Florida, Kennedy Space Center, 31. Jänner 1971: An der Spitze der Rakete Saturn V wartet ein Prominenter auf das Ende des Countdowns. Alan Shepard ist zehn Jahre zuvor an Bord einer engen Mercury-Kapsel zum ersten US-Amerikaner im Weltraum geworden. Sein damaliger suborbitaler Flug mit der Redstone-Rakete dauerte bloß 15 Minuten und führte gerade einmal 187 Kilometer von der Erde weg. Dennoch war er wichtig für die USA, da Moskau kurz zuvor Juri Gagarin in die Erdumlaufbahn geschossen hatte.
Jetzt tauscht Shepard die kleine Redstone von damals gegen die mächtigste Rakete der Welt, mit der 95-fachen Schubkraft: Im Rahmen der Apollo-14-Mission wird er den Mond als fünfter Mensch betreten. Shepard ist bereits 47 Jahre alt. Er musste lange wegen der Menière-Krankheit pausieren. Der ehemalige Marine- und Testpilot litt an partiellem Hörverlust und Schwindelanfällen. Erst eine Ohren-OP stellte seine Flugtauglichkeit wieder her.
Zwei Weltraum-Rookies begleiten ihn bei seinem zweiten, diesmal neuntägigen Weltraumabenteuer: Edgar Mitchell wird die Mondlandefähre pilotieren, Stuart Roosa im Mutterschiff bleiben. Natürlich hat man es nach der gescheiterten Apollo-13-Mission verbessert, die Sauerstofftanks explosionssicherer gemacht und diese um ein drittes Behältnis ergänzt.
Unter die Mondhaut
Auf dem Weg zum 380.000 Kilometer entfernten Mond muss die Crew der Apollo 14 zunächst an der Mondlandefähre andocken und diese aus der dritten Raketenstufe ziehen. Doch das Andockmanöver misslingt eineinhalb Stunden lang. Beim sechsten Versuch klappt es dann mit Extraschub. Shepard und Mitchell steigen in die Fähre um. Sie soll erstmals im zerklüfteten lunaren Hochland niedergehen. Wissenschafter hoffen, im 95 Kilometer weiten Fra-Mauro-Krater ausgeworfenes Gestein aus großer Tiefe vorzufinden. Sie wollen dem Mond auf diese Weise gleichsam "unter die Haut" blicken.
Um das Interesse der Öffentlichkeit zurückzugewinnen, schlug der Wissenschaftsastronaut Jack Schmitt - er wird eineinhalb Jahre später mit Apollo 17 fliegen - eine Landung auf der Rückseite des Mondes vor. Doch dabei würden die Männer immer wieder ohne Funkkontakt bleiben und wären in brenzligen Situationen auf sich allein gestellt. Die NASA verzichtet auf den Stunt.

Ein runder roter Knopf in der Landefähre droht die Mission scheitern zu lassen: Womöglich ist es ein darin schwebendes Lötzinnkügelchen, das diesen Notfallschalter sporadisch kurzschließt. In der Abstiegsphase könnte es einen vorzeitigen Abbruch samt Wiederaufstieg der Mondfähre auslösen. Nach Rücksprache mit der Flugleitung programmieren die Astronauten den Bordcomputer um, damit er den unzuverlässigen Abbruchschalter ignoriert.
Dann versagt das Radar. Nun weiß man weder Flughöhe noch Abstiegsgeschwindigkeit der Mondfähre. Zum Glück liefert das System einige tausend Meter über Grund wieder Daten. So kann Shepard das Gefährt sicher zu Boden bringen, und das auch noch punktgenau.
Während der beiden folgenden Exkursionen legen Shepard und Mitchell 3,3 Kilometer auf der Mondoberfläche zurück. Im unebenen Terrain kommen sie nur langsam voran: Auch, weil sie einen zweirädrigen Karren mit Werkzeugen hinter sich herziehen. In dieser "lunaren Rikscha" verstauen sie die eingesammelten Mondproben. Es sind zumeist Brekzien. Diese bestehen aus den kantigen Bruchstücken verschiedener Steine, die einst bei Meteoriteneinschlägen, also Impakten, zerbrochen, zusammengewirbelt und gleichsam zusammengebacken wurden.

Um sich mit Impaktgestein vertraut zu machen, hatten Shepard und Mitchell im August 1970 das Nördlinger Ries in Bayern besucht. Ein kosmisches Objekt von mutmaßlich 1,5 Kilometer Durchmesser schlug diese 24 Kilometer weite Narbe - vor knapp 15 Millionen Jahren. Die Katastrophe hinterließ reichlich Impaktbrekzien sowie andere charakteristische Spuren im irdischen Gestein.
Zum Aufklauben des Mondgesteins benützen die Männer eine langstielige Greifzange. An dieser montiert Commander Shepard abschließend einen Eisen-6-Golfschläger. Er versucht, zwei Golfbälle zu schlagen - einhändig und mit eingeschränkter Sicht. Die verminderte Schwerkraft an der Mondoberfläche lässt einen der beiden Bälle "Meilen und Meilen und Meilen" fliegen - erzählt Shepard, der dabei ganz gehörig übertreibt. Die Männer brechen mit knapp 43 Kilogramm Gestein zum Mutterschiff auf. Sie sind die letzten Astronauten, die nach ihrem Mondflug in Quarantäne müssen.
Ein von ihnen eingesammelter, neun Kilogramm schwerer Stein mit dem Spitznamen "Big Bertha" wird sich 2019 als ganz spezieller Fund entpuppen. Analysen zufolge stammt er von der Erde! Vor vier Milliarden Jahren muss er bei einem heftigen Impakt auf unserem Planeten zum Mond hochgeschleudert worden sein. Nun ist der "Erdmeteorit" wieder daheim.
Der Falke landet
Am 26. Juli 1971 folgt Apollo 15. Kommandant ist David Scott. Er war schon mit Gemini 8 und Apollo 9 im All. James Irwin und Alfred Worden besitzen noch keine Weltraumerfahrung. Für die zwölftägige Mission haben Techniker nun auch einen dritten Wasserstofftank im Servicemodul montiert. Wasserstoff und Sauerstoff dienen den bordeigenen Brennstoffzellen zur Stromerzeugung. Irdische Wasserstoffautos nützen diese zukunftsweisende Technik seit 1966.
Abermals sorgt ein defekter Schalter für Irritation: Er könnte das Haupttriebwerk des Mutterschiffs zur falschen Zeit zünden. Weitere Kurzschlüsse drohen von dahintreibenden Wassertropfen, die einer defekten Dichtung entfleuchen. Außerdem schweben die kleinen Glassplitter einer zerborstenen Instrumentenabdeckung umher. Man atmet sie besser nicht ein.
All diese Risiken sind beseitigt, als sich Scott und Irwin zum Abstieg mit der Mondfähre "Falcon" (Falke) bereit machen. Die Astronauten dienten einst bei der Luftwaffe. Sie haben die Fähre daher nach dem geflügelten Maskottchen der US Air Force Academy getauft. Man will nahe der Rima Hadley niedergehen, einer bis zu 1,5 Kilometer breiten und 270 Meter tiefen, gewundenen Rille. Eine Landung im zerklüfteten Terrain wurde lange Zeit für allzu riskant gehalten. Deshalb fehlen hochauflösende Aufnahmen der Region. Man muss dieses Ziel außerdem unter ungewohnt steilem Winkel anfliegen.
Dabei kommt der Hi-Tech-Falke ein wenig vom Kurs ab. 15 Meter über Boden stiehlt aufgewirbelter Staub vollends die Sicht. Dann leuchtet das Kontaktlicht auf. Scott schaltet das Triebwerk ab. Vom Raumanzug geschützt, öffnet er die obere, 84 Zentimeter breite Luke, die sonst als "Tür" zum Mutterschiff dient. Von diesem Ausguck aus verschafft er sich Überblick: Der Falke steht fast 600 Meter fern des geplanten Landepunkts.

Zum Erkunden der Umgebung sind drei Exkursionen angesetzt. Die meiste Zeit hüpfen die Männer, als wäre der Mond ein Trampolin. Die neuen Anzüge bieten ihnen mehr Bewegungsfreiheit. Sie können sich darin sogar bücken. Doch die Arbeit am batteriebetriebenen Bohrhammer gerät zur Tortur. In den Handschuhen scheuert man sich die geschwollenen Hände wund. Sie schmerzen. Blutäderchen unter den Fingernägeln platzen.
Der Bohrer bleibt immer wieder stecken, zuletzt in zweieinhalb Meter Tiefe. Schließlich knien sich die Mondfahrer unter seinen waagrechten Griff, wuchten ihn mit den Schultern hoch. Der so gewonnene Bohrkern zeigt 58 unterschiedliche Gesteinsschichten und verrät Millionen Jahre lunarer Geschichte.
Während ihres knapp dreitägigen Aufenthalts müssen die Männer natürlich auch ruhen. Der Platz in der Fähre reicht gerade zum Aufhängen zweier Hängematten. Man schläft darin ohne Raumanzug, in Unterwäsche und, der lauten Ventilatoren wegen, mit Ohrenstöpseln.
Um ihren Aktionsradius zu vergrößern, klappen die Männer ein Automobil aus. Elektroautos zählen schon damals zur gehobenen Preisklasse: Für die Entwicklung und den Bau von insgesamt drei solcher Rover stellte Boeing 40 Millionen US-Dollar in Rechnung. In jeder der vier Radnaben steckt ein E-Motor mit einem viertel PS Leistung. Das Motorenquartett wird von zwei Varta-Batterien mit 36 Volt Gleichspannung versorgt. Zum Steuern dient ein Joystick zwischen den Sitzen. Um besser wenden zu können, lassen sich sowohl die vorderen als auch die hinteren Räder lenken. Gut so, denn anfangs bleiben die Vorderräder starr.
Scott dirigiert das Gefährt mit bis zu 13 km/h über die holprige Landschaft. Dies sei wie eine Mischung aus Rodeoritt und Bootsfahrt bei schwerer See, hält er fest. Auf dem kleinen Mond verschwindet alles rasch hinter dem Horizont. Ein Sonnenkompass auf der Rückseite einer Checkliste hilft bei der Orientierung. Der Rover rollt die sanft ansteigenden Ausläufer des lunaren Apenninen-Gebirges hinauf. Scott ist überwältigt vom Panorama. Er und Irwin verbringen mehr als 18 Stunden außerhalb der Fähre und legen dabei knapp 28 Kilometer zurück.
Training auf Hawaii
Nach der 1970 erfolgten Streichung der Apollo-Missionen 17, 18 und 19 hat die NASA das wissenschaftliche Programm ihrer verbliebenen Mondflüge erweitert. Sie will unter anderem klären, wie der Erdbegleiter einst entstanden ist. Vorbereitende geologische Exkursionen fanden praktisch monatlich statt - etwa nach Island und Hawaii, zum Grand Canyon und ins Atombomben-Testgelände von Nevada. Der Blick der Astronauten wurde dabei geschärft. Denn jetzt, auf dem Mond, müssen sie innerhalb von Sekunden entscheiden, was sie mitnehmen und was sie liegen lassen.

Zu den handverlesenen 77 Kilo Mondgestein, die Scott und Irwin einsammeln, zählt auch ein glitzerndes Exemplar von mutmaßlich besonders hohem Alter. Dessen Spitznamen "Genesis Rock" spielt auf den Schöpfungsbericht im 1. Buch Mose an. Tatsächlich werden die Astronauten vor ihrem Heimflug neben einer Falkenfeder auch eine Bibel auf dem Mond zurücklassen; außerdem eine Gedenktafel, die an 14 verstorbene Raumfahrer in Ost und West erinnert.
Dass sich Tage später über dem Pazifik nur zwei der drei Fallschirme öffnen, bleibt ohne Folgen: Die Wasserung der Apollo-Kapsel fällt lediglich härter aus als sonst.