Lange vor dem offensichtlichen Scheitern des Oslo-Prozesses hat sich so gut wie jeder prominente Fatah-Führer dazu hinreißen lassen, das eigentliche Ziel der ganzen Friedensverhandlungen in aller Öffentlichkeit auszuplaudern. Berühmt geworden ist die Formulierung von Faisal el-Husseini, einem der wichtigsten, stets zum moderaten Flügel gerechneten PLO-Vertreter, der die Oslo-Vereinbarungen zu Beginn der zweiten Intifada ganz unumwunden als "trojanisches Pferd" bezeichnete, das die Palästinenser durch ihre Zustimmung zu den Verträgen in die israelische "Festung" hineingeschmuggelt hätten, um langfristig die "Befreiung ganz Palästinas" zu erreichen. Arafat erklärte bei einer Rede in einer südafrikanischen Moschee, die ohne sein Wissen aufgezeichnet wurde, dass er das Abkommen mit Israel ganz im Sinne jener von Mohammed mit einem verfeindeten Stamm geschlossenen 10-jährigen Hudna verstehe, also einer zeitlich begrenzten Waffenruhe, die nicht auf einen Frieden abzielt, sondern nur der Konsolidierung der eigenen Kräfte dient.
1996 huldigte Arafat in ausufernden Lobpreisungen dem Chefbombenbauer der Hamas, Yahya Ayyash, und die von der Fatah kontrollierten Medien haben die gesamten 1990er-Jahre hindurch wüste antisemitische Propaganda verbreitet, die mit Ausbruch der zweiten Intifada nochmals intensiviert wurde und jener der Hamas und anderer Islamisten in fast nichts nachstand.
Der Friedensprozess brachte von Beginn an für die israelische Seite ein erhöhtes Risiko, denn jene Sicherheit in Frieden, um die es Israel geht, stand stets nur als fernes Endziel am Horizont, der nur zu erreichen sei, wenn man der palästinensischen Seite genügend Zugeständnisse mache. Und die musste man ihr von der Gesamtkonzeption des Friedensprozesses her gewähren, bevor die PLO glaubhafte Sicherheitsgarantien abgegeben hatte oder auch nur abgeben konnte, und bevor sie damit aufhörte, arabische Kinder und Jugendliche weiterhin mit antiisraelischer und offen antisemitischer Hetze zu indoktrinieren, anstatt sie auf ein späteres friedliches Zusammenleben in der Region vorzubereiten. Für die palästinensische Seite stellten sich die Vorteile sofort ein - trotz fortgesetztem Siedlungsbau, trotz Radikalisierung eines Teils der Siedlerbewegung und trotz mehrfacher Verletzung der Vereinbarungen von israelischer Seite.
Hierin liegt ein entscheidender Unterschied zum Friedensschluss mit Ägypten, der so oft als Vorbild für das Osloer Abkommen zitiert wird. Der ägyptische Präsident Anwar el-Sadat konnte glaubhafte Sicherheitsgarantien abgeben, bevor Israel konkrete Schritte setzen musste. Im Gegensatz zu Arafat ergriff er die Initiative und kam nach Jerusalem, während es dem PLO-Chef nicht im Traum eingefallen wäre, sich in die Knesset zu stellen und damit der eigenen Bevölkerung zu signalisieren, dass es ernsthaft um einen historischen Kompromiss mit dem Feind geht.
Endpunkt Camp David
Dass es Arafat um solch einen Kompromiss gar nicht ging, wurde spätestens 2000 in Camp David deutlich gemacht, auch wenn große Teile der Weltöffentlichkeit das nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Nachdem Ehud Barak für die Arbeitspartei die Wahlen gegen Netanjahu gewonnen hatte, wagte er ein letztes Entgegenkommen, das wohl tatsächlich einen historischen Durchbruch hätte bedeuten können - wäre es nicht von palästinensischer Seite abgelehnt worden.
Seit Camp David stellt sich die Mehrheit der Israelis die Frage: Was sollen wir noch anbieten, was wir nicht schon angeboten haben und von der Gegenseite bereits abgelehnt wurde? Alles, was über die Angebote von Barak entscheidend hinausgehen würde, gefährdet schlicht die Sicherheit ihres Staates. Und die ist auch für die Linke, soweit sie zionistisch denkt, nicht verhandelbar.
Ein Ergebnis der Entwicklungen der zehn Jahre von der Konferenz von Madrid bis zum Beginn der zweiten Intifada ist der weitgehende Kollaps der israelischen Linken, der durch die Weigerung Arafats, das weitestgehende Angebot, das je ein israelischer Politiker wird machen können, wenigstens als Verhandlungsbasis anzuerkennen, die Grundlage abhanden gekommen ist. Seitdem geht es in der israelischen Debatte nicht mehr um eine Lösung des Nahostkonflikts oder einen dauerhaften Frieden, sondern ganz einfach um die bestmögliche Verwaltung des Dilemmas.
Stephan Grigat, geboren 1971, ist Lehrbeauftragter an der Universität Wien und wissenschaftlicher Direktor der NGO "Stop the Bomb", die das Nuklearwaffenprogramm des iranischen Regimes bekämpft.