç, zurück im Wohnhaus, zeigt mir seine Sammlung traditioneller gagausischer Musikinstrumente. Ich bin fasziniert von den Sackpfeifen, sie sehen aus wie freundliche außerirdische Wesen. Wenn er sie mit seinem Atem zum Leben erweckt, verströmen sie den heimeligen Geruch jener Nutztiere, aus deren Haut sie gemacht worden sind.

Petkoviç ist erfolgreich, "honored artist of Republic of Moldova & Gagauzia" (Visitenkarte), seine Preise hat er in einer Vitrine im ehelichen Schlafzimmer ausgestellt. Auffallend vieles stammt aus der Türkei, aus Aserbaidschan, aus Kasachstan; das Prunkstück, in einer Schatulle versorgt, ist ein Orden des Staates Turkmenistan mit Urkunde und handsignierter Fotografie des Präsidenten.

Autonomiestatut

Gagause zu sein, lerne ich hier, kann im ärmsten Winkel Europas praktische Vorteile haben. Seine Rumänisch singenden Kollegen kommen über die Republik Moldau kaum hinaus, ihm hingegen, sagt Petkoviç, öffnet sich die gesamte turksprachige Welt. Nicht dass er davon reich würde, aber er kann seine Familie anständig versorgen, sie müssen nicht ans Auswandern denken, das ist schon etwas in diesem Land.

Die Autonome Territoriale Einheit Gagausien liegt im Süden der Republik Moldau, besteht aus drei Kleinstädten, zwei Dutzend Dörfern und hat etwa 135.000 Einwohner, von denen sich 110.000 als Gagausen bezeichnen. Die Gagausen sind ein überwiegend christlich-orthodoxes Turkvolk, sie leben verstreut über mehrere Länder der Region, haben aber nur innerhalb der Republik Moldau einen offiziellen Status.

Wie die Russen in Transnistrien, so forderten auch die moldauischen Gagausen nach dem Zerfall der Sowjetunion zunächst einen eigenen Staat, sie einigten sich aber 1994 mit der Zentralregierung in Chişinău auf ein Autonomiestatut, das ihnen weitgehende Sonderrechte garantiert.