Fußball ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält. Zum heurigen hundertjährigen Todestag der Marie von Ebner-Eschenbach sollte es erlaubt sein, einen ihrer berühmten Aphorismen ein wenig abzuwandeln und auf die Sprache umzumünzen. Denn es ist in der Tat so: Im österreichischen Fußballjargon, einer kleinen Welt, zeigen sich all jene Entwicklungen, die auch im allgemeinen Sprachgebrauch anzutreffen sind, nur schneller, schärfer und dramatischer.
Das Vordringen bundesdeutscher Sprachgewohnheiten ist bei einem relativ überschaubaren Wortschatz besonders auffällig. Unlängst hörte ich eine österreichische Fußball-Ikone im ORF sagen: "Das war ein schön geköpfter Ball!" Dabei müsste der gute Mann doch wissen, dass wir das runde Leder nicht köpfen, sondern köpfeln - ein Buchstabe macht den Unterschied aus.
Österreichische Sportreporter verwenden auch immer öfter Wörter wie Pferdekuss - das ist eine Verletzung durch einen Tritt in den Oberschenkel - oder sie sagen Tunnel und Beinschuss, wenn ein Spieler dem anderen den Ball durch die Füße schiebt. Nur die deutschen Dialektausdrücke für den Fußball, nämlich Pille, Poke und Kirsche bleiben uns noch erspart. Wir sagen auch weiterhin Torhüter und nicht Torwart - seine Aufgabe ist es ja, das Tor zu hüten, nicht zu warten -, Torstange und nicht Torpfosten - na klar, das Wort Stanglpass ist uns heilig -, auch Fersler ist relativ stabil, Hackenstoß und Absatzkick sind verpönt. Wie lange noch?
"Schnittpartie"
Der aus Deutschland kommende Anpassungsdruck ist wohl auch deshalb recht stark, weil unsere Bundesligaklubs im besten Fall Ausbildungsvereine für Deutschland sind. Jeder junge österreichische Kicker träumt von einer internationalen Karriere - er möchte irgendwann einmal in die Fußstapfen jener Spieler treten, die heute das österreichische Nationalteam ausmachen, es sind fast durchwegs Legionäre. Daher schauen sich die jungen Spieler recht früh die Formulierungen von den Sportreportern des deutschen Fernsehens ab - sozusagen auf Verdacht für später. Dass der erfolgreichste Legionär, nämlich David Alaba, nach wie vor so redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und sich dadurch in der Sportwelt Deutschlands ein Alleinstellungsmerkmal verschafft hat, übersehen sie.
Den urtümlichen fußballerischen Slang beherrschen nur noch die Älteren, er droht genauso auszusterben wie die Mundarten. Wie reichhaltig doch der Sprachschatz am Fußballplatz einmal war! In meinen Gesprächen mit Fußballlegenden wie Rudi Flögel, Heli Köglberger, Robert Sara, Funki Feurer, Andi Ogris und einigen anderen sind alte Wörter aufgetaucht, mit denen die Jungen meist nichts mehr anfangen können. Ich habe sie in meinem Buch "Österreichisch fia Fuaßboifäns" dokumentiert, um zu zeigen, was einmal war.
Vielleicht weiß noch der eine oder andere Fußballfan, was eine Schnittpartie ist. Gemeint ist ein Match zwischen zwei Klubs, die in der Tabelle eng beisammen liegen, also eine Partie, die entscheidend für den Kampf um den Meistertitel oder gegen den Abstieg sein kann. Schnitt kommt aus der Sprache der Landwirte und bedeutet so viel wie Ernteertrag.
Heute reden die Sportreporter meist von einem Sechs-Punkte-Spiel, und zwar nach der Überlegung: die eine Mannschaft gewinnt drei Punkte und die andere gewinnt drei Punkte nicht - das macht zusammen sechs Punkte. Adam Riese hätte damit keine Freude gehabt, denn wenn zwei Mannschaften vor einem Match gleichauf liegen, dann hat nach dem Match die siegreiche Mannschaft einen Vorsprung von drei und nicht von sechs Punkten.
Wenn ein gefährlicher Stürmer gut bewacht werden soll, dann lautete früher die Anweisung des Trainers: "Der eine geht drauf, der andere schmiert ab." Das Zeitwort abschmieren kommt von hebräisch schemirá (= Wacht, Wächter, Bewachung). Die Wendung Schmiere stehen ist ja allseits bekannt; der zweite Spieler soll also in lauernder Haltung den Gegner beobachten und gegebenenfalls eingreifen. Andi Ogris und Robert Sara, zwei Legenden von Austria Wien, sagten mir, dass sie den zweiten Spieler früher Schmieranski nannten.
Das ist etwas anderes als der gleichlautende Ausdruck für einen schlechten Journalisten, einen Schmierer. Kenner der österreichischen Fußballgeschichte wissen, dass 1931 der Teamchef Hugo Meisl in einem Wiener Kaffeehaus den Journalisten einen Zettel mit den Worten "Da habts euer Schmieranski-Team" hingeworfen hatte. Aus der Wunschelf der Journalisten wurde das Wunderteam (siehe dazu Seite 38).
Apropos Wunderteam. Damit verbinden wir den Ausdruck Scheiberlspiel - gemeint ist ein Kurzpassspiel auf engem Raum. Früher war auch das Zeitwort scheiberln gebräuchlich. Der legendäre Matthias Sindelar sagte 1929 zum Teamchef Hugo Meisl nach einem 0:5-Debakel: "Zwenich gscheiwalt homma hoid." Mit ähnlichen Argumenten, aber anderer Wortwahl begründete Pep Guardiola als Trainer des FC Bayern die seltenen, aber schmerzenden Niederlagen seiner Mannschaft.