
Unaufhörlich strömten um die Mitte des 19. Jahrhunderts Ärzte aus dem böhmisch-mährischen und dem galizischen und ungarischen Raum nach Wien. Das führende Team dieser Zeit, in der Medizingeschichte "Dreigestirn" genannt, waren der Pathologe Rokitansky, der Internist Skoda und der Dermatologe Hebra. Die drei Böhmen waren - neben den Norddeutschen Billroth und Nothnagel, dem Holländer Wenckebach und dem Ungarn Semmelweis - für die Wiener medizinische Fakultät von großer Bedeutung und begründeten die sogenannte "Zweite Wiener Medizinische Schule".
Die Wiener Medizinische Fakultät stand Mitte des 19. Jahrhunderts an einer Zeitenwende: Der junge Carl Rokitansky (1804- 1878) setzte mit der Spezialisierung des Faches Pathologische Anatomie einen Meilenstein. Abertausende von Befunden hat Rokitansky am Seziertisch aufgenommen. Er stellte an zahllosen pathologisch-anatomisch veränderten Organen ganz bestimmte Krankheitstypen fest.
Hand in Hand mit dieser gigantischen Bestandsaufnahme ging ihre Auswertung für die Klinik. Hier erwies sich seine Freundschaft mit dem Internisten Josef Skoda (1805-1881) und Ferdinand Hebra als besonders erfolgreich: Die Zweite Wiener Medizinische Schule in ihrer umfassenden Geschlossenheit wäre ohne die Ergänzung Skodas, Hebras und anderer Mediziner nicht zustandegekommen.
Damals entstand das Bedürfnis der Chirurgen, Geburtshelfer, Augenärzte (Ophtalmologen) und Gynäkologen, die klinischen Befunde pathologisch-anatomisch zu begründen. Sie mussten jedoch, wie der junge Hebra, zunächst durch die Schule des Carl von Rokitansky gehen.
Ferdinand Hebra wurde am 7. September 1816 unter dem Namen Ferdinand Karl Franz Schwarzmann als außerehelicher Sohn der Aloysia Slawik in Brünn/Brno geboren. Seine Mutter lebte vom Gatten getrennt, Ferdinand erhielt den Mädchennamen seiner Mutter. Sein Vater, der Militärbeamte Johann Hebra, adoptierte den volljährigen Ferdinand. Vater und Sohn hatten ein gutes Verhältnis und lebten ab 1839 im gemeinsamen Haushalt. Bis zum Ende seiner Gymnasialzeit wurde Ferdinand in einem Konvikt in Judenburg erzogen, besuchte anschließend die "Huma-niora" in Graz und promovierte 1841 in Wien.
Während Josef Skoda Junggeselle blieb, führten Ferdinand von Hebra und Freiherr Carl von Rokitanksy ein glückliches Familienleben. Hebra bekam mit seiner Frau Johanna Nepomucena sieben Kinder. Er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften, erhielt Orden, Auszeichnungen, die Nobilitierung und den Hofratstitel.
1872 wurde Hebra zum Vorsitzenden der Gesellschaft der Ärzte und 1879 zu deren Präsidenten gewählt. Doch kurz darauf musste der 63-Jährige aus gesundheitlichen Gründen sein Lehramt aufgeben. Wie der Wiener Chirurg Leopold Schönbauer in seiner Medizingeschichte ausführt, trat zu dem "Grundleiden noch ein hochgradiges Emphysem, Lungenblähung dazu, dem Herz-, Nieren und Leberschädigungen und schließlich Wassersucht folgten."
Am 5. August 1880 starb Hebra im Alter von 64 Jahren. Sein Freund, der leidende, herzkranke 76-jährige Skoda folgte ihm ein Jahr später, am 13. Juni 1881. Sohn Hans von Hebra, Professor für Dermatologie und Vorstand der Hautabteilung der Wiener Poliklinik, führte das Werk seines Vaters weiter.
Die Erkenntnisse von Rokitansky, Skoda, Hebra und Semmelweis sowie anderer fortschrittlicher Mediziner stellten die alten Anschauungen auf den Kopf: Lange beherrschte die "Krasenlehre" das medizinische Wien. (Darunter wurden Krankheitsauffassungen verstanden, die der Mischung von Körpersäften grundlegende Bedeutung für Gesundheit und Krankheit zuweisen, Anm.). Doch die Erkenntnis eines ursächlichen Zusammenhanges einzelner Krankheiten mit lokalen pathologischen Veränderungen wies schon neue Wege: Wie Rokitansky forschte auch Skoda nach den physikalischen Entstehungsbedingungen der krankhaften Organveränderungen. Nur tat er dies am Lebenden, indem er den Brustkorb seiner Patienten abklopfte und abhorchte. Befunde der Lebenden verglich er mit jenen in den Organen von Leichen.
Veraltete Heilkunde
Rokitanksy, Skoda und Hebra haben einen neuen Weg beschritten: Zu ihrer Zeit war die Pharmakologie noch vom Aberglauben der mittelalterlichen Heilkunde belastet. So hatte man in der Wiener Hofapotheke Mitte des 19. Jahrhunderts noch Mumienpulver vorrätig. Als Folge der veralteten Heilkunde entstand der "therapeutische Nihilismus", eine medizinische Strömung dieser Zeit. Aufgrund der Wirkungslosigkeit der alten medizinischen Mittel wie Aderlass, Schröpfen und Erbrechen sowie dem Fehlen einer Therapie sollte auf diese überhaupt verzichtet werden.
"Therapeutischer Nihilismus" bedeutete also ein Nichteingreifen, zurückzuführen auf die Unsicherheit der Ärzte. Hebra begann pathologische Veränderungen lokal zu bekämpfen. Damit errang er die ersten therapeutischen Erfolge im damals noch rückständigen Fach Dermatologie: Hautkrankheiten waren demnach ein Leiden, "wo sich das Blut seiner krankhaften Verunreinigungen entledigte". Das erschien nach der "Krasenlehre" als natürlicher physiologischer Vorgang, den man zweckmäßig sich selbst überließ.