Der Fünfer am neu gestalteten Praterstern, also an seiner End- bzw. Anfangsstation. - © Beyerl
Der Fünfer am neu gestalteten Praterstern, also an seiner End- bzw. Anfangsstation. - © Beyerl

Der "Fünfer" existiert als Bahnhofslinie. Er startet bei einem der gründlichen Modernisierung anheim gefallenen Westbahnhof und endet bei einem der Modernisierung gediegen entstiegenen Praterstern. Dazwischen befindet sich im prämortalen Zustand der Franz-Josefs-Bahnhof.

Natürlich kann man die Route auch umdrehen und beim Praterstern starten, der ja bis vor seinem Umbau als Bahnhof der Derangierten und Deklassierten galt, als Endstation der Sandler und Obdachlosen.

Aber nein, auf Grund des dem Westbahnhof benachbarten Kaffeehauses mit dem abenteuerlichen Namen "Westend" sollte man beim Westbahnhof starten. Als man am Westbahnhof noch mit der Stadtbahn, also mit der Gürtellinie, weiterfahren konnte, stieg man direkt von der Bahnhofshalle zu den Gleisen der G-Linie hinunter. Bei der Umstellung von der Stadtbahn auf die U-Bahn wurde die unterirdische Strecke begradigt und der Schlenker zum Westbahnhof beseitigt. Seither muss man oberirdisch über den Gürtel oder unterirdisch über viele Rolltreppen an die zehn Minuten hatschen, um sich schlussendlich auf dem Bahnsteig der U 6 auszurasten.

Also der "Fünfer". Nein, kein Wort über mitschwingende Bedeutungen wie "Nicht genügend"; im Gegenteil, mit dem "Fünfer" kommt man immer durch, man findet auf Anhieb im Waggon einen ruhigen Sitzplatz. Der Fünfer verbindet weder periphere Wohngebiete mit dem Zentrum, noch dient er als Zubringer zu übergeordneten Verkehrsmitteln, also kann man die nördliche Transversale zumeist im Zustand des unbedrängten Sitzens durchmessen.

Redselige Fahrgäste


War die Rede von einem "ruhigen Sitzplatz"? Kaum haben die Mit-passagiere Platz genommen, schon greifen sie, einem unwillkürlichen Impuls folgend, in irgendeine ihrer Taschen und klammern sich willkürlichen Impulsen folgend an ihr Mobiltelefon. "I bin jetzt am Westbahnhof!" - "I war jetzt im Westend!" - "I kann jetzt in Ruhe reden, weil. . ! - Da sich derzeit überall und unentwegt Verbote durchsetzen - Kein Essen in der Straßenbahn -, warum muss ausgerechnet die Mobilhörerbebrüllung erlaubt sein? Warum plädiert niemand für das Verbot von sogenannten "Handies" in der Straßenbahn, beziehungsweise warum regt niemand den Aufbau von Mobilhörersammelplätzen an, wo die Zwangstelefonierer mit Weißgottwem und gegebenenfalls miteinander telefonieren dürfen, ohne ein Übermaß an akustischem Müll in der Straßenbahn zu hinterlassen?

Der "Fünfer" kurvt bedächtig um die stets bevölkerte Mariahilfer Straße, um dann in seine erste Gerade einzubiegen: In die Kaiserstraße. Auf der rechten Seite der nicht ganz gelungene Christian-Broda-Platz, den es in dieser Form früher nie gab. Ehedem drehte hier der "Fünfer" um, die Umkehrschleife setzte sich fort bis zur Matrosengasse. Und genau dieselbe Umkehrschleife wurde vom "Sechser" benutzt, der dann die Transversale des "Fünfers" fortsetzte, und dessen Route somit als Transversallinie Süd bezeichnet werden konnte. Und noch früher, da fuhr der "Fünfer" über die Wallgasse, also nicht über den Gürtel, bis zum Raimundtheater, und statt eines Bahnhofes hielt er sich ein Theater als repräsentative Endstation.

Aber zurück zur Gegenwart in der Kaiserstraße. Ungebrochenes bürgerliches Treiben, emsige Geschäftigkeit in und zwischen den Häusern der Gründerzeit, die durchgehende drei- bis vierstöckige Verbauung vermittelt durchaus den Eindruck der harmonischen Geschlossenheit. Manchesmal stockt der fließende Verkehr in den engen Räumen, aber auch das Einbremsen und Verharren gehört zum kleinräumigen und engmaschigen und mit einer Vielfalt an Kontakten gefüllten Kontinuum: Da der Fliesenladen, dort das Blumengeschäft, da das Hörbuch-Café. Lokale heißen hier mit einer punktuellen Genauigkeit "Corner 101". Eigentlich ändert sich nichts am Charakter der Vorstadt, an der gemischten Struktur oder am "Nutzungs-Mix", wie Städteplaner berichten würden. Über die Blindengasse erreicht der Fünfer bald die Skodagasse.

Die Enge der bürgerlichen Vorstadt endet abrupt bei der Alser Straße. Nun folgt die Herrschaft der weitläufigen Areale, der ausgedehnten Flächen. Der Uni-Campus, der sich im alten AKH einnistete, das zweite alte AKH-Areal, der Fußballplatz, der Arne-Karlsson-Park. Das Tempo des Fünfer wird eindeutig rasanter.

Etwa ab der Markthalle, die natürlich keine Markthalle mehr ist, sondern in der sich ein Super-Markt als Markthalle tarnt, also ab der Markthalle beginnt das, was man ganz vorsichtig als Zone der Verramschung bezeichnen möchte. Die Gassenlokale haben abenteuerliche Namen, eines heißt "Wir schließen", das nächste heißt "Abverkauf" oder "Wir danken unseren Kunden", das nächste hat seinen Namen für immer verloren und hinter den schmutzigen Fenstern staut sich die sprichwörtliche Leere. Geöffnet haben noch ein paar Fastfood-Läden, sei es amerikanischer oder türkischer Provenienz. Als erratischer Block überdauert alle Zeiten - neben dem russischen "Feuervogel"-Lokal - der Pensionistenverband der SPÖ. Und wenn hier alle Lokale geschlossen haben, ewig und beständig lebt der Pensionistenverband.