In der Stadtentwicklung, auch in der Architektur, kommt Partizipation schon lange eine große Bedeutung zu. Alleine im Wohnungsbau oder auch im Rahmen der Gestaltung öffentlicher Räume ist sie fixer Bestandteil der Planungskultur westlicher Gesellschaften. Neben den schon erwähnten normativen Grundhaltungen, die in partizipativen Verfahren der Stadtplanung vielfach sichtbar werden, treten zudem viele Widersprüche auf, die in hohem Ausmaß emotional aufgeladen sind.

Aufgeladene Diskurse

Nehmen wir nur das Beispiel "Straße" als öffentlicher Raum: Öffentlicher Personennah-, Individual- und Lieferverkehr, Ampelphasen, (selektives) Tempolimit, Radspur, Taxispur, Rad gegen die Einbahn, Einbahnumdrehungen zur Verkehrsberuhigung, Gehsteigverbreiterung, Fahrspurreduktion, Rückbau, Parkplatz, Anrainerparken, Parkraumbewirtschaftung, Radabstellplatz, Schanigarten, temporäre Nutzung (Veranstaltungen), Grätzloasen, Begrünung und und und . . .

Alle diese Bereiche und noch viele mehr sind Grundlagen emotional aufgeladener Diskurse in der Öffentlichkeit, in Stadtparlamenten sowie Beteiligungsverfahren. Gestalterische wie planerische Entscheidungen sind in diesen Fällen selten entkoppelt von Befindlichkeiten und subjektiven Interessen. Partizipation wirft daher zusätzlich auch immer die Frage nach den Beteiligungsmotiven oder etwaigen Befangenheiten auf.

Auf weitere Widersprüche, die im Rahmen der Stadtentwicklung Wiens in den vergangenen Jahren aufgetreten sind, sei hingewiesen: Wohnbau (kommunale versus privatwirtschaftliche Interessen), Geschoßbau (materielles versus immaterielles Erbe), Quartiersentwicklung (Gentrifizierung versus Bestandswahrung), Dritte Piste (Wirtschaft versus Umwelt), Verkehrsplanung (Auto versus Fahrrad), Widmung (Denkmalschutz versus Neubau) - die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

Auch gibt es viele Planungsbereiche, deren Widersprüche nicht sofort greifbar sind und die sich erst im Umsetzungsprozess in ihrer Tragweite erschließen. Als Beispiel dient der geplante (Aus-)Bau von U2 und U5 und die damit verbundene Baustellenlogistik im dicht verbauten Stadtgebiet über Jahre. Weitgehender Konsens zwischen Stadt Wien, Bezirk, Anrainern, Wiener Linien und Geschäftsleuten besteht bisher darin, dass die Erschließung von Stadtteilen durch direkte U-Bahn-Anbindung diese Gebiete nach Fertigstellung aufwertet. Dies ist ein tragfähiger Grundkonsens. Die Interessen, die es hinsichtlich der mehrjährigen Bauphase zu verwalten gilt, sind in der Argumentationslogik jedoch sehr verschieden.

Wechselverhältnis

Einfach gesagt, geht es etwa den Wiener Linien darum, die Baustelle (Tiefbau) gut abzuwickeln und den Wirtschaftstreibenden die Oberfläche (Aushub, Sperren etc.) gut zu verwalten, damit sich der zu erwartende Umsatzeinbruch in Grenzen hält. Es geht somit auch hier um die Organisation von Gleichzeitigkeit, ohne die bestehenden Konkurrenzen auflösen zu können. Je besser das in kooperativer Abstimmung gelingen kann, desto gedeihlicher ist das Nebeneinander während der Bauphase. Partizipative Verfahren, die das Zusammenbringen unterschiedlicher Interessensgruppen fördern, können stabilisierend in der Sache wirken.

Letztendlich geht es in all den hier angeführten Widersprüchen um die Organisation von räumlichen Verhältnissen im Kontext gesellschaftlicher Bedingungen. Dieses komplexe Wechselverhältnis zu organisieren ist der wichtigste Bestandteil partizipativer Prozesse. Die Maßstabsebenen variieren dabei ebenso wie die Komplexität und Summe der beteiligten Akteure. Die Gestaltung eines Schanigartens in der Parkspur ist kleinräumig - verglichen etwa mit der zukünftigen Neugestaltung des Areals Sophienspital.