"Wiener Zeitung": Herr Eckel, weshalb haben Sie sich Thomas Mraz als seelenverwandten Gesprächspartner gewünscht?
Klaus Eckel: Ich habe 74 Seelenverwandte angeschrieben ...
Thomas Mraz: ... und alle anderen haben abgesagt.
Eckel: Nein, ernst gesprochen, ich glaube, dass wir einen sehr ähnlichen Zugang zur Welt haben. Wir haben beide diese zweifelnde, beobachtende Haltung und eine sehr ähnliche Humorfärbung. Männer kommunizieren ja ex-trem stark über den gemeinsamen Schmäh, der muss laufen. Uns verbindet auch, dass wir unseren Beruf, aber uns selbst nicht immer so ernst nehmen.
Mit anderen Worten, Sie können über sich selber lachen?
Mraz: Auf jeden Fall. Ich glaube in jeder Beziehung, auch in einer Arbeitsbeziehung, ist Humor sehr wichtig - und umso besser, wenn es darüber hinaus eine gemeinsame Humorebene gibt.
Humor ist bekanntlich etwas sehr Individuelles, jeder findet etwas anderes lustig.
Eckel: Eben, das ist, glaube ich, die Synchronisation bei uns, und einer der Gründe, warum unsere Zusammenarbeit so gut funktioniert. Als ich das Theaterstück "Après Ski - Ruhe da oben" schrieb, wusste ich genau, dass Thomas die ideale Besetzung für dieses Einpersonenstück ist, weil ihm mein Humor vertraut ist und er damit umzugehen weiß.


Mraz: Global beobachtet, gibt es die Tendenz, dass der Humor immer brachialer, schmutziger und ordinärer wird. Es gibt keine Tabus mehr. Und je mehr Tabus man bricht, desto besser scheint es um den Humor bestellt zu sein. So ist Klaus gar nicht. Sein Anspruch ist vielmehr, es muss lustig sein, Niveau haben und trotzdem berühren. Letztens haben wir darüber gesprochen, was für uns eine gute Komödie auszeichnet: Sie muss immer auch Tiefgang haben, damit sie berührt. Es soll kein billiger Lacher sein. Das vermeidet Klaus zur Gänze - und das ist etwas, das uns bei der Arbeit total verbindet.
War "Après Ski" die erste gemeinsame Zusammenarbeit?
Mraz: Ja, und eine große Herausforderung. Ein Einmannstück ist schon schwierig, aber wenn du dich darüber hinaus die ganze Zeit über nicht bewegen kannst, weil du auf einem Sessellift festsitzt, dann ist das ein ziemlicher Balanceakt, dass die Leute dranbleiben.
Wie ist das für einen Schauspieler, wenn man den Autor eines Stückes so gut kennt: Empfindet man das eher als Vorteil oder erhöht das den Druck?
Mraz: Druck wurde von Klaus keinesfalls ausgeübt.
Eckel: Da "Après Ski" produktionstechnisch nicht immer einfach war, saß ich viel in den Proben. Wir sind, wie schon gesagt, beide große Zweifler - und diese Zweifel spornen uns an. Hinzu kommt, dass wir beide keine Menschen sind, die viele Ausreden bei den anderen suchen, da sind wir ebenfalls ziemlich ähnlich gestrickt. Am schönsten ist es, wenn man gemeinsam einen Moment der Erkenntnis hat, egal, ob das ein kreativer Prozess ist oder ob man über etwas Gesellschaftspolitisches nachdenkt. Wir hatten schon oft solche Momente, zwischen uns gibt es ein Spiel der guten Ideen, das hypt sich dann nach oben, da jazzen wir uns richtig rauf - und das ist cool.

Thomas Mraz im Stück "Après Ski" 2015 im Wiener Stadtsaal.
- © www.thomas-mraz.atMraz: Das war auch bei diesem Theaterstück der Schlüssel, dass Klaus immer gesagt hat: Die beste Idee gewinnt letztlich. Das war Gold wert. Sowohl aus Autorensicht, aber auch für alle anderen Beteiligten. Es machte keinen Unterschied, ob ein Vorschlag vom Regieassistenten oder vom Beleuchter kam: Wenn ihn alle gut fanden, war er gleich viel wert, als ob diese Idee von Klaus gekommen wäre. Das war total befreiend und zugleich gegenseitig befruchtend.
Ihr jüngstes gemeinsames Projekt war das Verfassen des Drehbuchs zur ORF/BR-Komödie "Eigentlich sollten wir". Von wem stammt die Idee zu diesem Stück?
Eckel: Die Idee kam von mir. Ursprünglich wollte ich einen Roman schreiben zum Thema, wie Familien heute funktionieren, speziell über deren Überkonsum. Allein am Kinderspielzeug sieht man, was da oft falsch läuft. Egal, welche soziale Schicht: Die Kinder haben viel zu viel, die Kinderzimmer werden vollgeräumt mit irgendeinem Klumpert. Das ist ein interessantes Phänomen. Ich sehe es selber an mir: Man verwechselt oft Liebe und Zuneigung mit der Anzahl der Gegenstände, die man seinen Kindern schenkt. Das hat mich als Thema interessiert und dazu bewogen, eine Geschichte darüber zu schreiben, wie ein Familienvater gegen diese Situation ankämpft. Dann schickte ich Thomas die ersten 70 Seiten und er meinte: Das ist kein Buch, das ist ein Film. Ab diesem Zeitpunkt war er im Drehbuchschreiben involviert und wir verbrachten wirklich viel Zeit miteinander.
Mraz: Ungesund viel Zeit.
Eckel: Wir hatten alle Phasen miteinander: Liebe und Groll auf den anderen.
Mraz: In einer Schreibbeziehung ist es wie in einer echten Beziehung: Wenn man das gemeinsame Ziel immer noch vor Augen hat, dann hält es auch Unstimmigkeiten aus.
Was sind die jeweiligen Stärken im Prozess des gemeinsamen Schreibens?
Eckel: Von Vorteil ist, dass wir ziemlich genau den gleichen Tonfall haben. Ich glaube, man würde nicht erkennen, welche Szenen Thomas und welche ich geschrieben habe. Thomas ist vielleicht etwas genauer als ich, er stellt noch eine Frage mehr, die wahrscheinlich im Endeffekt richtig ist, wo mich die Trägheit vielleicht eine Spur zu früh übermannt hat.
Mraz: Eigentlich denke ich, dass ich eher der Faule bin ...
Eckel: Aber wenn du etwas nicht verstehst, bist du hartnäckiger als ich.
Mraz: Was für mich wirklich stark war in dieser Konstellation: Wenn du allein bist, dann drehst du dich oft mit deinen Gedanken im Kreis und kommst nicht weiter. Wenn ein zweites Hirn dabei ist, das ähnlich funktioniert und in die gleiche, aber nicht genau gleiche Richtung denkt, dann kommt plötzlich etwas total Überraschendes.
In dieser Komödie verkörpern Sie auch die Hauptrolle, den Pressefotografen Stefan Steindl. Wie ist das, wenn man sich seine eigene Rolle schreibt?
Mraz: Das war bis zum Schluss nicht ganz klar, erst als Harald Sicheritz mit der Regie betraut wurde, war das fix, dass ich die Hauptrolle spiele. Aber generell entwickelt man als Drehbuchautor zu allen Figuren einen Bezug. Letztlich war es auch überraschend, wie viele Szenen wir weggeworfen haben, die bereits geschrieben waren.

"Das ist wahrscheinlich das Hauptthema bei allen Kreativen, dass du 90 Prozent für den Papierkorb machst..."
- © Volker WeihboldEckel: Das ist wahrscheinlich das Hauptthema bei allen Kreativen, dass du 90 Prozent für den Papierkorb machst. Gerade in meinem Kabarettjob sehe ich, dass die Leute nur an der Essenz interessiert sind. Deshalb feilt man ewig lange herum, bis jeder einzelne Satz passt. Wenn ein Programm akribisch und liebevoll erarbeitet wird, ist das etwas, das die Leute dann auch wahrnehmen und spüren. Dafür muss man irrsinnig viel tun, um an dieses Extrakt zu gelangen. Das ist wahrscheinlich die Hauptmühsal. Schon große Maler haben erzählt, wie viele Bilder sie gemalt haben - und zwei haben es dann in die Ausstellung geschafft. Christoph Ransmayr meinte einmal, er schreibe einen Satz pro Tag: Wie viele hat er weggeschmissen, bis er diesen einen hatte?
Mraz: Dazu passend gibt es dieses Zitat, das Goethe zugeschrieben wird: "Ich schreibe dir einen langen Brief, weil ich für einen kurzen keine Zeit habe."
Eckel: Gerade in der Kunst geht es immer um Verdichtung. Das merke ich auch jetzt gerade bei den Leseproben für mein neues Programm. Was kommt gut an, wo sind Längen, wo muss man kürzen? Dieser Prozess ist bei mir wie bei einer Ziehharmonika. Zuerst ziehe ich das Programm auseinander, dann merkt man, es funktioniert einiges nicht, dann verdichte ich es, mache es viel kleiner, als ich eigentlich will. Dann ziehe ich es wieder langsam auseinander.
Am 5. Mai ist im Wiener Globe die Premiere Ihres neuen Programms, "Wer langsam spricht, dem glaubt man nicht". Ohne zu viel zu verraten: Worauf darf man sich freuen?
Eckel: In diesem Programm habe ich plötzlich eine Lesebrille auf - und diese Lesebrille zeigt mir, dass die Restlaufzeit, also dass das Leben danach, kürzer ist als jenes davor. In der ersten Halbzeit geht es um ein paar Selbstversuche, um das Leben zu nützen, und im zweiten Teil gehe ich in Psychotherapie, um mich für das gegenwärtige Leben fit zu machen.
Wird angesichts des Titels Ihr Sprechtempo noch schneller als sonst?
Eckel: Es gibt diesen Spruch: Zuerst denken, dann reden. Für mich ist das eigentlich falsch, weil ich immer wieder merke, dass sich Gedanken ordnen, währenddessen ich spreche. Deshalb unterhalte ich mich gerne mit Menschen. Ich glaube, dass die "Schallplatte", die im Hirn immer rennt, wenn sie still läuft, eine andere ist, als wenn ich diese Gedanken artikulieren muss. Dann kommen andere Gedanken dazu und du schenkst dir manchmal selber Sichtweisen, auf die du in der stillen Rotation deiner eigenen Platte nicht gekommen wärest. Das ist der Vorteil von kommunikativem Austausch, deswegen rede ich erstens schnell und denke manchmal vorher gar nicht nach, was ich sage.

"Durchs Reden kommen die Dinge zusammen..." (Thomas Mraz)
- © Peter JungwirthMraz: Durchs Reden kommen die Dinge zusammen.
Eckel: Wäre ein schöner Titel! Warum hast du das nicht früher gesagt?
Geben Sie sich gegenseitig Feedback zu Ihrem künstlerischen Schaffen?
Mraz: Ja, ehrliche Kritik ist etwas sehr Wichtiges.
Eckel: Wir wissen, was wir können. In der Komödie ist Thomas für mich eine Sternstunde. Zum ersten Mal sah ich ihn im Kabarett von Michael Niavarani. Nia ist ja einer mit funny bones. Er kommt auf die Bühne - und die Leute lieben ihn. Und dann kommt plötzlich Thomas, damals noch als no name, und spielt diese zwei Szenen als Möbelpacker und war dabei so witzig, dass Nia schauen musste, dass er dabeibleibt. Plötzlich lachten alle über Thomas!
Wie entstand damals diese Zusammenarbeit für das Kabarettprogramm "Encyclopaedia Niavaranica"?
Mraz: Michael hat mich angesprochen. Ich habe immer ein bisschen mit Kabarett geliebäugelt, es dann aber gelassen, weil mir das Feld zu groß ist. Im Schauspiel ist es oft so, wenn die Leute dem Anschein nach gegeneinander spielen, spielen sie eigentlich sehr stark miteinander. Das war bei Nia auch der Fall. Mein vermeintliches Auftrumpfen hat er befördert und zugelassen.
Was steht im Vordergrund, wenn man ein neues Kabarettprogramm schreibt? Ist zuerst eine bestimmte Gundthematik da oder wie bei manchen Schriftstellern der viel zitierte erste Satz?
Eckel:Wenn ich ein neues Programm schreibe, suche ich mir zehn Themen, die mich gesellschaftlich gerade interessieren. Meistens sind das ernste Themen. Ich lese auch sehr ernste Sachbücher, zuletzt etwa "Über die Unverfügbarkeit" des Soziologen Hartmut Rosa. Ein tolles Buch, völlig pointenfrei, aber hochintelligent. Aus der Unverfügbarkeit mache ich dann eine Sieben-Minuten-Nummer - und die Leute lachen. Der Reiz daran ist, wie bekomme ich ein interessantes, schwieriges Thema auf humoristische Gleise?
Sie bezeichnen sich selbst nicht als Kabarettisten, sondern als Humoranbieter. Warum?
Eckel: Man sagt mir nach, dass ich sehr pointenorientiert bin, weil ich noch immer die Meinung vertrete, dass es sich die Leute verdient haben, dass im Theater eineinhalb Stunden Eskapismus stattfindet. Natürlich möchte ich auch gesellschaftlich Relevantes sagen, aber ich habe kein Interesse, Leuten moralisch zu erzählen, was sie tun und denken sollen. Ich möchte keine schlechte Stimmung verbreiten, weil die haben sie ohnehin sofort, wenn sie aus dem Theater hinausgehen und die Schlagzeilen lesen. Gerade in der jetzigen Zeit finde ich mehr denn je, dass es unsere Hauptverantwortung ist, auf einem gewissen Niveau zu unterhalten. Daran scheitert man auch oft, aber ich will es zumindest versuchen.
Haben Sie das Gefühl, dass nach zwei Jahren Pandemie Unterhaltung oder Komödie gefragter ist als früher?
Mraz: Das könnte ich jetzt so nicht sagen. Ich habe immer das Gefühl, dass die Komödie das gesuchtere Fach ist, aber nicht wegen der Pandemie.
Eckel: Heutzutage will ja alles lustig sein, jede Werbung, jede Twittermeldung, jedes Posting, jede E-Mail. Humor hat eine epidemische Entwicklung genommen. Da frage ich mich manchmal in zweifelnden Momenten: Braucht es da überhaupt noch einen Kabarettisten?
Mraz: Früher hat man den Ersten-April-Scherz gemacht, um die Leute kurz zu schockieren und zu schrecken. Heute macht man das, um die Leute vom Schrecken abzulenken.
Eckel: Deswegen tue ich mir mit Filmen von Michael Haneke schwer. Er ist sicher ein toller Regisseur, aber ich habe mir drei seiner Filme angesehen, und alle haben mich in eine düstere Stimmung gebracht. An diese Welt möchte ich nicht glauben. Ich will dieses Weltbild nicht und lehne es mit den Jahren immer mehr ab. Ich denke, wir sollten den Leuten immer eine Möglichkeit geben, aus düsteren Stimmungen rauszukommen. Sting hat einmal gesagt, ein gutes Liebeslied ist: Ich liebe sie, sie liebt mich nicht, aber am Schluss muss trotz dieser nicht funktionierenden Liebe ein Funken Hoffnung sein. Das fand ich sehr klug. Deswegen finde ich nach wie vor, dass wir Hoffnung geben müssen - das widerspricht zwar sehr dem misanthropen Österreicher, der ich auch bin, aber umso mehr versuche ich, mich gegen diese Haltung zu stemmen.