Bahnhof Wiener Neustadt zeitig in der Früh: Die ersten Pendler besteigen spätestens um 5.30 Uhr den Schnellzug nach Wien in Richtung Arbeitsplatz; etwas zeitversetzt beginnt auch das Pendlerdasein für all jene, die eine flexiblere Arbeitszeiteinteilung haben.

Die Pendlerverflechtung ist aber nur eine von vielen Verflechtungsmerkmalen dieses Großraumes. Verkehrsinfrastruktur, Erlebnis- und Freizeitparks, Shopping City und kulturelle Vielfalt der Kleinstädte an der Thermenlinie sind nur einige Beispiele für die intensiven Interaktionen dieses - für österreichische Verhältnisse - überdimensionierten suburbanen Raumes. Gilt die Shopping-City-Süd doch landläufig als größtes Shopping-Areal Europas, ebenso wie der Knoten Vösendorf als flächenintensivstes Autobahnkreuz.

Wien-Süd, der Albtraum jedes Raumplaners, das ist der klassische Brei von immer kleiner werdenden Zwischenräumen zwischen stadtnahen-ländlichen Regionen, wo das Wasser durchfließt, und der städtischen Agglomeration Wien, wo es schließlich verbraucht wird.

Vom im Jahr 1956 stillgelegten Wasserturm in Wien-Favoriten schweift bei guter Sicht der Blick zurück über sämtliche Regionen des Umlandes von Wien bis hin zum Schneeberg. - © bettina sampl - stock.adobe.com
Vom im Jahr 1956 stillgelegten Wasserturm in Wien-Favoriten schweift bei guter Sicht der Blick zurück über sämtliche Regionen des Umlandes von Wien bis hin zum Schneeberg. - © bettina sampl - stock.adobe.com

Wien ist erreicht, und hier wird erstmals klar, was politisch-administrative Aktivitätsregionen bedeuten. Es ist nicht nur der Farbwechsel von Schwarz auf Rot, oder die Angst der Wiener Wirtschaft vor dem Kaufkraftverlust auf der ehemals grünen Wiese vor den Toren der Stadt, auch ist es die wiederkehrende Debatte um den Finanzausgleich und das massive Werben des Landes Niederösterreich um die Zweitwohnbesitzer zu Wahlkampfzeiten rund um Wien.

Auch die vertragliche Regelung zwischen Wien und Niederösterreich auf administrativer Ebene, die das "niederösterreichische Wasser" den Wienerinnen und Wienern zur Durstlöschung sichern soll, zeigt exemplarisch auf, was Grenzen bedeuten.

Lenken und leiten

Wo Grenzen überschritten werden, gehören Verträge und Regelungen zur Alltagspraxis. Servitute in den Grundbüchern mit dem Recht der Führung einer Wasserleitung und Wasserrechtsbescheide zwischen Niederösterreich und Wien sichern den Fluss, vor allem jenen der II. Hochquellenleitung. Bei der I. Hochquellenleitung wurde vorsichtshalber der Grund und Boden Niederösterreichs sowohl in den niederösterreichischen Quellgebieten als auch im Bereich der Trassenführung quer durch Niederösterreich in den Besitz der Stadt Wien überführt.

Wien und das südliche Niederösterreich, das ist (oder könnte aus raumplanerischer Sicht noch viel mehr sein) eine Stadtregion. Stadtregionen sind nun jene Räume, die durch enge sozioökonomische Verflechtungen zwischen Kernstadt und Stadtumland geprägt sind. Das Wiener Wasser bringt dies als Symbol gut zum Ausdruck. In anderen Bereichen wie öffentlicher Verkehr, Raumplanung, Siedlungsentwicklung, Suburbanisierung, Flächenwidmung oder Kooperationen im Bereich der Administration ist der stadtregionale Kontext als mögliche Steuerungsform räumlicher Gestaltung in Österreich noch nicht überall angekommen.

Das Wort Region, abgeleitet aus dem Lateinischen, drückt nicht nur Richtung und Gegend aus, sondern auch lenken und leiten. Geleitet ist das Wasser wohl, Regionen zu steuern hingegen ist eine sich verändernde Herausforderung über die Zeit - mit permanenten, auch konkurrierenden Ansprüchen und räumlichen Wirksamkeiten. Hier liegen auch die großen Herausforderungen zukünftiger regionaler Gestaltung.

Vom im Jahr 1956 stillgelegten Wasserturm in Wien-Favoriten schweift bei guter Sicht der Blick zurück über sämtliche Regionen des Umlandes von Wien bis hin zum östlichsten 2000er der Alpen, dem Schneeberg, der mit seinem Einzugsgebiet auch zukünftig die regionale Wasserbasis für die Versorgung Wiens sichern soll.