Die preußischen Heerführer, dargestellt auf einem zeitgenössischen Gemälde von Georg Bleibtreu. - © Deutsches Historisches Museum/ Anagoria/ Wikimedia Commons
Die preußischen Heerführer, dargestellt auf einem zeitgenössischen Gemälde von Georg Bleibtreu. - © Deutsches Historisches Museum/ Anagoria/ Wikimedia Commons

"Casca il mondo!" - "Die Welt stürzt ein!" Als Giacomo Anto-nielli, Kardinalstaatssekretär im römischen Kirchenstaat, die Nachricht von der katastrophalen Niederlage der österreichischen Armee bei Königgrätz vernahm, schlug er entsetzt die Hände zusammen. Ob er bereits ahnte, dass die unerwartete Vernichtung der habsburgischen Nordarmee durch preußische Grenadiere das Gesicht Europas nachhaltig verändern würde? Tatsächlich kam das, was aus der Entfernung vielleicht als bloßer Bruderzwist zwischen deutschen Staaten erscheint, einem Erdbeben gleich - einer massiven Verschiebung politischer Kontinentalplatten, welche eine seit Jahrhunderten gültige Ordnung Mitteleuropas auf einen Schlag zerstörte und letztlich das Fundament für die verheerenden politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts legte.

Zerbrochene Ordnung

Der Erdbebenvergleich ist nicht zu weit hergeholt, war doch das alte Heilige Römische Reich, das 1806 mit der Abdankung Franz II. als römisch-deutscher Kaiser ausgelöscht und 1815 in Gestalt des Deutschen Bundes - zumindest der Idee nach - wieder zum Leben erweckt worden war, das politisch langlebigste und damit erdbebensicherste Territorium Europas. Die Basis für die relativ sichere Existenz der deutschen Fürstenstaaten bildete die Stellung des Kaisers als Richter und Rechtswahrer im Allgemeinen sowie die bündische Reichsidee im Besonderen.

Über Jahrhunderte hat Österreich als führende Macht "das Reich zu mehren" und seine "Mitglieder zu schützen" gesucht, aber nicht durch Unterwerfung und Beherrschung, sondern mit Hilfe einer über den Gemeinschaften liegenden Rechtsordnung. 1866 fiel diese Ordnung und die deutsche Kaiserkrone glitt, wie der österreichische General Moritz von Auffenberg in seinen Memoiren schrieb, "endgültig vom Haupte der Habsburger". Wie konnte es dazu kommen?

Zunächst einmal ist die Ursache für das Scheitern des Bundes von 1815 im Dualismus der deutschen Mächte Österreich und Preußen zu suchen. Begründet wurde der Antagonismus zwischen Wien und Berlin bereits von Maria Theresia und Friedrich II. im 18. Jahrhundert, als man sich um Schlesien, Bayern und die Trümmer Polens gestritten hatte.

Die Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche Verteidigung Deutschlands gegenüber dem Aggressor Napoleon Bonaparte waren damit nicht unbedingt die besten, mit dem Ergebnis, dass Österreich und Preußen mehr oder weniger getrennt marschierten - und auch geschlagen wurden. Tatsächlich läuteten die Friedensschlüsse von Basel (Preußen 1795) und Campo Formio (Österreich 1797) das Ende des gemeinsamen Reiches ein, wurde doch mit der Abtretung der Rheinprovinz an Frankreich erstmals ein wichtiger Teil aus Deutschland herausgebrochen.

Der nächste (nicht ganz freiwillige) Schlag gegen die Reichsidee erfolgte 1804/06 - und zwar durch Franz II., indem er zuerst das Kaisertum Österreich begründete und dann als römisch-deutscher Kaiser abdankte, um die altehrwürdige Krone vor einer Usurpation durch Napoleon zu schützen. Am deutschen Selbstverständnis Österreichs änderte dies nichts, im Gegenteil, schwang sich doch die stark zugerichtete Monarchie, beginnend mit den Befreiungskriegen von 1809, nun erst recht zur "Kämpferin für Deutschlands Ehre" auf.

Politische Topographie

Eines hatte man in Wien begriffen: dass ein von Napoleon beherrschtes Deutschland über kurz oder lang zum Untergang Österreichs führen musste. Das lehrte schon allein die politische Topographie, laut der nur der westlichste Teil des Kaiserstaates dem deutschen Kernland angehörte, das weite Donaubecken mit seinem Völkergemisch aus Magyaren, Slawen und Deutschen aber nicht. Wie sollte man diese Territorien und ihre bunte Bevölkerung ohne den Rückhalt aus dem Reich bei der Krone halten können, wenn man erst selbst zur Minderheit im eigenen Staat geworden war? Dass letztlich nicht Frankreich, sondern Preußen 1866 die Hegemonie in Deutschland an sich riss und Österreich endgültig aus Deutschland ausschloss, machte da aus Wiener Perspektive freilich keinen Unterschied.

Dabei hätte man die Signale, die vom Hohenzollern-Staat in diese Richtung ausgesandt wurden, bereits früher erkennen und deuten müssen - beispielsweise, als Berlin 1834 ohne Sanctus des Ballhausplatzes den preußisch-deutschen Zollverein gründete und damit die sogenannte klein-deutsche Lösung, die ein Deutschland unter Preußens Führung vorsah, vorwegnahm. Das Kunststück wäre Preußen 1849 beinahe gelungen, als es, die Wirren der Revolution ausnutzend, in Hessen, Baden und Sachsen einmarschiert war und die norddeutschen Staaten zu einer bundesstaatlichen Union inklusive Verfassung und Armee zusammengefasst hatte. Dass daraus nichts wurde, lag weniger an Preußens König Friedrich Wilhelm, der die von den Revolutionären angetragene, klein-deutsche Kaiserkrone angelehnt hatte ("aus Dreck und Letten gebacken"), sondern an der überaus strengen Reaktion der Österreicher.

Die deutsche Frage

Tatsächlich kehrte Österreich, das während der Revolution in Italien und Ungarn gebunden war, nach Deutschland zurück "wie ein zürnender Odysseus, fand sein deutsches Haus von Preußen besetzt und beschloss rücksichtslos aufzuräumen" (Sebastian Haffner).