Was für ein Tag ist der 8. März? Ein Mittwoch. Ja, es soll Frauen geben, denen der sogenannte Frauentag trefflich gleichgültig ist. Es soll auch Frauen geben, die sagen: "Frauensolidarität wäre eh super. Wenn ich nicht so viele Frauen nicht leiden könnte". Aber das geht jetzt vielleicht doch zu sehr in die Polemik. Auch wenn es eine Überlegung wert wäre, dass in Zeiten, in denen es kaum Verwerflicheres gibt, als sich als Gruppe, die irgendetwas (Nation, Hautfarbe, Haustier) gemeinsam hat, zu erheben, allein das Geschlecht ein Kriterium sein darf, über das man sich als Einheit definieren darf. Freilich nur als Frau. Wenn Männer das machen würden, müsste man wohl gleich wieder einen Extratag einführen.

Der größte Makel des Frauentags ist, dass es ihn gibt. Er impliziert nämlich, dass ein Tag im Jahr Frauentag ist. Der Rest des Jahres besteht aus Männertagen. Metaphorisch gesehen mag das auch stimmen. Aber von Metaphern kann man sich auch kein gleichberechtigtes Gehalt kaufen. So ein Tag ist vor allem für Politiker sehr praktisch. Da kann man sich eine überschaubare Zeit lang für Themen wie Frauenquoten, Kinderbetreuungsprobleme und Alltagssexismus interessieren. Und dann am Equal Pay Day, jenem Tag, der tatsächlich die Ungleichheit von Mann und Frau - konkret beim Einkommen - deutlich macht, betreten und vor allem folgenlos schweigen.
Der zweitgrößte Makel des Frauentags ist, dass er vor allem verbissenen Ein-Kanal-Denkerinnen die Gelegenheit gibt, ihre gesammelte eingeschränkte Kreativität in schrulligen Aktionen zu bündeln. Die haben dann gern extra sperrige Namen mit irgendwas mit Frauennetzwerk, um zu zeigen, dass Frauen auch komplizierte Worte verstehen können. Oder sie nennen sich "Störenfriedas", was nur marginal besser ist. Oder eigentlich gar nicht.
Männer beteiligen sich an Ak-tionen für den Frauentag traditionell eher wenig, außer vielleicht als Erlaubnisgeber. Mancher erschrickt eventuell auch, weil er vergessen hat, den Blumenstrauß zu besorgen. Ach so, das ist eh nicht der Valentinstag. Macht aber nichts, denn die wenigsten Störenfriedas realisieren das Grundgesetz, dass sie ohne Verbündete des privilegierteren Geschlechts wenig erreichen werden. Bestenfalls kurios sind wiederum die Transformationen von sogenannten Mansplainern in eifrige Frauenversteher, die für einen Tag darüber hinweg sehen, ihren weiblichen Kolleginnen ihre immerwährende Unterlegenheit vermitteln zu wollen.
"Viele wissen gar nicht, dass sie Feministen sind. Wer dafür ist, dass Frauen wählen dürfen, ist Feminist", erklärte die auf Frauenthemen spezialisierte Schriftstellerin Sofi Oksanen im Interview mit der "Wiener Zeitung" kürzlich. So einfach ist das. Der Feminismus ist also - zumindest in unserer Gesellschaft - durchaus im Mainstream verankert. Diese Verankerung sollte man vertiefen, und zwar mit Aktionen, die in den Alltag reichen und den Alltag thematisieren. Die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frauen und Mädchen sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Aktionen zum Frauentag streichen aber meistens Ausnahmen heraus. Und Zeitungen bringen "Femmagen" (statt Hommagen) an Frauen, die dieses und jenes auch können, was bisher Männern vorbehalten war.
Es gibt aber nicht AUCH Frauen. Es gibt Frauen. Und zwar immer. Nicht nur an einem Tag.
Christina Böck ist leitende Redakteurin im "Feuilleton" der "Wiener Zeitung".
"Einbitterisch"
Ich bin relativ geschlechtsneu-tral aufgewachsen, auf diesem idyllischen Hügel über Flachau. Ich hatte nie das Gefühl, dass mein Bruder Vorteile hatte, für uns alle hieß es "lernen oder arbeiten". Mein Vater hätte den elterlichen Betrieb, ein Gasthaus und eine Landwirtschaft, ohne mit der Wimper zu zucken auch mir überschrieben. Meine Mutter hatte immer ihre eigene Meinung, sie tat sie laut und klar kund, auch wenn sich Vater ab und zu für diese schämte.
Es wäre unmöglich gewesen, zu sagen, wer von den beiden mehr arbeitete, denn meine Eltern führten fast einen Wettkampf; beide fielen frühestens nach 16 Stunden zwischen Küche, Restaurant, den Gästezimmern, dem Stall und dem eigenen Haushalt und den vier Kindern ins Bett.
Im Jahr 2000 schrieb ich mich an der Universität in Wien ein; Jahre später erfuhr ich, dass meine Großmutter mütterlicherseits gemeint hätte, es sei ziemlich "einbitterisch" von mir als junge Frau, studieren zu wollen. Mein Großvater väterlicherseits wiederum war so stolz auf meinen Stu-dienabschluss, dass er monatelang eine Kopie des Diplomzeugnisses mit sich herumtrug und die zerfledderten Zettel jedem ungefragt unter die Nase hielt. Dazwischen hatte ich an der Universität Professoren, von denen es hieß, sie ließen Frauen beim ersten Prüfungsantritt nie durch; bei anderen solle man besser in einem kurzen Rock erscheinen.
Dann erzählte mir meine Großtante Ottilie, die als Jugendliche aus ihrer elfköpfigen Flachauer Bauernfamilie ausgebüchst war nach Wien, zu Hause hätten die Töchter immer weniger zu essen bekommen als die Buben.