Alle Heiligtümer der Stadt, wie hier die Mahamuni-Pagode, sind mit Blattgold verziert. - © Foto: Michael Biach
Alle Heiligtümer der Stadt, wie hier die Mahamuni-Pagode, sind mit Blattgold verziert. - © Foto: Michael Biach

Schon lange bevor man die traditionellen Werkstätten der Blattgoldhersteller von Mandalay erreicht, vermischt sich das monoton-rhythmische Klopfen der Hämmer mit dem mittlerweile fast allgegenwärtigen Straßenlärm der chaotischen Millionenmetropole. In Burmas zweitgrößter Stadt wird spätestens seit dem Ende der Militärregierung und der Öffnung des Landes 2011 massiv auf Wirtschaftswachstum gesetzt. Das einst für seinen romantischen Charme während der britischen Kolonialzeit bekannte Mandalay, wie ihn etwa Amitav Ghosh in seinem 2006 erschienene Roman "Der Glaspalast" beschreibt, hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Viele der alten Holzhäuser, wie man sie nur mehr vereinzelt in kleinen Seitengassen findet, sind mittlerweile modernen Bürogebäuden gewichen. Auch die traditionellen Rikschas wurden aus dem Straßenbild verbannt und durch Taxis ersetzt.

Beginn mit 16 Jahren


Für seine jahrhundertealte Handwerkskunst bleibt Mandalay jedoch auch weiterhin, weit über die Landesgrenzen hinweg, bekannt. Neben dem Schnitzen von Holzmarionetten, der mit voller Leidenschaft betriebenen Lackkunst und dem aufwendigen Bronzeguss ist das vor allem die in Südostasien mittlerweile einzigartige, ausschließlich per Hand getätigte Herstellung von Blattgold zur Opfergabe.

Es ist eine sehr anstrengende Arbeit, mit welcher die zumeist jungen Goldklopfer im Alter von etwa 16 Jahren beginnen. Die Arbeit ist strapaziös, der Ablauf monoton und die dauerhaften Folgen für die Gesundheit sind fatal. Doch um Zulauf neuer Arbeitskräfte müssen sich die rund 50 in Mandalay ansässigen, meist in Familienbesitz befindlichen Goldwerkstätten nicht bemühen. Es gibt nur wenige profane Tätigkeiten im buddhistischen Burma, die gesellschaftlich einen derart hohen Stellenwert besitzen. Die Arbeit wird gut bezahlt, und wer zu Ehren Buddhas Gold klopft, der kann sich nach buddhistischem Glauben Verdienste für ein besseres nächstes Leben erwerben.

Nicht umsonst gilt das südostasiatische Burma, welches 1989 offiziell von der damaligen Militärregierung in Myanmar umbenannt wurde, als das Goldene Land. Reist man durch die überwiegend vom Buddhismus geprägte Nation, dann fallen schnell die unzähligen mit Gold geschmückten Tempel, Pagoden und Buddha-Statuen auf. Es ist für Gläubige und Pilger eine heilige Pflicht, religiöse Stätten mit Blattgold zu ehren.

Myanmar verfügt über enorme Goldreserven; allein in der Divi- sion Mandalay gibt es mehr als 30 aktive Minen. Die Arbeitsbedingungen dort sind katastrophal und werden von NGOs immer wieder scharf kritisiert. Nach dem Abbau gelangen die meist nur ein paar Gramm schweren Goldsteinchen zu Hauf in die Werkstätten der Metallklopfer, die sich in Mandalay hauptsächlich entlang der Kreuzung 36. und 78. Straße befinden. Um ein Gramm Gold in mehr als 200 hauchdünne Blättchen zu verwandeln, bedarf es enormer Muskelkraft, stundenlanger Schwerstarbeit und eines strikten Protokolls, das sich seit Jahrhundert nicht verändert hat. Die Arbeitsplätze der Goldhersteller gelten als heilig, daher werden sie - wie alle anderen religiösen Stätten des Landes - ausschließlich barfuß betreten.

In einem ersten Produktionsschritt spannen die Arbeiter ein zwischen Bambus- oder Reispapier gelegtes Stück Gold in ein Etui aus Hirschleder und schlagen darauf mit einem 3,5 kg schweren Hammer exakt eine halbe Stunde lang ein. Anstatt sich auf eine moderne Form der Zeitmessung zu verlassen, wird am Arbeitsplatz eine traditionelle Wasseruhr verwendet. Durch ein kleines Loch in einer Kokosnusschale läuft Wasser ein, bis diese schließlich sinkt, sobald die vorgeschriebene Zeit vorüber ist.

Ist das Goldstückchen aus dem ersten Arbeitsschritt platt gedrückt, wird es in mehrere kleinste Teile geschnitten. Erneut werden diese dann in Papier gewickelt, in einen Ledereinband verpackt und zu den Füßen der Klopfer in ein Gestell gespannt. Immer wieder rutschen die schweren Hämmer wie von selbst durch die Hände der birmanischen Arbeiter. Das monotone Klopfgeräusch klingt angenehm und hat eine beinahe beruhigende Wirkung.

Während dieses zweiten Arbeitsschritts müssen die kleinen, jedoch noch relativ dicken Goldblätter genau fünf Stunden lang mit dem Hammer bearbeitet werden. Keine Musik, keine Gespräch unter den Männern oder sonstige Ablenkungen unterbrechen die routinierte, ausschließlich durch Muskelkraft ausgeübte, Tätigkeit der Handwerker. Nur eine stündliche, fünfzehn Minuten andauernde Pause unterbricht den Ablauf. Und selbst dabei können sich die Männer nur wenig erholen. Die heiß gewordenen Reispapierblättchen im Lederetui müssen geöffnet und sortiert werden, damit sie für die nächste Schicht des Hämmerns abkühlen. Nach mehr als sechs Stunden ist das Gold nur mehr ein tausendstel Millimeter "dick" - dünner als ein Tintenstrich auf einem Blatt Papier.

Nur wenige Meter von den Produktionsstätten der Männer entfernt liegt der Arbeitsplatz der Mädchen und Frauen in den Blattgoldwerkstätten. Ihre Arbeit ist nicht minder wichtig, gesellschaftlich jedoch weit weniger geschätzt. In fensterlosen verglasten Räumen schneiden sie tausende Blättchen Gold mühselig zu kleinen Quadraten für den Verkauf zu. Alles muss windgeschützt sein, damit das mühevoll produzierte Blattgold nicht verloren geht oder beschädigt wird. Anders als bei den Männern wird am Arbeitsplatz der Frauen immerhin gescherzt und gekichert.