Max Weber. - © Wikicommons/Kelson
Max Weber. - © Wikicommons/Kelson

"Ein Berufsmenschohne Geist, Genussmensch ohne Herz, dieses Nichts bildet sich ein, die Krone der Schöpfung zu sein." So charakterisierte Max Weber den modernen Menschen im Zeitalter des entfesselten Kapitalismus. Der Mitbegründer der Soziologie, die er im Gegensatz zur abstrakten Philosophie als eine "Wirklichkeitswissenschaft" verstand, stimmte den Schwanengesang des deutschen Bildungs- und Besitzbürgertums an, das sich an der Schwelle des 20. Jahrhunderts durch den rasanten Aufschwung des Kapitalismus allmählich auflöste.

Verbunden war diese Form des Kapitalismus mit einer universalen Rationalisierung, die ein "stahlhartes Gehäuse der Hörigkeit" schuf, in dem der Einzelne in die Zwangsjacke der Zweckrationalität gesteckt wurde. Webers große Erzählung der fortschreitenden Rationalisierung ist der Ariadnefaden, der durch das Labyrinth seines gesamten Werks führt. Unter Rationalisierung verstand er den Modernisierungsprozess, der in den vielfältigen Gestalten von Bürokratisierung, Spezialisierung Säkularisierung, Entzauberung und kapitalistischer Produktionsweise alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrang.

Frühreifes Genie


"Die kalten Skeletthände der rationalen Ordnung" transformierten die westlichen Gesellschaftsordnungen bis in ihre Fundamente. An die Stelle des "Kulturmenschen" trat der "Fachmensch", der Spezialist; damit ging für Weber "die faustische Allseitigkeit des Menschen" verloren. Das bedeutete, Abschied zu nehmen ,,von einer Zeit vollen und schönen Menschentums".

Verantwortlich für diesen welthistorischen Umbruch war neben der ungehemmten Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise der Siegeszug der Naturwissenschaften, die immer effizientere Methoden zur Naturbeherrschung entwickelten. Ihren Anspruch, ,,alle Dinge durch Berechnen beherrschen" zu können, bezeichnete Weber "als schicksalhafteste Kraft des modernen Lebens, welche die Autonomie des Menschen bedroht und schließlich vernichtet".

Geboren wurde Max Weber am 21. April 1864 als Sohn einer großbürgerlichen Familie in Erfurt. Schon das zwölfjährige Kind entpuppte sich als frühreifes Genie; in der Korrespondenz mit vertrauten Freunden kritisierte Weber den römischen Philosophen Cicero und war mit dem Stammbaum der Merowinger und Karolinger durchaus vertraut.

Nach dem Abitur studierte Weber in Heidelberg, Göttingen und Berlin Rechtswissenschaften, Nationalökonomie, Geschichte, Philosophie und Theologie. 1889 promovierte er mit einer Arbeit über Fragen des mittelalterlichen Handelsrechts und habilitierte sich 1891 über die rechtliche Bedeutung der Agrarverhältnisse im Römischen Reich. Zwei Jahre später erfolgte die Heirat mit seiner bedeutend jüngeren Cousine Marianne Schnitger, die später als Feministin und Soziologin tätig war.

Mit ihr führte Weber eine asexuelle "Gefährtenehe". Weber flüchtete bald in wissenschaftliche Arbeit, die er obsessiv betrieb; es war dies, wie er später bekannte, "ein krampfhaftes Anklammern wie an einen Talisman". Die akademische Anerkennung für die monomanische Tätigkeit ließ nicht lange auf sich warten: Nach kurzen Zwischenspielen in Berlin und Freiburg erhielt Weber ab 1896 eine Professur für Nationalökonomie an der Universität Heidelberg.

Die ungeheure intellektuelle Belastung, die ihn völlig überforderte, führte 1898 zu einem körperlichen und psychischen Zusammenbruch. Weber verharrte in einem anhaltenden psychischen Stillstand; er saß am Fenster und betrachtete die Bäume. Auf die Frage, was er denke, antwortete er: "An nichts, wenn es geht".

Auf dem Nullpunkt der geistigen Existenz verweigerte sich Weber radikal dem akademischen Betrieb und verspürte einen ungeheuren Ekel angesichts wissenschaftlicher Bücher. Diese Höllenfahrt dauerte mehrere Jahre und bedeutete einen tiefen Einschnitt; sie führte auch zum Abbruch seiner akademischen Laufbahn. Erst allmählich erlangte der Gelehrte wieder eine gewisse psychische Stabilität, die ihn zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit außerhalb der Universität befähigte.

Kapitalismus-Studie


Sein neu erwachter Schaffenstrieb richtete sich verstärkt - unter dem Einfluss einer längeren Reise in die Vereinigten Staaten - auf die Entstehungsbedingungen des Kapitalismus. In den darauf folgenden Jahren veröffentlichte Weber mehrere Arbeiten über die Nationalökonomie, darunter auch die Studie "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus", der er seinen internationalen Ruhm verdankt. Dieses Werk, das in Form eines zweiteiligen Aufsatzes 1904 und 1905 publiziert wurde, ist das Kernstück seiner Studien über die Entstehungsbedingungen des Kapitalismus.

Den Ausgangspunkt bildet die Frage, wie es gelingen konnte, dass verschiedene traditionelle Gesellschaften ihre eigenen Wertmaßstäbe zugunsten eines universellen Strebens nach Profitmaximierung aufgaben. Unter Traditionalismus verstand Weber die Einstellung, "dass der Mensch von Natur aus nicht Geld und mehr Geld verdienen will, sondern einfach so leben mag, wie er es gewöhnt ist, und nur soviel erwerben muss, wie dazu erforderlich ist".