Was uns umtreibt, ist nicht die bloße Ruhelosigkeit, ist nicht nur das Ungenügen, das wir an der Welt empfinden, sondern das Wissen von uns selbst. Es spricht uns zu, unaufhörlich; auch im Schlaf gibt es keine Ruhe und durchzieht uns mit Träumen, die manchmal den Tag über noch anhalten. Das Bewusstsein macht jeden Einzelnen von uns, macht jedes kleine Ich zu einem Problemfall, an dem Selbsttherapie zu üben ist. Man kann dabei fündig werden, für überraschende, glückliche Momente; eine Beschäftigung, die auf Solidität und auf Dauer angelegt ist, lässt sich daraus nicht gewinnen.
Das Bewusstsein, das uns als Begleiter gegeben wurde, werden wir nicht los, was auch bedeutet, dass wir von unserem Dasein wie aus einer Geschichte erfahren, die wir uns ständig neu erzählen müssen - selbstredende Mutmaßungen über eine Existenz, die sich vermutlich nur abstellen lässt, wenn das kleine Ich jenen großen Schritt wagt, der als Ausweg gilt, ohne dass mit ihm eine Resultats- oder gar Erlösungsgarantie gegeben werden könnte: die eigenmächtige Beförderung vom Leben zum Tode.
Für den Menschen erweist sich sein Bewusstsein als ein Überraschungen aufbietendes Geschenk, das zwiespältige Gefühle hinterlässt: Zum einen eröffnet es ihm den Zugang zur Welt, zum andern macht es ihm deutlich, dass er von den Gegenständen seines Wissens getrennt bleiben wird.
Identität als Suchspiel
Das Ich arbeitet sich an einem lebenslangen Suchspiel ab, das einer Identität gilt, die nicht herzustellen ist. So erweist sich das wackere und durchaus berechtigte Bestreben, zu sich selbst zu finden, letztlich als zweifelhaftes Vergnügen, mit dem man die Zeit hinbringen kann; am Ende hat die Selbsterfahrung jedoch ihre Bestimmung nicht im Gelingen, sondern im produktiven Ungenügen: Das Ich trägt dem Rechnung, es ergeht sich in der fortwährenden Arbeit seines Bewusstseins und nimmt dafür existenzielle Erschöpfung in Kauf.
Obwohl sich Selbstfindung also als ein nicht ganz unproblematischer Zeitvertreib erweist und keine Garantien bietet, erfreut sie sich nach wie vor großer Beliebtheit. Sich selbst zu finden gilt als erstrebenswert, wobei der Weg dahin interessanter ist als die Ankunft am Zielort. Dort geht es nämlich eher langweilig zu; ein Mensch, der sich gefunden zu haben glaubt, hat nicht mehr viel zu erzählen und ruht lieber in sich selbst. Zudem erliegt er dem produktiven Irrtum, dass mit geglückter Selbstfindung seine Sache entschieden ist. In Wahrheit jedoch wird sie an die nächsthöhere Instanz überwiesen, die sich über alle Befangenheitsanträge erhaben zeigt.