
Eine "unbedingte und unbeugsame Natur" wurde Auguste Fickert von ihrer Mitstreiterin Rosa Mayreder genannt, die "in jedem Fall nur das Interesse der Sache" kannte, und "sich ihr mit einer Selbstverleugnung" unterordnete, "die etwas Heroisches hatte". Mit der "Sache" war die Frauenfrage gemeint, die für die glühende Verfechterin der Frauenemanzipation stets das Wichtigste gewesen ist. Persönliche Beziehungen waren demgegenüber zweitrangig, wie etwa auch ihre Lebensgefährtin Ida Baumann leidvoll erfahren musste.
Dabei wollte Fickert, die am 25. Mai 1855 in Wien geboren wurde, ursprünglich Schauspielerin oder Schriftstellerin werden. "O die Dichtkunst ist die edelste Gabe, die Gott dem Menschen gegeben. Nur durch sie bin ich zum Bewusstsein gekommen, was der Mensch ist, kann und muss. Er ist das freie Geschöpf aus des höchsten Meisters Hand, gestellt in diese Welt, sie zu beherrschen mit seinem freien Sinn, . . . er muss die Bande zerreißen, die ihn an das Niedere fesseln, muss seinen Geist, den man in Ketten legen will, frei machen . . . muss streben, Höheres zu erreichen, als dieser Welt armselige Vergänglichkeit", schreibt sie emphatisch als 17-Jährige nach einer Aufführung von Schillers "Wilhelm Tell" in ihr Tagebuch.
Gleichzeitig jedoch empfand sie damals bereits ihr Geschlecht als Hindernis, als Fessel: " O warum muss ich ein Weib sein, das nichts vermag, wie Orest die Furien, so peinigen mich diese Gedanken". Sie spricht von einem "schwere(n), dornige(n) und einsame(n) Pfad", den sie vor sich sieht, und von einer "traurigen Höhe".
Damit hat die Tochter des Werkmeisters der k.k. Hof- und Staatsdruckerei Wilhelm Fickert und seiner Frau Louise hellsichtig viel von ihrer Zukunft vorausgeahnt. Sie hat aber auch gebündelt ihr Credo, ihre Weltanschauung dargelegt, der sie ihr ganzes Leben treu bleiben sollte.
"Die befreite Frau"
Fickert war beseelt von dem tiefen Glauben an eine bessere Menschheit, zu der die "befreite Frau" einen wesentlichen Beitrag leisten sollte. Vor allem ihr wurde die Kraft zugeschrieben, die Menschheitsentwicklung positiv zu beeinflussen. Nicht nur als Teilhaberin, sondern als zentrale Schlüsselfigur sollte sie diese Höherentwicklung anstreben. Wesentlich dazu sei die Liebe einer "neuen Frau", durch die "Menschen zum zweiten Mal erlöst werden, aber nicht für das Jenseits, sondern für das Diesseits". - Hochgesteckte Ziele, die in der einen oder anderen Form damals von der Frauenbewegung ganz allgemein verfolgt wurden, und aus denen es ein nüchternes Erwachen geben musste.
Auguste Fickert besuchte zu der Zeit, als sie diese schwärmerischen Zeilen schrieb, die vierjährige staatliche Lehrerinnenbildungsanstalt St. Anna in Wien nicht aus Begeisterung für diesen Beruf, sondern um sich an der einzigen Bildungsstätte, die damals heranwachsenden Mädchen zugänglich war, für ihr eigentliches Wunschziel, nämlich den Schauspielberuf vorzubereiten. Zuvor hatte sie eine Klosterschule in Burghausen in Bayern besucht, wo sie wegen ihrer leidenschaftlichen Frömmigkeit sogar zu dem in Klöstern als Auszeichnung verliehenen Rang eines "Marienkindes" erhoben wurde. Viele Jahre später allerdings hat sie ihre Ansichten radikal revidiert und ist als Feministin aus der katholischen Kirche ausgetreten.
Vorläufig jedoch fand sie nach Ablegung der Prüfungen eine Stelle als Volksschullehrerin in Wien, fühlte sich aber unbefriedigt und unglücklich, und als sie nach dem Tod ihres Vaters für ihre alte, gichtgeplagte Mutter und drei jüngere Geschwister zu sorgen hatte, musste sie ihren Traum von einer Bühnenlaufbahn endgültig aufgeben.
Ida Baumann
Sie sehnte sich nach Liebe und Geborgenheit und wollte eine glückliche Ehe führen. Trotzdem scheinen Männer in ihrem Leben keine große Rolle gespielt zu haben. Dafür zog sie Anfang der achtziger Jahre mit Ida Baumann, ebenfalls Lehrerin und später in der Frauenbewegung tätig, in eine gemeinsame Wohnung.
Die Beziehung der beiden war wechselvoll und vor allem von Idas Seite schmerzlich, wie zahlreiche Briefe belegen. "Das Trennende zwischen uns ist jetzt, dass Du Menschen gefunden, die Dich mehr interessieren als ich und Du deshalb . . . meiner nicht bedarfst", schreibt Baumann im Juli 1893, als Fickert bereits eine bekannte Frauenrechtlerin geworden war. "Du wurdest allmählich so verletzend". Sie verließ die gemeinsame Wohnung, aber bereits 1898 sind beide wieder zusammengezogen. Ida hat ihre Freundin in den letzten Wochen und Tagen vor ihrem Tod begleitet, und sich drei Jahre danach das Leben genommen.
Bereits als Siebenundzwanzigjährige trat Auguste Fickert dem von Marianne Hainisch gegründeten "Verein der Lehrerinnen und Erzieherinnen Österreichs" bei, hielt Kontakt mit dem Schulreformer Otto Glöckel und fand in ihrem zunehmenden Engagement für die beginnende Frauenbewegung eine Möglichkeit, sich mit ihren idealistischen Vorstellungen einzubringen.