Wir glauben, es gibt einen Bedarf nach Antworten auf die Frage, warum Menschen sind, wie sie sind, und wie sie miteinander interagieren. Bis jetzt beantworten das Psychologen oder die Betriebswirtschaftslehre. Wir finden, dass es da eine Lücke gibt: Welche Rolle spielen Kultur und Sozialisation? Und das beantworten wir vor allem mit praktischen Beispielen und Geschichten aus unserer Forschung. Wenn wir ein Unternehmen beraten, liefern wir kein neues Management-Konzept, sondern wir wollen zum Nachdenken anregen. Wir haben 300.000 Jahre Menschheitserfahrung, 290.000 Jahre davon als Jäger und Sammler, 10.000 Jahre als Ackerbauern. Und in dieser Zeit haben wir unglaublich viele Strategien ausprobiert, wie wir miteinander können.

Zum Beispiel?

Heute sind flache Hierarchien wieder en vogue. Auch das gab es schon. Die Forschung hat gezeigt, dass es möglich ist, aber es gibt eine Obergrenze: rund 150 Personen, nicht mehr.

Was passiert sonst?

Das ist die "Dunbar-Zahl" (benannt nach dem englischen Sozialanthropologen Robin Dunbar, Anm.), die auch im Kontext von sozialen Medien oft zitiert wird. Nur 100 bis 250 Personen - das ist individuell verschieden - können wir kognitiv verarbeiten. Danach kann ich nur noch Gruppen abspeichern.

Hilft Ihnen der Blick auf die Menschheitsgeschichte auch in Ihrem Privatleben?

Ja. Es macht mich demütiger und geistig flexibler. Weil ich mir bewusst bin, dass vor mir Millionen von Menschen anderer Meinung waren, beharre ich nicht mehr so sehr darauf, dass das, was ich sage und tue, richtig sein muss. In der Kindererziehung ist immer wieder das gleiche Muster abgelaufen: Eltern denken, dass sie ihre Kinder perfekt auf die Zukunft vorbereiten, und werden dann vollkommen überrascht. Und trotzdem haben wir es als Menschen geschafft. Für mich ergibt sich aus der historischen Perspektive ein großer Optimismus: Wir sind sehr anpassungsfähig. Und es ist ein unglaubliches Glück, dass wir noch hier sind.

Zum Thema Fleischverzehr und Vegetarismus sei an eine Folge der legendären "Nette Leit-Show" mit Hermes Phettberg aus dem Jahr 2010 erinnert, als er den Präsidenten der Vegetarischen Gesellschaft Österreichs, Dr. Helmut Kaplan, zu Gast hatte: