"Wiener Zeitung": Herr Consul Tombor Tintera, welche Kriterien muss man erfüllen, damit die Möglichkeit besteht, in den Europäischen Weinritterorden aufgenommen zu werden?

Alfred R. Tombor Tintera: Ich denke, eines der innersten Geheimnisse des Lebens ist die Suche nach dem Wahren, Guten und Schönen. Zuallererst sollte man jemand sein, der sich dieser Trias verpflichtet fühlt. Ritter ist für uns kein Titel, sondern der Begriff für einen Menschen, dem eine ritterliche Geisteshaltung zu eigen ist.

Was zeichnet eine ritterliche Geisteshaltung aus?

Unser Schwellensatz lautet: "Erst wenn du den Neid besiegst und dich für andere einzusetzen beginnst, wirst du zum wahren ritterlichen Menschen." Die Wurzel von allem Negativen oder Bösen ist unserer Ansicht nach der Neid, denn durch Neid entstehen Kriege, Hass und Missgunst. Nur frei von Neid können wir zu Glück und einem gelungenen Leben finden.

Welche konkrete Rolle spielt dabei der Wein?

Der edle Wein ist Kern der Agape, er stiftet aus Freiheit Freundschaft, Frieden und Freude. In der heiligen Eucharistie wird er zum Wesenselement Gottes geadelt. Vor allem aber erfreut er unser Herz. Wein ist ein jahrtausendealtes Kulturgut und seit jeher das kulturelle Mittel zur Verbrüderung. Man denke nur an das Ritual des "Per-Du-Trinkens". Kurz gesagt: Der Wein ist Inspirator für alles Schöne und Kulturpräger auf höchstem Niveau. Ohne die inspirierende Wirkung von Wein wäre wohl auch so manches künstlerische Meisterwerk nicht entstanden.

Joseph Haydn wurde posthum zum Weinritter geadelt - wieso gerade dieser Künstler?

Eisenstadt ist Gründungsort und Hauptsitz des Ordens und Joseph Haydn hat den größten Teil seines beruflichen Lebens hier gelebt und gearbeitet. In Eisenstadt sind viele seiner wichtigsten Werke entstanden, u.a. hat er hier die Kaiserhymne komponiert. Ich habe nachgefragt, weshalb Haydn zeit seines Lebens nicht geadelt wurde. Es ist eigentlich sehr verwunderlich, dass ihm diese Anerkennung nicht zuteilwurde. Im Zuge meiner Recherchen konnte ich in Erfahrung bringen, dass Haydn zwar für den Leopold-Orden eingereicht war, aber letztlich landete dieses Vorhaben in irgendeiner Schublade und es kam nie zur Ordensverleihung.

Wenn man in der Geschichte zurückblickt, sind Ritterorden meist mit ideellen oder karitativen Zielen verbunden. Was war Ihre Hauptmotivation, dass Sie 1984 die Burgenländisch-Pannonische Weinritterschaft gründeten, die später zum Ordo Equestris Vini Europae, zum Europäischen Weinritterorden wurde?

Ich muss vorausschicken, dass unsere Idee eines Weinritterordens von Anbeginn international, also paneuropäisch war und nicht national. Der Wein überwindet alle Grenzen - auch die politischen und sprachlichen. Zuvor gab es in Österreich nur Beispiele von Organisationen, wo meines Erachtens viel zu sehr das Nationale im Vordergrund stand. Da wollten wir einen Gegenpol setzen im Sinne von paneuropäischer Geisteshaltung.

Die Gründung des Weinritterordens war also keine "Vorahnung" auf den Weinskandal, der sich ein Jahr später in Österreich ereignete?

Nein, aber wir haben natürlich darauf reagiert und vor allen Dingen stark auf Bildung gesetzt, etwa gemeinsam mit der Volkshochschule Weinseminare abgehalten, damit sich vor allem die junge Winzergeneration auf die ursprünglichen Werte des Weinbaus besinnt.

Wein, ein Stück Kulturgut. - © Robert Wimmer
Wein, ein Stück Kulturgut. - © Robert Wimmer

Die Wurzeln des Weinritterordens reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück, an welche Traditionen wird angeknüpft?

Der Ordo Equestris Vini Europae ist die III. Ordensperiode des St. Georg-Ritterordens aus 1333 bzw. 1468. Der Gründer der I. Ordensperiode war Herzog Otto der Fröhliche, die Weiterführung der II. Ordensperiode erfolgte durch Kaiser Friedrich III. Im Jahr 2005 betraute Erzherzog Otto von Österreich und 2009 Erzherzog Karl den Ordo Equestris Vini Europae mit der Weiterführung der weltlichen Agenden dieses Ritterordens. Einen Ritteroden kann man ja nicht einfach gründen, da spielen viele Fügungen eine Rolle.

Vor allem in Frankreich gibt es eine große Tradition an jahrhundertealten Weinorden. Existieren da Berührungspunkte?

Als äußeres Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung hat der älteste Weinorden der Welt, der 1656 gegründete Ordre des Coteaux de Champagne, mit uns eine offizielle Partnerschaft besiegelt. In Frankreich hat fast jede Weinstadt eine eigene Bruderschaft, was eine gewisse Zersiedelung mit sich bringt. Wir verstehen uns als ein Verband.

Eine der Gründungsideen war also, eine Vernetzung mit möglichst vielen europäischen Staaten zu erzielen. Wie viele Weinritter gibt es aktuell?

Wir legen mehr Wert auf die Qualität als auf die Anzahl der Köpfe. Insgesamt gibt es derzeit rund 5.000 Weinritter in 25 Staaten, etwa 1.500 davon in Österreich. Historisch gesehen ist ein Ritterorden ein Männerorden, aber wir haben dann 1995 die Charmanz der Franzosen übernommen und seither steht auch Frauen die Möglichkeit offen, die Hospita anzunehmen.

Wie viele Frauen sind mittlerweile in der Ritterschaft vertreten?

Rund 500 Frauen.

Um das konkret anzusprechen und klarzustellen: Die Weinritterschaft ist kein "Geheimbund" und ihr ist auch keine Nähe zu einer bestimmten politischen Gruppierung nachzusagen?

Nein. In unseren Statuten ist die Objektivität zu Konfessionen, Politik, Wirtschaft und sozialen Ständen als oberstes Prinzip verankert. Unter unseren vielen philosophischen Kernpunkten ist die Standesgleichheit ein wichtiger Aspekt, das heißt, jeder, der sich mit unseren Werten und Zielen identifizieren kann, ist unabhängig von seiner Profession, seinem Stand, seiner Religion und politischen Gesinnung in unserer Gemeinschaft willkommen. Ich denke, Standesgleichheit ist auch die Voraussetzung jeder Freundschaft. Eine Freundschaft kann nie von oben nach unten oder von unten nach oben erfolgen. Daher versuchen wir innerhalb der Weinritterschaft eine Begegnung auf Augenhöhe und mit hohem gegenseitigem Respekt.

Wappen und Insignien der Weinritterschaft . . . - © Robert Wimmer
Wappen und Insignien der Weinritterschaft . . . - © Robert Wimmer

Die Wertschätzung der christlichen Werte ist allerdings explizit in den Vereinsstatuten angeführt.

Da wir in einem christlichen Land leben, sind die christlichen Werte die sakrale Mitte des Weinritterordens, aber nicht die Taufe ist das Eintrittskriterium, sondern das Bekenntnis. Und das Bekenntnis zu dem christlichen Prinzip ist wieder nur ein Weg, um zum Wahren, Guten und Schönen zu gelangen. Von daher haben wir auch Menschen mosaischen oder anderen Glaubens in unseren Reihen.

Profan gefragt: Welchen persönlichen Nutzen hat man davon, ein ritterlicher Eidgenosse zu sein?

Diese Frage ist legitim, aber nicht ritterlich, zumal bei uns die ideellen Werte im Vordergrund stehen. Im Europäischen Weinritterorden finden sich Gleichgesinnte, die im Gedankenaustausch und in der Pflege der Freundschaft und Weinkultur wirken möchten. Jeder legt nach persönlicher Neigung und Möglichkeit seine Nähe oder Ferne zur Ordensmitte fest. Und das Genießen eines edlen Tropfens soll natürlich auch nicht zu kurz kommen.

Sehen Sie sich auch als Botschafter des österreichischen Weines?

Natürlich, wir verleugnen nicht unser Herkunftsland, aber in erster Linie sind wir Paneuropäer. Das ist ja der Unterschied zwischen Nationalismus und Patriotismus - wir sind Patrioten. Der Nationalismus grenzt ab im Sinne von: Nur meine Heimat, meine Nation ist gut, die anderen Länder sind weniger wert. Der Patriot sagt: Aus der Liebe zu meiner Heimat kommt die Anerkennung und Wertschätzung für alle übrigen Staaten.

Wo steht Ihrer Einschätzung nach der österreichische Wein im internationalen Vergleich?

Was unsere Winzer leisten, ist gigantisch. In einem anderen Land muss man vom besten Weißweinkeller zum besten Rotweinkeller 500 Kilometer fahren und von dort wieder 500 Kilometer zum besten Süßweinkeller - das findet man bei uns oft im Keller eines einzigen Weingutes. Unsere Winzer produzieren Spitzenprodukte.

Sie betreiben, wie Sie es nennen, "eigenversorglich" selbst auch ein Weingut. Was zeichnet für Sie als Winzer und Weinritter einen guten Wein aus?

Er muss drei Dinge erfüllen, und zwar: Er muss munden, wohlbekommen und damit zur Freude anstiften. Welcher Wein dem eigenen Körper guttut, kann jeder nur für sich selbst herausfinden.

Unter dem Motto: Versuch und Irrtum...

... empirische Wahrheit - denn, wenn ich das anmerken darf, die meisten Menschen sind "Etiketten-Trinker". Nur weil ein Wein in höchsten Tönen gepriesen wird, heißt das noch lange nicht, dass er für mich persönlich gut bekömmlich ist.

Wie geht man im Weinbau mit dem Thema Klimaerwärmung um? Im Vorjahr machte sich unter den Winzern die Sorge breit, dass durch die höheren Temperaturen die typische Stilistik des Grünen Veltliners gefährdet sei, weil die frische, anregende Säure immer schwieriger zu erreichen sei. Manche Winzer erwägen deswegen, auf hitzeresistente Rotweinsorten umzusteigen. Wie reagiert man beispielsweise im Burgenland auf diese sich ändernden Bedingungen?

Jede Region muss hier eine individuelle Antwort finden. Der Seewinkel hat andere Voraussetzungen als die Weinbaugebiete Leithaberg oder Rosalia bzw. das Blaufränkischland im Mittelburgenland oder Eisenberg DAC im Süden. Das kann man nicht verallgemeinern. Je nach den regionalen, klimatischen Voraussetzungen muss der Winzer feststellen, welche Sorte auf welchem Boden am besten gedeiht und gegebenenfalls entsprechende Adaptionen vornehmen. Tatsache ist, dass sich durch die Erderwärmung die Grenze für den Weinbau nach Norden verschiebt. Einer unserer Weinritter hat vor kurzem den ersten Weingarten in Helsinki eröffnet.

"Ein Wein muss drei Dinge erfüllen, und zwar: Er muss munden, wohlbekommen und damit zur Freude anstiften. Welcher Wein dem eigenen Körper guttut, kann jeder nur für sich selbst herausfinden." - Alfred R. Tombor Tintera. 
 
- © Robert Wimmer

"Ein Wein muss drei Dinge erfüllen, und zwar: Er muss munden, wohlbekommen und damit zur Freude anstiften. Welcher Wein dem eigenen Körper guttut, kann jeder nur für sich selbst herausfinden." - Alfred R. Tombor Tintera.

- © Robert Wimmer

Welche Rebsorte wird in Finnland angebaut?

Sicherlich eine früh reifende Sorte, damit genug Zeit für den Reifeprozess ist.

Kann man abschätzen, wie der heurige Jahrgang bei uns wird?

Allein, was die Menge betrifft, wird es in unserer Region ein großer Jahrgang. Die Weinblüte, die ja die Voraussetzung für das Gedeihen des Rebstockes ist, war heuer ideal.

Apropos Quantität, wie geht man in der Weinritterschaft mit dem Thema Alkoholismus bzw. übermäßigem Weinkonsum um?

Beim Weinkonsum hat jeder Mensch andere Kapazitäten. Jeder muss in Eigenverantwortung auf seine Gesundheit achten. Ich denke, das Wichtigste beim Trinken sind die Pausen. Wenn jemand alkoholabhängig oder alkoholkrank ist und Spiegeltrinker ist, ist das eine Katastrophe - geistig ebenso wie körperlich. Weingenuss ist eine große moralische Herausforderung und sozusagen auch das "Duell" eines Weinritters - er muss obsiegen, nicht der Wein. Natürlich gibt es manchmal auch Niederlagen ...

Weinritter verstehen sich auch als Friedensritter, was darf man sich darunter vorstellen?

Wein stiftet, wie eingangs gesagt, Freude und Freundschaft und damit ist gleichzeitig auch der Friede da. Wer miteinander trinkt, führt keinen Krieg gegeneinander.

Dazu passt die Legende rund um die Staatsvertragsunterzeichnung, wonach bei Verhandlungsgesprächen, die Leopold Figl und Julius Raab mit dem sowjetischen Außenminister Molotow geführt haben, angeblich Heurigenstimmung geherrscht habe.

Auch wenn diese Geschichte erfunden ist, ist sie gut erfunden. Weinritter sind jedenfalls immer auch Friedensritter, wir bringen Menschen aus ganz Europa, die etwas bewegen können und wollen, zusammen, wir pflegen ein internationales Freundschaftswerk, das auch durch die Stiftung des europäisch-ritterlichen Friedenspreises Gallus Pacis dokumentiert wird.

Weshalb das Symbol des Hahnes?

Der größte europäische Krieg war der 30-Jährige Krieg, die Opferzahlen waren immens, es gab Landstriche, die nahezu entvölkert waren. Der Westfälische Friedensschluss zu Münster und Osnabrück im Jahr 1648 wurde nicht nur unterschrieben und gesiegelt, sondern auch begossen mit edlem Wein aus einer Karaffe in Form eines goldenen Hahns - daher ist dies unser Symbol für den Frieden.