
Nach knapp elf Stunden im All treibt die Gemini im Pazifik. Sie ist, wie Scott anmerkt, "ein großartiges Raumschiff, aber ein lausiges Boot". Die Insassen übergeben sich in der wild schaukelnden Kapsel, während sie auf das Bergungsteam warten. Seeleute ziehen die Astronauten an Bord des herbeigeeilten US-Zerstörers.
Auch die Gemini 9 steht unter keinem guten Stern. Für ihren Flug sind Elliot See und Charles Bassett ausgewählt worden. Als sie zum Training nach St. Louis, Missouri, fliegen, ist das Wetter miserabel - ebenso die Sicht. Beim zweiten Landeversuch kracht der zweisitzige Überschalljet ins McDonnell-Gebäude 101. Ausgerechnet dort werden die Gemini-Schiffe zusammengebaut.

An Stelle der Verunglückten schickt man am 3. Juni 1966 Thomas Stafford und Eugene Cernan in den Weltraum. Auch sie wollten eine Agena ansteuern, doch die ist abgestürzt. Für solche Fälle hat man den "Augmented Target Docking Adapter" (ATDA) vorbereitet. Er ist kürzer als die Agena und ohne eigenes Triebwerk.
Eine Atlas-Rakete hat ihn bereits in den Orbit gehievt. Seine Andockvorrichtung wurde dabei von einer aerodynamisch geformten Verkleidung geschützt. Jetzt, im All, sollte diese abgesprengt werden. Doch das gelingt nicht. Die beiden Hälften der weißen, drei Meter großen Abdeckung sind zwar aufgeklappt - doch ein widerspenstiges Band hält sie beisammen. Als die Gemini 9 auf den ATDA zufliegt, wirkt er auf Stafford wie ein "zorniger Alligator".
Stafford überlegt, das aufgeklappte Maul mit der Nase der Gemini auseinander zu drücken. Doch dabei könnte das Schiff beschädigt werden; genau dort, wo auch die Fallschirme untergebracht sind.
Am Boden sprechen sich NASA-Manager für eine womöglich noch waghalsigere Lösung aus: Cernan soll seinen geplanten Außenbordeinsatz nützen, um das Band durchzuschneiden - mit der Schere aus dem Verbandskasten. Flugdirektor Gene Kranz ist außer sich: Die scharfen Kanten der Nutzlastverkleidung könnten den Raumanzug perforieren. Zu seiner Erleichterung kommt es nicht zu einem solchen "Stunt".
Cernan treibt schließlich ohne Schere aus der Luke. Er absolviert die zweite "Extravehicular Activity" (EVA) in der Geschichte der US-Raumfahrt. Derartige Manöver könnten bei späteren Flügen Leben retten - falls die vom Mond zurückkehrende Landefähre nicht mehr ans Mutterschiff andocken will.
Eine Art "Nabelschnur" verbindet Cernan mit der Gemini. Sie kommt ihm ständig in die Quere, als er sich zum Heck vorarbeitet. Dort wartet ein "Raketenrucksack" auf ihn. Weil dessen Düsen heißes Gas ausstoßen, hat man den sowieso schon sehr steifen Raumanzug nochmals verstärkt. Er besitzt nicht einmal Gelenke. Cernan meint, in einer "Ritterrüstung" festzustecken. Jede Bewegung ist mit enormem Kraftaufwand verbunden.
Auch Haltegriffe fehlen. Will Cernan an einer Schraube drehen, beginnt statt dessen sein eigener Körper zu rotieren. Der Puls schnellt hoch auf 190. Der Raumfahrer schwitzt so heftig, dass sein Visier beschlägt. Nur mit der Nasenspitze gelingt es ihm zeitweise, einen kleinen Fleck frei zu wischen. Nach 129 Minuten ist Schluss. Der teure Raketenrucksack bleibt unbenutzt. Wenigstens die Landung klappt reibungslos: Man wassert weniger als einen Kilometer vom geplanten Landepunkt entfernt.
Schubs in die Ferne
Am 18. Juli 1966 kommt endlich wieder eine Agena-Zielrakete in den Orbit. Michael Collins und John Young koppeln mit der Gemini 10 an sie an. Dann zünden sie das Agena-Triebwerk 80 Sekunden lang. Dessen Schub treibt das Gespann weit ins All hinaus. Der fernste Punkt liegt 763 Kilometer über der Erdoberfläche. Soweit waren Menschen bisher noch nie von unserem Planeten weg!
Die kosmische Teilchenstrahlung ist dort draußen noch intensiver als in niedrigen Orbits. Sie irritiert womöglich die Bordelek-tronik und gefährdet die Gesundheit. Also behält man die Messinstrumente im Auge. Eine zweite, ähnlich lange Agena-Zündung reduziert das Tempo wieder um 380 km/h.
Schlussendlich landet das Schiff exakt in der Umlaufbahn jener älteren Agena, an die vier Monate zuvor die Gemini 8 angedockt hatte. Dieser Raketenstufe ist mittlerweile der Strom ausgegangen - aber für ein "unverbindliches" Rendezvous-Manöver taugt sie allemal. Die Gemini fliegt in Formation mit ihr und hält dabei einen Sicherheitsabstand von nur drei Metern ein.
Schon zuvor hat Collins den Kopf aus der Luke gesteckt und die Sterne auf UV-empfindlichem Film gebannt. Jetzt, bei seiner zweiten EVA, schwebt er zur alten Agena hinüber. Aus einem Handgerät strömt bei Bedarf komprimiertes Gas: Der Rückstoß hilft ihm beim Manövrieren.
Collins ist der erste Mensch, der zwei Raumfahrzeuge im All berührt. Er montiert eine Auffangvorrichtung für Mikrometeorite von der Agena ab, bringt sie in die Gemini. Die dreitägige Mission schließt mit einer Bilderbuchlandung im Westatlantik.
Nun probiert man ein besonders rasches Andockmanöver, wiederum mit einer Agena: Am 12. September 1966 hetzen Charles Conrad und Richard Gordon auf die Zielrakete zu. Die Astronauten erreichen sie schon zu Ende des ersten Umlaufs. Dann nützen sie das Agena-Triebwerk, um die Gemini 11 in eine Höhe von 1369 Kilometer zu bugsieren. Das ist neuerlich Rekord! Nur die Mondflieger werden die Erde aus noch größerer Distanz erblicken.
Gordons erste EVA gerät abermals zur Herkulesaufgabe. Haltegriffe fehlen noch immer, der Schweiß rinnt in seine Augen. Der für zwei Stunden angesetzte "Weltraumspaziergang" muss schon nach einer halben Stunde abgebrochen werden. Bei der zweiten Außenbordaktivität lässt Gordon die Beine im Schiff. Nur sein Oberkörper guckt aus der Luke. "Stand-Up-EVA" nennen das die Astronauten.