Bequem war er nie. Weder für die Linken noch für die Konservativen. Bis heute hat sich Hans Magnus Enzensberger auf dem ein wenig erhöhten Platz des bundesrepublikanischen Skeptikers gehalten, von wo aus er auf das politische und gesellschaftliche Treiben schaut.
Statt sich jedoch im banalen Kulturpessimismus zu üben, hat sich der am 11. November 1929 im allgäuischen Kaufbeuren geborene Zeitdiagnostiker selbst immer wieder neu erfunden. So auch in seinem aktuellen Coup, der eigentlich ein recht alter ist. Denn bei "Louisiana Story" handelt es sich um eine aus jungen Jahren stammende und wiederentdeckte Erzählung, die Enzensberger anlässlich eines Besuches in den USA verfasst hat.
Um die Begünstigten einer Lebensversicherung zu finden, begibt sich der Protagonist, ein Anwalt und Nachlassverwalter, auf eine Reise in die Südstaaten. Er trifft dort auf eine Bartänzerin, den Direktor eines verschrobenen Naturmuseums, eine Parfümherstellerin sowie eine vermeintliche Voodoo-Hexe. Mehr als die Handlung fasziniert die atmosphärische Dichte, mit welcher der Autor, alias Andreas Thalmayr, das schwüle Klima Louisianas beschreibt. Schwefel liegt in der Luft, Moskitos beherrschen die Sumpfgebiete, wo sich ein rauer Menschenschlag mit Whisky auf den Beinen hält. Und mittendurch bahnt sich der Mississippi, ein "tückischer alter Bursche", seinen Weg.
Fast schon leise
"Er wäscht Amerika langsam aus und schmeißt uns den gelben Dreck vor den Bug." Solche Sätze erweisen sich als so hoch konzentriert wie ein destillierter Zuckerrohrschnaps und transportieren das Bild einer vielschichtigen und zugleich gebrochenen großnationalen Seele. Der american way of life scheitert an der Spaltung zwischen den Weißen und der "Mulattengesellschaft", am Fortschritt, der ganze Regionen und Milieus zurücklässt: "Den Pflanzern", muss der Erzähler erfahren, "geht es nicht mehr so glänzend (. . .). Wer kauft schon noch baumwollene Hemden? (. . .) Schluß mit der Zupferei auf den Feldern, ist doch antiquiert. Baumwolle, Reis und Zucker: das war einmal."

Obgleich er sich in diesem - mit passenden Illustrationen von Hannes Binder versehenen - Werk recht brav, ja, fast schon leise gibt, spürt man in den kritischen Sätzen doch ein wenig die Verve des frühen, aufmüpfigen Enzensberger. Begonnen hat sein Aufstieg in den schriftstellerischen Olymp in den 1950er Jahren mit einer Dagegen-Haltung.
Während manch ein Lyriker sich nach dem Krieg in wohlige Idyllenschreiberei und romantisches Epigonentum flüchtet, steckt Enzensberger bereits mit seinem Debütband "verteidigung der wölfe" (1957) den Finger tief in die Wunde. "Lies keine oden, mein sohn, lies die fahrpläne: sie sind genauer", ruft er in einem Gedicht all jenen sarkastisch entgegen, die noch immer an dem unverbrüchlich reinen und pathosverklebten Ton der Dichtung vor dem Dritten Reich, verbunden mit Namen wie Gottfried Benn, Stefan George oder Rainer Maria Rilke, festhalten wollen.