Greenpeace Südostasien und eine philippinische Nichtregierungsorganisation reichten Klage gegen 50 mutmaßliche Klimasünder ein. Es sind Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Zementunternehmen, darunter Chevron, BP und OMV aus Wien. Ihre Treibhausgasemissionen sollen die Menschenrechte verletzen. Die philippinische Menschenrechtskommission hat die Ermittlungen aufgenommen. Sie prüft nun, ob die Konzerne eine Mitschuld an Extremwettereignissen wie "Haiyan" tragen.
Sind diese Fälle erst der Anfang? Thomas Pogge, Professor für Internationale Beziehungen und Philosophie an der Yale University und Direktor des Global Justice Program: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass solche Fälle zunehmen, weil sich ja auch die vom Klimawandel ausgelösten Schäden erheblich verschärfen. Wann immer reiche Akteure wissentlich große Schäden verursachen, wird man versuchen, sie straf- und zivilrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Die Kläger können sich auf die Menschenrechte berufen, besonders auf das Recht auf Leben, und auf andere Teile des Völkerrechts. Aber auch auf das Deliktrecht, das Privatrecht und das Umweltrecht."
Pogge hat mit Kollegen 2015 die Oslo-Grundsätze veröffentlicht. Sie zeigen die rechtlichen Verpflichtungen von Staaten und Unternehmen auf, effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Pogge: "Klar ist, dass der Klimawandel schon heute und erst recht in der Zukunft große Schäden verursacht. Unklar ist, wie man die Verantwortung für diese Schäden unter den Schädigern aufteilt. Offensichtliches Unrecht wäre es, diese Unklarheit zu Lasten der Geschädigten auszulegen, so dass jeder weiterhin unbegrenzt Treibhausgase in die Atmosphäre geben und dadurch frühzeitige Todesfälle, ernste Erkrankungen und Milliardenschäden verursachen darf. Also müssen Juristen die plausibelste Interpretation von bestehendem Recht, Präzedenzfällen und Opinio Juris finden. Eine Interpreta- tion, die klarstellt, welche rechtlichen Pflichten die Akteure haben. Genau das haben wir getan."
Was bedeuten Klimaklagen für den globalen Klimaschutz? Beschleunigen sie das Entstehen ressourcenschonenderer Wirtschaften? Pogge: "Klimaklagen motivieren die Schädiger, in ihren Entscheidungen auch die von ihnen verursachten Schäden mit einzubeziehen, egal, wen diese betreffen." Freisetzung von Treibhausgasen sei ja keine Entsorgung, die Sorgen würden nur anderen aufgebürdet. Nach dem Motto: Wir, die Industrieländer, sind die Abgase los, und in Bangladesh gibt es Naturkatastrophen und versalzenes Grundwasser.
Pogge hält es für Unrecht, sich so auf Kosten anderer das Leben leicht zu machen. Er vergleicht es mit einer Spazierfahrt übers Land, die jemand zum Spaß unternimmt. Die Abgase der Fahrt produzieren insgesamt mehr Schaden als Nutzen. Aber den Nutzen hat der Fahrer allein, und vom Schaden bekommt er nur 0,000000014 Prozent ab. Also macht er weiter, und alle anderen auch. Am Ende ergehe es allen schlechter, als wenn der Schaden voll berücksichtigt worden wäre.
Es sei eine klassische Aufgabe des Rechts, durch Regeln und Sanktionen das individuell optimale Handeln mit dem kollektiv optimalen Handeln in Einklang zu bringen. Das Recht soll, kantisch gesprochen, die Freiheit eines jeden so einschränken, dass sie mit der gleichen Freiheit jedes anderen vereinbar ist, so Pogge. Die Oslo-Grundsätze interpretieren bestehendes Recht, so dass es dieser Aufgabe gerecht wird.
Gerichtliche Hilfe
Parlamente und Regierungen bleiben die zentralen Orte für Klimaschutz, meint Meyer-Ohlendorf, aber Gerichte können die Bemühungen unterstützen. Wie beim Vorgehen gegen die US-Tabakindustrie. Richterliche Urteile haben da eine wichtige Rolle gespielt. Wobei beim Rauchen die Kausalitäten einfacher sind als bei Treibhausgasemissionen, merkt der Völkerrechtler an. Einen Hebel für Klimaschutz sieht er im Aktienrecht. Da hätten Richter zumeist klare Regeln, nach denen sie urteilen können. In den USA laufen derzeit staatsanwaltliche Ermittlungen gegen den Ölriesen Exxon. Der hat möglicherweise die Rechte von Aktionären verletzt: Dass aus der Erwärmung die Notwendigkeit erwächst, fossile Brennstoffe zu vermeiden, verschwieg man nach Meinung der Staatsanwaltschaft den Anlegern.
Hier sieht Meyer-Ohlendorf eine mögliche Grundlage für Schadensersatzansprüche. Aktionäre können sich darauf berufen, dass die gekauften Aktien weniger wert sind, als nach den Darstellungen Exxons anzunehmen war. Der Völkerrechtler erklärt: "Investoren ziehen sich eher zurück, wenn sie die vollen finanziellen Risiken ihrer Investition besser verstehen. Öl, Gas und Kohlefirmen müssen höhere Rücklagen für Ansprüche ihrer Aktionäre bilden, was das existierende Geschäftsmodell unattraktiver macht."