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Mordkomplott der Kapuzenmänner

Von Ulrich Zander

Reflexionen
Ein brennendes Kreuz ist eines der markanten Symbole des bis heute aktiven Ku-Klux-Klans.
© Foto: wikipedia

Vor 50 Jahren wurden im Süden der USA drei Bürgerrechtsaktivisten vom rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan erschossen. Ein kompletter Landstrich hatte sich dabei gegen das FBI verschworen.


Longsdale, nahe Philadelphia, US-Bundesstaat Mississippi. Zwölf vermummte Männer haben das hölzerne Kirchlein "Mount Zion" umstellt, in dem die schwarze Bevölkerung ihren Gottesdienst feiert. Ein Streichholz landet in der Benzinlache vor der Pforte und das Gebäude geht in Flammen auf. Es ist der 16. Juni 1964.

Die gespenstische Szene im Neshoba-County gilt als Auftakt der schwierigsten und langwierigsten Fahndung der US-Bundespolizei FBI. Der Deckname der gegen den rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan (KKK) gerichteten Ermittlungen lautete "Mississippi Burning" (kurz: "MIBURN", etwa: Mississippi steht in Flammen). Der Klan hatte seit Jahrzehnten in der Region nahezu ungestraft Brandstiftungen, Körperverletzungen und Morde gegen schwarze Amerikaner verübt, rund 25 Fälle im Monat. Und noch nie war ein Weißer wegen Mordes an einem Schwarzen verurteilt worden. Derartige Verbrechen wurden von der heimischen Strafjustiz lediglich als "ungebührliches Benehmen" abgetan.

Ständige Drohungen

Angriffsziel der weiß gewandeten Kapuzenmänner ist der 24-jährige New Yorker Bürgerrechtler und Sozialarbeiter Michael Schwerner, der es sich mit Gleichgesinnten im CORE, dem "Congress of Ra- cial Equality" zur Aufgabe gemacht hatte, Diskriminierung und Rassenhass zu bekämpfen. So sollten Schwarze im "Freedom Summer 1964" angehalten werden, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Zwar hatte der KKK laut einer Zeugenaussage "das rotbärtige Judenschwein" an jenem Abend nicht erwischt, "aber immerhin drei Nigger und eines ihrer Weiber gründlich verprügelt".

Schwerner, sein 21-jähriger Mitstreiter Andrew Goodman, ebenfalls jüdischen Glaubens, sowie der gleichaltrige einheimische Bürgerrechtler afroamerikanischer Abstammung, James Earl Chaney, hatten ihr Hauptquartier in Meridian, einem Nachbarort von Philadelphia, eingerichtet.

Am 21. Juni verlassen die drei Meridian in Richtung Longsdale. Sie wollen den Brandanschlag auf die Kirche aufklären. "Wenn wir nicht bis vier Uhr nachmittags zurück sind, sucht uns", hatte Schwerner Freunden aufgetragen. Er wusste, dass er in Gefahr schwebte. Drohungen waren an der Tagesordnung. Was er nicht wusste: Er war bereits vom "Klan", der nicht nur Schwarze, sondern auch Juden (sowie Katholiken und Kommunisten, wozu auch die Regierung in Washington gezählt wurde) abgrundtief hasste, zum Tode verurteilt worden.

Das Trio war in Philadelphia wegen zu schnellen Fahrens festgenommen und nach Zahlung einer Geldstrafe auf freien Fuß gesetzt worden. Zeugen hatten die Männer in Richtung Meridian davonfahren sehen. Dort kamen sie nie an. FBI-Agenten übernahmen den Vermisstenfall, denn die örtliche Polizei hatte ihre Kompetenz überschritten: Es gab kein Gesetz, das es erlauben würde, jemanden wegen Geschwindigkeitsüberschreitung einzusperren, Beifahrer erst recht nicht. Die Bundespolizisten wollten nun erfahren, wieso ein Auto auf dem 36 Meilen langen Teilstück des Highway 19 spurlos verschwinden konnte. Suchaktionen blieben lange erfolglos. Endlich entdeckte man in einem Gebüsch das ausgebrannte Wrack des blauen Ford-Kombi.

Mauer des Schweigens

Das FBI zeigte mittlerweile starke Präsenz, denn nun konnte ein Verbrechen als sicher angenommen werden. Der Befehl, gegen den Klan vorzugehen, war von US-Präsident Lyndon B. Johnson persönlich an den unwilligen FBI-Boss J. Edgar Hoover gegangen, der ebenfalls Vorurteile gegen Schwarze und Bürgerrechtler hegte. Im County wurden nun Beamte bedroht, ihre Arbeit massiv behindert, in ihren Fahrzeugen Klapperschlangen ausgesetzt.

Darüber hinaus stießen die Fahnder auf eine Mauer des Schweigens - bis eine Belohnung ausgelobt wurde. Ein Anonymus verriet für 25.000 Dollar die Stelle, an der die toten Bürgerrechtler verscharrt sein sollten. Am 4. August fanden die Bundespolizisten mit Hilfe eines Baggers unter einem Erdwall an der einsam gelegenen "Old Jolly Farm" die Leichen von Chaney, Goodman und Schwerner. Sie waren erschossen worden, Chaney wies zudem Folterspuren auf. Es stellte sich heraus, dass die drei in eine Autofalle des Klans geraten und verschleppt worden waren.

Ein Aufschrei der Empörung und des Entsetzens erschütterte die Vereinigten Staaten. Die weißen Bürger des Südens hingegen waren mehrheitlich der Meinung, der KKK habe ein gutes Werk getan, indem er den aufmüpfigen Schwarzen und ihren dahergelaufenen weißen Freunden zeigte, wer Herr ist im Staate Mississippi. Denn der Geheimbund sah durch ihre Rechte einfordernde Afroamerikaner und deren Unterstützer, die sogenannte "Nigger-Communist-Invasion", seinen "Southern Way of Life" massiv bedroht.

Mühevolle Ermittlungen, an denen 140 Bundespolizisten beteiligt waren, ergaben schließlich, dass Sam Bowers, der "Grand Wizard of the White Knights of the Ku-Klux-Klan" in Mississippi ("Großer Hexenmeister der weißen Ritter des KKK") den Mordbefehl gegeben hatte. Als tatverdächtig galt auch Klan-Mitglied Lawrence Rainey, der Sheriff von Neshoba-County. Der bullige Riese hatte bereits zwei Schwarze erschossen, angeblich aus Notwehr ("Der Kerl wollte mich erdrosseln!"). Die schwarze Bevölkerung lebte in panischer Angst vor Rainey. Überliefert ist sein Auftreten bei einem Tanzvergnügen der Afroamerikaner. Der Sheriff stemmte die Hände in die Hüften und kaute seinen obligatorischen Tabak. Sonst tat er nichts. Innerhalb von Minuten hatte sich das Fest aufgelöst. Rainey spuckte aus und war zufrieden.

Zum Zeitpunkt des Verbrechens will er seine kranke Frau besucht und die TV-Serie "Bonanza" geschaut haben. Raineys Stellvertreter, der 26-jährige Deputy Cecil Price, ein Ex-Rausschmeißer und KKK-Mann, war von Anfang an "dabei". Er hatte die Bürgerrechtler nach ihrer Freilassung bis zum Hinterhalt am Highway verfolgt. Auch Price galt als Mann, "der mit Niggern umzugehen wusste" - bis hin zum Mord.

Prediger als Aktivist

Als Organisator der Aktion wurde der Prediger und Sägewerksbesitzer Edgar Ray Killen (29) ausgemacht. Der 34-jährige Olen L. Burrage hatte seine Farm zur Verfügung gestellt, brachte aber später in einer Anwandlung von Menschlichkeit zum Ausdruck, "dass ihm leid täte, was geschehen ist. . ." Als geständig erwies sich der Lastwagenfahrer Horace Doyle Barnette, der dem Lynch- mob sein Auto geliehen hatte. Der Händler Alton Wayne Roberts, unehrenhaft aus der Marine entlassen, über 1,90 Meter groß und über 100 Kilo schwer, war ein anderes Kaliber. Er galt als Mann, der seine Wut nicht kontrollieren konnte. "Are you that nigger lover?", hatte er Schwerner angebrüllt, bevor er ihn tötete. Roberts brachte wohl auch die beiden anderen Opfer um.

Insgesamt wurden 19 Männer als Mitwisser und Mittäter ermittelt, darunter ein Friedensrichter. Die örtlichen Behörden beabsichtigten, die Anklage selbst zu vertreten, da "Mord" Sache der Bundesstaaten war. Weil aus rassistischer Voreingenommenheit Freisprüche zu erwarten waren, wurde die Anklage auf Druck aus Washington in "Verschwörung gegen die Bürgerrechte" umgewandelt.

Die Verfahren endeten dennoch stets mit demselben Ergebnis: Die Täter wurden gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Das örtliche Gericht hatte die Ermittlungsergebnisse als "Hörensagen" abqualifiziert. Ein weiterer Zeuge, der 38-jährige James Jordan, dringend verdächtig, Chaney angeschossen zu haben, gestand - gegen Zahlung von 8000 Dollar und einen Deal mit den Strafverfolgern -, "Schmiere gestanden" zu haben. Seine Aussagen deckten sich im Wesentlichen mit denen Barnettes. Dennoch, so die Justizbehörden, "läge kein Grund für weitere Anklagen vor". Am Jahrestag der Morde demonstrierten Bürgerrechtler in Philadelphia, ausgerechnet Sheriff Rainey war für den ordnungsgemäßen Ablauf zuständig. . .

Als Klan-Chef Sam Bowers 1967 doch angeklagt wurde, machten seine Kapuzenmänner einen Fehler. Unter Verkennung der tatsächlichen Machtverhältnisse zündeten sie an der Villa des Richters eine Bombe. Die Explosion bewirkte einen Sinneswandel. Nun befand der Jurist den Angeklagten für schuldig. Bowers erhielt sechs Jahre Haft.

"Mississippi Burning"

Mit Hilfe eines FBI-Spitzels in den Reihen des Klans kam allmählich Bewegung in die Sache. Ab Oktober 1967 wurden die Verdächtigen zu Gefängnisstrafen von drei bis zehn Jahren verurteilt. Die Höchststrafe erhielt Roberts, der Mann mit dem Finger am Abzug. Er starb 1999. Keiner der Männer saß länger als sechs Jahre. Deputy Price verbrachte viereinhalb Jahre hinter Schloss und Riegel. Er starb 2001 bei einem Arbeitsunfall. Der fromme Edgar Ray Killen, Organisator des Mordkomplottes, wurde für "Nicht schuldig" befunden. Eine Jurorin hatte gemeint, "sie könne keinen Priester verurteilen." Bowers wurde 1998 wegen eines anderen Mordes - an einem Weißen - zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Er starb 2006 in Haft. Im Falle Killen ließ die Gerechtigkeit noch länger auf sich warten. 2005 erhielt er wegen Totschlags dreimal 20 Jahre Haft, die er im Staatsgefängnis von Mississippi verbüßt.

Die Morde an den Bürgerrechtsaktivisten gingen in die amerikanische Kultur ein und erregten weltweite Aufmerksamkeit. Etwa durch den Song "He Was My Brother", den Simon & Garfunkel Andrew Goodman widmeten, den sie vom New Yorker Queens College kannten. Der Film "Mississippi Burning - Die Wurzel des Hasses" aus dem Jahre 1988 mit den Hauptdarstellern Gene Hackman und Willem Dafoe als FBI-Agenten erhielt einen Oscar.

Ulrich Zander, geboren 1955, lebt als freier Journalist in Berlin und ist spezialisiert auf historische, insbesondere kriminalhistorische Themen.