Im Übrigen fürchtete man die Übertragbarkeit der Hautkrankheiten, daher versuchte man, die Kranken zu isolieren. Im Wiener Allgemeinen Krankenhaus war dazu die bei Ärzten äußerst unbeliebte 5. Abteilung bestimmt. Diese umfasste außer den "Irren" auch die Geschlechts- und Krätzekranken. Der zuständige und völlig überlastete Sekundararzt hatte außerdem die seit 1792 angeordnete gerichtliche "Totenbeschau" durchzuführen.
Unter den wenigen Schriften, die sich mit Hautkrankheiten beschäftigten, fand Hebra die "Doctrina de morbis cutaneis", die Kunde von den Hautkrankheiten vor, die Joseph Jakob von Plenk im Jahr 1771 veröffentlicht hatte. Plenk ging von den Ausschlägen und Veränderungen der Haut aus, die er in 14 Klassen mit vielen Unterteilungen gliederte. Das entsprach dem damaligen Zeitgeist, wo man besonders gerne systematisierte, um überhaupt erst eine Ordnung der Krankheiten zu erreichen. Englische und französische Ärzte forschten auf dieser Basis weiter, konnten jedoch keine klare Terminologie und Systematik der verschiedenen Krankheitsursachen herausarbeiten.
Das war die Lage, die Hebra vorfand und die er mit seinem Reformwerk aufhob. Am Beginn seiner Forschungen stehen Arbeiten "Über die Krätze" und "Über die selbständig auftretenden Krankheiten der behaarten Kopfhaut", die schon zeigen, was er anstrebte: Vage Theorien durch möglichst einfache, auf Beobachtung gestützte Erklärungen zu ersetzen.
Daraus entwickelte Hebra eine Therapie und konnte mit Unterstützung Skodas seine Forschungen weiterführen. Dazu diente ihm das sogenannte "Ausschlagzimmer", das zur Abteilung Skodas gehörte. Dieser ließ 1841 dem jungen Aspiranten zum Studium der Hautkrankheiten freie Hand. In der "Konduitetabelle" wird Hebra als "fleißig und pünktlich im Dienste beurteilt", weiter ist zu lesen, er "beschäftige sich unermüdet mit dem ihm zugewiesen Fache, den Hautkrankheiten".
Sofortdiagnosen
Geprägt von Rokitansky, hat sich Hebra dabei an die "objektiven Symptome" gehalten. 1842 wurde der 29-jährige Hebra Sekundararzt in Skodas Abteilung und übernahm 1848 dort das Primariat. Ein Jahr später erfolgte die Ernennung zum außerordentlichen Professor. Hebras Schüler schätzten den Scharfsinn ihres Lehrers: Ernst von Bergmann, der Fachwelt als bedeutender Chirurg bekannt, berichtete von einem Hebra-Kurs: "Aus den Schwielen von Händen und Füßen sagt er jedem, was für ein Handwerk er treibt": "A Schuster ist er - und Krätz hat er", war eine der Sofortdiagnosen von Hebra.
Die ordentliche Professur erhielt Hebra erst im Alter von 53 Jahren, obwohl er Fortschritte in der Dermatologie vorweisen konnte: Krätze galt vor Hebras Erkenntnissen als Allgemeinkrankheit, hervorgerufen durch eine fehlerhafte Mischung der Körpersäfte. Hebra hat die Krätzemilben öfter auf die eigene Haut einwirken lassen, um zu beweisen, dass diese für den Organismus an sich unschädlich sind und erst durch den von ihr ausgehenden Hautreiz die Krankheitsformen hervorrufen. Somit konnte er die Hautkrankheiten mittels Therapie behandeln.
Allmählich setzten sich die neuen Erkenntnisse durch: So unterlag der preußische Generalstabsarzt Johann Nepomuk Rust Mitte des 19. Jahrhunderts noch dem Irrtum, dass das Verschwinden des "Flechtenübels" infolge der örtlichen Behandlung nicht selten dem Gesamtorganismus schlecht bekomme: "Ich habe nicht allein anhaltende Krankheiten aller Art, sondern auch Zehrfieber, Brustwassersucht, Blindheit, Taubheit, Epilepsie, Schlagfluß usw. hierauf erfolgen und wieder verschwinden sehen, wenn man so glücklich war, die Flechte wieder hervorzurufen", urteilte der bekannte preußische Chirurg und Medizinschriftsteller Rust über diese Krankheit.
Neue Dermatotherapie
Demgegenüber bedeuteten die Anschauungen von Hebra einen völligen Umsturz. 1845 hat er die Dermatologie neu begründet, indem er sie getreu dem Forschungsprogramm seiner Schule auf eine pathologisch-anatomische Basis stellte und die Hautkrankheiten in 12 Klassen einteilte. Nach und nach entstand eine neue Dermatotherapie: Sie richtete ihre Kritik zuallererst gegen den alten humoralpathologischen Schlendrian: "Zweimal einen Esslöffel zu verschreiben und einzunehmen ist leicht, ein Hautarzt muss mehr können", lautete einer der markanten Aussprüche Hebras. Er hat eine ganze Reihe wirksamer Quecksilber-, Zink-, Blei-, Kupfer-, Schwefel- und Teerpräparate in die Dermatotherapie eingeführt. Bekannt ist vor allem unguentum diachylon (Bleipflastersalbe), das ebenso wie das Wasserbett bei schweren Verbrennungen eingesetzt wurde.
Die neue Auffassung von Hautkrankheiten übte eine starke Anziehung auf ausländische Ärzte aus. Hebra unternahm Studienreisen, beobachte unter anderem in Norwegen Leprakranke. In England, wo sich Hebra öfter aufhielt, schätzte man seine Forschungen: Noch vor den Franzosen, Italienern und Russen haben die Engländer Hebras großes "Lehrbuch der Hautkrankheiten", das von 1860 bis 1876 herausgegeben wurde, übersetzt.