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Mechanische Kämpfer

Von Christian Hütterer

Wissen
Die Drohne Global Hawk kann unbemannt tausende Kilometer fliegen, am Ziel länger als 24 Stunden kreisen und danach wieder zu ihrem Stützpunkt zurückfinden.
© © U.S. Air Force

Drohne - bis vor kurzem bezeichnete dieses Wort eine männliche Biene, die ungefährlich und harmlos ist, weil sie keinen Stachel hat. In den letzten Jahren hat es allerdings eine andere, weit aggressivere Bedeutung bekommen. Mittlerweile versteht man unter einer Drohne nämlich auch ein unbemanntes Fluggerät, das zu militärischen Zwecken genutzt wird. Diese Art von Drohnen steht symbolisch für den rapide steigenden Anteil an ferngesteuerten oder gar selbstständig agierenden Maschinen, die weltweit von Streitkräften verwendet werden.

Distanz zum Gegner

In der Geschichte der Menschheit gab es immer wieder entscheidende technologische Fortschritte im Kriegswesen. Die Frage der Distanz zum Gegner war dabei stets sehr wichtig: Der Einsatz von Pfeil und Bogen ermöglichte Angriffe aus der Distanz, die Erfindung des Schießpulvers erhöhte die Reichweiten und Durchschlagskraft der Geschosse und führte bis zur Entwicklung der modernen Waffen.

Dennoch waren bis vor kurzem kriegerische Auseinandersetzungen immer davon geprägt, dass sie für beide Konfliktparteien lebensgefährlich waren. Mittlerweile hat sich dieses Prinzip geändert, denn die steigende Zahl von ferngesteuerten Drohnen und Robotern sorgt dafür, dass Kriege über Entfernungen von tausenden Kilometern geführt werden können. Im Krieg gegen den Irak 2003 wurden erst wenige Drohnen eingesetzt, aber mittlerweile verfügen die Vereinigten Staaten über mehr als 7000 unbemannte Flugzeuge. Doch nicht nur die Zahl dieser Geräte, sondern auch deren Verwendung änderte sich im Lauf der letzten Jahre: Noch zu Beginn des Einsatzes in Afghanistan dienten Drohnen und Roboter fast nur zur Aufklärung. Mit anhaltender Dauer des Krieges wurden die Geräte aber immer öfter für Kampfeinsätze verwendet.

Auch das Leistungsspektrum dieser Maschinen hat sich in diesen wenigen Jahren enorm verbessert. Ferngesteuerte Geräte warten mit bemerkenswerten Leistungen auf: Die Drohne Global Hawk etwa kann tausende Kilometer zu ihrem Einsatzort fliegen, dort länger als 24 Stunden kreisen, aus großer Höhe Aufklärungsarbeit leisten und danach wieder zu ihrem Stützpunkt zurückfinden - und das alles unbemannt. Der Pilot bleibt dabei in der Bodenstation und ist über Datenfunk mit der Drohne verbunden. Sollte die Verbindung zum Flugzeug ausfallen, so folgt es einfach einem vor dem Start vorgegebenen Flugplan und landet eigenständig am geplanten Ort.

Schutz vor Verlusten

Die Vorstellung, dass man mit ferngesteuerten Geräten Krieg führen kann, ist vor allem für die Politik verlockend. Drohnen werden als Mittel gesehen, mit dem man die eigenen Verluste gering halten kann, und zur Freude der verantwortlichen Politiker werden Bilder von den Särgen toter Soldaten dadurch seltener. Der Amerikaner Peter W. Singer arbeitet an der Brookings Institution und hat sich in seinem Buch "Wired for War" mit der Nutzung der modernen Technologien im Krieg beschäftigt. Er gibt zu bedenken, dass gerade diese Entwicklung auch negative Folgen hat: Singer fürchtet nämlich, dass durch die geringer werdende Anzahl von sichtbaren Opfern in der Gesellschaft der Eindruck entstehen wird, dass Kriege ohne menschliches Leid für die eigene Seite geführt werden können. Dadurch wiederum könnte die Hemmschwelle, einen Krieg zu beginnen, sinken.

Neue Kriegführung

Der Einsatz von Drohnen und Robotern ist allerdings ein zweischneidiges Schwert: Die technologische Übermacht der automatisierten Kriegsführung führt in vielen Gegenden der Erde dazu, dass man den realen Soldaten weniger Respekt entgegenbringt.

Speziell in archaischen Gesellschaften wird nur der direkte Kampf Mann gegen Mann als ehrenvoll betrachtet, die Verwendung von Maschinen wird in diesen Regionen als ein Ausdruck von Feigheit gesehen. Dementsprechend sinkt auch die Hemmschwelle, selbst "unehrenhafte" Kampfmethoden, sprich Terroranschläge, auszuüben.

Bisher wurden auch die psychologischen Auswirkungen auf jene Soldaten, welche die Maschinen aus einer sicheren Distanz steuern, unterschätzt. Piloten von Drohnen schildern ihren Arbeitsalltag oft als sehr entspannt: Sobald man seine Schicht beendet und den Bildschirm verlassen hat, sitzt man nach der kurzen Fahrt nach Hause mit der Familie am Tisch und genießt das Abendessen. Doch diese Art der virtuellen Kriegsführung hat auch ihre belastenden Seiten.

Anders als jene Piloten, die ihre tödliche Last aus großer Höhe abwerfen, erleben viele Drohnenpiloten den Krieg unmittelbar mit: Sie verfolgen ihre Ziele oft stundenlang, ehe sie den Befehl zum Angriff bekommen, und sie sehen durch die Kameras ihrer ferngesteuerten Flugzeuge die Folgen ihrer Handlungen in Großaufnahme. In manchen Fällen müssen sie aber auch den Tod von Kameraden miterleben: So berichten Piloten von unbewaffneten Drohnen, dass sie zusehen mussten, wie Kameraden starben, ohne eingreifen zu können.

In den letzten Jahren hat ein regelrechtes Wettrüsten bei unbemannten Systemen begonnen. Dank des weltweit größten Militärbudgets sind die Streitkräfte der USA in dieser Technologie weltweit führend, andere Nationen holen aber auf. Bisher haben die USA bewaffnete Drohnen nur an enge Verbündete geliefert und konnten dadurch die Verbreitung dieser Waffen einigermaßen kon-trollieren. Die Konkurrenz wird aber von Jahr zu Jahr größer und mittlerweile sind auch mehrere andere Länder in den äußerst lukrativen Markt eingetreten. Zugleich schreitet die technische Entwicklung weiter voran: Tarnkappendrohnen, die für das gegnerische Radar unsichtbar sind, werden nun ebenso entwickelt wie immer kleinere Maschinen.

Neben den hochtechnologischen großen Drohnen, die nur von Militärs mit der entsprechenden Infrastruktur genutzt werden können, gibt es aber auch weitaus einfachere Exemplare, die mit geringen finanziellen Mitteln und einer Anleitung aus dem Internet selbst gebaut werden können. Zudem wurden in letzter Zeit sehr kleine Drohnen entwickelt, so ist etwa die passenderweise "Moskito" genannte Minidrohne nur 35 Zentimeter groß und dementsprechend vielseitig einsetzbar. Die Folge dieses immer größer werdenden Angebotes ist, dass nun auch Akteure, die früher nicht an komplexe Waffensysteme gekommen sind, diese Geräte einsetzen können. Bei diesen unerwünschten Nutzern handelt es sich sowohl um terroristische Gruppierungen, als auch um Diktaturen, die diese Maschinen gegen die eigene Bevölkerung einsetzen können.

Umgebaute Panzer

Doch nicht nur in der Luft, auch auf der Erde ist mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher ferngelenkter Geräte im Einsatz. Das Spektrum reicht von umgebauten Panzern, die zum Räumen von Minenfeldern eingesetzt werden, bis hin zu kleinen Geräten, die an ferngesteuerte Autos aus Kinderzimmern erinnern, aber zur Aufklärung eines Schlachtfeldes mit Kameras bestückt sind. Auch bei den Maschinen, die auf dem Boden eingesetzt werden, geht die Tendenz zu immer größerer Autonomie.

Bei der rasant fortschreitenden technischen Entwicklung muss aber noch die Frage gelöst werden, wie die Sicherheit dieser Geräte gewährleistet werden kann. Immer wieder gibt es Berichte, dass Computerviren den Militärs zu schaffen machen. Das Schreckensszenario ist, dass durch einen Eingriff von außen die Drohnen oder Roboter gekapert und für unvorhergesehene Zwecke verwendet werden. Neben dieser nicht gänzlich beantworteten Frage der Sicherheit kritisiert Peter Singer auch, dass die technische Entwicklung zwar rasch voranschreitet, die Militärs aber oft nicht den richtigen Umgang mit den modernen Geräten finden.

Die verschiedenen Streitkräfte der Vereinigten Staaten fördern zwar die Entwicklung der Drohnen und anderer Roboter, konnten bis jetzt aber noch keine umfassende Doktrin entwickeln, wie diese Geräte möglichst zielführend eingesetzt werden können.

Die fortschreitende Technologisierung des Krieges führt dazu, dass sich auch der rechtliche Rahmen der Kriegsführung ändern sollte. Peter Singer fürchtet aber, dass die Juristen und Experten in den internationalen Organisationen mit der rasanten technischen Entwicklung nicht Schritt halten können. Das Bild des Soldaten, der nach einer Entscheidung der Politik in Uniform in den Krieg zieht, gilt nur mehr zum Teil.

Heute müssen Soldaten auch gegen Maschinen kämpfen und sind mit einem Gegner konfrontiert, der tausende Kilometer entfernt hinter einem Bildschirm sitzt. Die neuen, mechanischen Akteure stellen die derzeit existierenden Konventionen, die den rechtlichen Rahmen für die Kriegsführung bilden, in Frage.

Diese Unsicherheit wird durch die aktuelle Entwicklung noch weiter verstärkt. Die Forscher in diesem Bereich arbeiten derzeit vor allem daran, dass die Drohnen und Roboter autonom handeln können. Schon jetzt können viele Geräte ohne menschliches Zutun in den Einsatz ziehen, sie sind darauf programmiert, eigenständig eine bestimmte Route zu wählen und ihre Aufträge selbstständig zu erfüllen.

Auch hier tut sich ein rechtliches Dilemma auf: Die aktuell gültigen Vorschriften wie die Genfer Konventionen zielen darauf ab, das Verhalten der Kriegsführenden zu regeln und zivile Opfer zu vermeiden. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, muss sich dafür verantworten. Die Verwendung von Maschinen, die autonom auf dem Schlachtfeld agieren, würde diesen Aspekt des Kriegsrechtes untergraben, denn wie sollen diese Geräte zur Verantwortung gezogen werden?

Ethik der Maschine

Anders als Singer gehört Robert Arkin vom Georgia Institute of Technology zu den Befürwortern der neuen Technologie: "Ich bin davon überzeugt, dass unbemannte Systeme ethischer als menschliche Soldaten handeln können." Er bezieht sich auf Umfragen unter Soldaten, die im Kampfeinsatz waren und Misshandlungen von Zivilisten zugegeben haben - meist erfolgten diese als Vergeltung für Verluste der eigenen Truppe. Arkin sieht mehrere Vorteile, die Maschinen gegenüber den Menschen haben: Ihr Urteilsvermögen wird nicht durch Emotionen beeinträchtigt, ihre Sensoren sind weit schärfer als die menschlichen Sinne und schließlich haben Maschinen keinen Trieb zur Selbsterhaltung, der Menschen in bestimmten Situationen irrational handeln lässt.

Arkin gibt zwar zu, dass kämpfende Maschinen zu unethischem Verhalten umprogrammiert werden können. Diese Manipulation kann aber nachverfolgt werden und der Verursacher - ein Mensch - kann zur Verantwortung gezogen werden.

Einwände der Kritiker

Doch nicht alle Forscher sind so optimistisch. Vor kurzem wurde das "International Committee for Robot Arms Control" gegründet. Experten aus verschiedenen Ländern wollen angesichts des technischen Fortschrittes bei militärischen Robotern die internationale Gemeinschaft zu einer Diskussion veranlassen, ob bewaffnete Roboter den Frieden sichern oder gefährden. Jürgen Altmann von der Universität Dortmund gehört zu den Skeptikern, er geht von einer Gefährdung des Friedens durch die bewaffneten Maschinen aus und tritt dafür ein, unbemannte Systeme grundsätzlich zu untersagen. Andere seiner Kollegen sind pragmatischer und wollen lediglich autonome Geräte, die ganz ohne menschliches Zutun agieren, verbieten.

Die Diskussion über die rechtlichen und ethischen Bedenken von kämpfenden Maschinen scheint jedenfalls an deren durchschlagenden militärischen Erfolg nichts zu ändern. Dass etwa die Bedeutung unbemannter Fluggeräte weiterhin steigt, beweist die neue Militärdoktrin der Vereinigten Staaten, die Anfang dieses Jahres veröffentlicht wurde.

Als erster Punkt auf der Prioritätenliste der Vereinigten Staaten stehen dabei der Kampf gegen Terrorismus und irreguläre Kriegsführung. Drohnen sind für diese Form der Kriegsführung bestens geeignet, daher hat das Pentagon beschlossen, trotz Budgetkürzungen in allen Bereichen der Streitkräfte die Flotte der Drohnen in den kommenden Jahren weiter auszubauen. Die High-Tech-Rüstungsspirale dreht sich also weiter.

Christian Hütterer, geboren 1974, lebt als Politikwissenschafter und Historiker in Wien, und ist im EU- und Internationalen Dienst der Parlamentsdirektion beschäftigt.