Seelenverwandte: "Nein-Sagen ist eine große Kraft in Österreich"

Der Schauspieler Wolf Bachofner und die Radiomoderatorin Irene Suchy im Gespräch.

"Wir bezeichnen uns beide als C- bis D-Promis": Wolf Bachofner und Irene Suchy.

© Franz Svoboda

"Wiener Zeitung": Herr Bachofner, Sie haben sich für dieses Interview Ihre Lebensgefährtin, Irene Suchy, als Gesprächspartnerin gewünscht. Worin genau gründet Ihre Seelenverwandtschaft?

Wolf Bachofner: Allein schon darin, dass wir uns darin einig sind, keine Ahnung zu haben, was Seelenverwandtschaft ist, sie aber trotzdem empfinden. Außerdem finde ich, ist es das Naheliegendste - und ich frage mich, was sich eigentlich die Partner und Partnerinnen der anderen Interviewten in dieser Gesprächsreihe gedacht haben müssen, dass sie nicht auserkoren wurden? Bis auf Cornelius Obonya hat niemand seinen Ehepartner oder seine Lebensgefährtin als Gesprächspartnerin gewählt.

Das mag auch daran liegen, dass beide Personen einen gewissen Bekanntheitsgrad haben sollten, was bei Ihnen beiden ja der Fall ist.

Bachofner: Auch wenn Irene nur im Radio ist ...

Irene Suchy: ...das ist ein Scherz zwischen uns. Wir bezeichnen uns beide als C- bis D-Promis, insofern schwimmen wir auf einer Linie.

Bachofner:Der Vorteil unseres Kennenlernens war, dass Irene nicht gewusst hat, wer Wolf Bachofner ist, und ich nicht wusste, wer Dr. Irene Suchy ist. Wir sind beide entsprechend empört darüber gewesen.

Wann und wo haben Sie einander kennengelernt?

Suchy: Im September 2019 bei einem Gert-Jonke-Abend im Café Korb. Ich habe musikwissenschaftlich referiert und Wolf hat Texte gelesen.

Wolf Bachofner als Inspektor Franitschek in der TV-Serie "Schnell ermittelt" an der Seite von Ursula Strauss. 
- © ORF / Domenigg

Wolf Bachofner als Inspektor Franitschek in der TV-Serie "Schnell ermittelt" an der Seite von Ursula Strauss.

- © ORF / Domenigg

Sie hatten bis zu diesem Zeitpunkt nie "Kommissar Rex" oder "Schnell ermittelt" gesehen und kannten Wolf Bachofner also weder als Kriminalinspektor Höllerer noch als Chefinspektor Franitschek?

Suchy: Nein.

Bachofner: Zumindest hat sie mich nicht wahrgenommen. Andere hören zu Hause im Hintergrund Musik, bei ihr läuft oft der Fernseher, da wird sie mich vielleicht bei irgendeiner Wiederholung gesehen, aber eben nicht bewusst wahrgenommen haben.

Irene Suchys Stimme war Ihnen von Ö1 auch nicht vertraut?

Bachofner: Nein, es war eine Begegnung zwischen zwei Menschen, die nichts voneinander wussten, trotz dieser doch etwas exponierteren medialen Stellung.

Wurde nach diesem Abend im Internet recherchiert?

Bachofner: Natürlich, sofort!

Suchy: Du hast recherchiert.

Bachofner: Ich habe sozusagen die first steps gemacht.

Suchy: Unser erstes Date war dann am Wahlabend der vorgezogenen Nationalratswahlen 2019.

Bachofner: Was nicht ungeschickt ist, weil man auf jeden Fall ein Thema hat und auch gleich die politische Ausrichtung einordnen kann. Und da wir auch hier d’accord waren ...

Was gibt es noch für Gemeinsamkeiten?

Bachofner:Der Humor ist sicherlich eine ganz starke Schiene. Ansonsten gibt es bei uns gar nicht so viele Überschneidungen im klassischen Sinn, also beispielsweise was gemeinsame Hobbys anlangt. Irene geht gerne spazieren, ich gar nicht, sie geht Tango tanzen und ins Fitnessstudio, ich gar nicht. Im Winterurlaub muss sie mich mehr oder weniger mitschleifen - während sie Skilanglaufen geht, rutsche ich so ein bisschen neben der Loipe herum. Diese Kriterien, die oft wichtig sind in einer Beziehung, gelten für uns nicht, aber bei den elementaren Dingen gibt es eben diese Seelenverwandtschaft oder Gleichtaktung.

Irene Suchy und Wolf Bachofner im Gespräch mit Christine Dobretsberger. 
- © Franz Svoboda

Irene Suchy und Wolf Bachofner im Gespräch mit Christine Dobretsberger.

- © Franz Svoboda

Suchy: Wenn ich darüber nachdenke, was mir wirklich wichtig ist, ist das eine gewisse Haltung zum Leben. Ich will, dass es ein Leben gibt, das divers ist, wo jede Lebensform möglich ist, wo alle die gleichen Chancen haben, wo niemand unterdrückt wird. Das wäre die Idealvorstellung. Ich schätze es an Menschen, wenn sie aufgeschlossen sind, neugierig, wenn ich das Gefühl habe, sie denken darüber nach, wie sie auf Ereignisse und Veränderungen in der Welt reagieren könnten.

Und diese Eigenschaften finden Sie bei Herrn Bachofner?

Suchy: Wolf ist ausgesprochen neugierig, interessiert sich für die verschiedensten Dinge, denkt immer mit.

Bachofner: Ich interessiere mich nicht für alles, es sind schon größtenteils meine Bereiche. Schön finde ich, dass wir beide diese Leidenschaft für die Biennale teilen. Diese Vielfalt an internationalen modernen Ausdrucksformen komprimiert in diesen Ausstellungsräumlichkeiten in Venedig erleben zu dürfen, ist faszinierend.

Suchy: Du bist ein moderner, zeitgemäßer Mensch.

Bachofner: Neugier ist, wie gesagt, schon wesentlich, aber genauso wichtig finde ich es, möglichst unvoreingenommen auf Menschen oder Situationen zuzugehen. Das ist für mich einer der größten Gleichklänge zwischen uns. Wir sind beide in das Leben des anderen eingedrungen - und es gibt keine Berührungsängste. Ich gehe auf ihre Familie zu und werde dort aufgenommen und umgekehrt ebenfalls. Ich glaube, das funktioniert deshalb, weil wir eben beide versuchen, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind.

Suchy: Das passt auch zu deinem Motto auf Instagram ...

Bachofner: "Ich versuche, mein Leben lang ein Mensch zu werden." Ich finde, das würde genauso gut dir entsprechen.

- © Franz Svoboda
© Franz Svoboda

Suchy: Wir akzeptieren einfach, dass man 60 Jahre vorher auch schon ein Leben hatte. Bei mir gibt es einen verstorbenen Mann (Otto M. Zykan, Anm.), bei dir einen Sohn.

Bachofner: Mein Sohn lebt in Hannover bei seiner Mutter. Zu Weihnachten oder zu anderen Anlässen fahren wir gemeinsam zu ihnen und sind dort willkommen.

Suchy: Ich glaube, dass man in unserem Alter einfach schon ein wenig dazugelernt hat. Ich merke auch, dass ich mit dir wieder ein bisschen lerne, mir Zeit zu nehmen, nicht so durchs Leben zu rasen, das Tempo ein wenig hinunterzuschrauben. Auf der anderen Seite drängt es mich doch: es gibt noch so viel zu tun!

Bachofner: Sie möchte immer noch die Welt retten, was ich als Ansinnen sehr schön finde! Dazu die Anekdote: Als wir das erste Mal gemeinsam zwei Wochen nach Griechenland gefahren sind, haben ihre Freude und Familie erstaunt gefragt: "Wie hast du das geschafft, dass Irene zwei Wochen auf Urlaub fährt?"

Ohne Laptop?

Suchy: Schon mit Laptop.

Bachofner: Ohne Internet und Laptop geht gar nichts - aber bei wem ist das heute schon möglich?

Suchy: Ich war auch mit dem Otto fast nie auf Urlaub.

Liegt das an der Freude am Tun? Sie sind ja sehr vielseitig, sind Moderatorin bei Ö1, schreiben Bücher, kuratieren Ausstellungen, sind in der musikwissenschaftlichen Forschung tätig, verantworten den Nachlass von Otto M. Zykan ...

Suchy: Zykans Nachlass ist eine Riesen-Aufgabe, das von mir mitbegründete Ensemble REIHE Zykan + ist eine der schönen Nachwirkungen ... Generell fällt mir so viel ein und ich möchte, so lange ich kann, doch noch etwas weiterbringen, Dinge und Themen sichtbar machen, die meiner Ansicht nach zu wenig Aufmerksamkeit erhalten und diese Welt besser machen könnten. In meinen Radio-Sendungen ist meine Haltung, glaube ich, immer spürbar. Es geht mir darum, Punkte zu setzen, die wenigstens eine Zeitlang eine gute Auswirkung auf unsere (Musik-)Welt haben. In diesem Zusammenhang zitiere ich gerne Stéphane Hessel, der uns ja dazu aufgerufen hat: empört euch!

Worüber sind Sie empört?

"Was macht das Lebenswerk eines Menschen aus? Es ist nicht die Funktion, die er innehat, die ist irgendwann weg. Es ist etwas, das er begründet und veranlasst." 
- © Franz Svoboda

"Was macht das Lebenswerk eines Menschen aus? Es ist nicht die Funktion, die er innehat, die ist irgendwann weg. Es ist etwas, das er begründet und veranlasst."

- © Franz Svoboda

Suchy: Zum Beispiel darüber, wie wenige Menschen - die eigentlich in ihren einflussreichen Funktionen und großen Aktionsradien die Möglichkeiten dazu hätten - dazu bereit sind, eine Stiftung zu gründen oder irgendeinen Punkt in die Welt zu setzen, der eine positive Veränderung bewirkt. Es gibt genügend Menschen, die über die finanziellen Mittel verfügen würden und sich damit eine herrliche Reputation schaffen könnten. Aber das hat in Österreich leider kaum eine Tradition. Deshalb heißt unser Verein auch ganz bewusst maezenatentum.at. Ich scheue auch nicht zurück, die Leute damit zu konfrontieren. Was macht das Lebenswerk eines Menschen aus? Es ist nicht die Funktion, die er innehat, die ist irgendwann weg. Es ist etwas, das er begründet und veranlasst.

Der kritische Blick auf die Welt spiegelt sich auch in dem Motto, das auf Ihrer Website zu lesen ist: "Ich merke (mir) immer das, was ich (mir) nicht merken soll."

Suchy: Genau darum geht es meiner Ansicht nach! Was sollen wir Journalistinnen auch anderes tun? Ich bin kein PR-Unternehmen, ich schaue auf das, worauf die anderen nicht schauen. So ist es beispielsweise immer noch ein Riesenunterschied, ob man in Österreich ein Mann oder eine Frau ist. Natürlich hat sich seit den 1970er Jahren und vor allem seit der Familienrechtsreform unter Kreisky alles langsam zum Besseren verändert. Trotzdem sind auch heute die Chancen von Frauen und Männern nicht gleich. Aus diesem Geist heraus lebe und arbeite ich jeden Tag. Und du hältst das aus. Wir haben zuvor über unseren Gleichklang gesprochen, aber das zeichnet dich besonders aus.

Bachofner: Das fällt bei mir auf fruchtbaren Boden. Ich sage ganz simpel: Wenn man ein Menschenfreund ist, muss man auch ein Frauenfreund sein.

Suchy: Natürlich gibt es auch Bereiche, in denen sich ein positiver Trend abzeichnet. Ich bin froh, dass ich die NS-Aufarbeitung erlebe und auch mit meinem Strasshof-Projekt daran mitarbeiten durfte. Dass es hier Gelder und Fonds gibt und einen Konsens in Österreich, dass dieses Thema aufgearbeitet gehört. Ich bin auch froh über den Sprachwandel, dass wir es mittlerweile doch ganz gut geschafft haben, eine realitätsgerechte Sprache zu haben. Ich sage nicht gern gendergerecht, sondern realitätsgerecht, weil via Sprache ja möglichst genau zum Ausdruck gebracht werden soll, was ich mitteilen möchte.

Bachofner: Die Ablehnung und Querschüsse, die es diesbezüglich immer wieder gibt, haben meiner Meinung vorrangig zum Ziel, Aufmerksamkeit zu schaffen.

Suchy: Das Nein-Sagen ist eine große Kraft in Österreich. Eine der erfolgreichsten Volksabstimmungen war diejenige gegen das Konferenzzentrum. Es ist auch bemerkenswert, wie schnell kleine Kinder Nein sagen - das haben sie von uns!

Jetzt zu einem ganz anderen Thema - zur Musik, die ja für Sie beide eine wichtige Rolle im Leben spielt.

"Man kann mich mitten in der Nacht aufwecken, mir ein Stichwort vom ,G’schupften Ferdl‘ geben und der ganze Text spult sich wie von alleine ab." 
- © Franz Svoboda

"Man kann mich mitten in der Nacht aufwecken, mir ein Stichwort vom ,G’schupften Ferdl‘ geben und der ganze Text spult sich wie von alleine ab."

- © Franz Svoboda

Bachofner: Da bin ich sehr glücklich über meine Eltern, die mir die Musikwelt quasi zu Füßen gelegt haben. Mein Vater liebte Opern, war aber für alle anderen Musikstile ebenfalls aufgeschlossen. Meine Eltern groovten zu Beatles und Rolling Stones. Eines Tages brachten sie das Album "Pictures at an Exhibition" von Emerson, Lake and Palmer nach Hause, was eine spannende Verbindung zur Klassik herstellte.

Neben Ihrem Wirken als Film- und Theaterschauspieler treten Sie immer wieder auch musikalisch in Erscheinung, u.a. als Interpret von Liedern von Georg Kreisler und Gerhard Bronner.

Bachofner: Mit diesen Kabarettplatten bin ich aufgewachsen. Man kann mich mitten in der Nacht aufwecken, mir ein Stichwort vom "G’schupften Ferdl" geben und der ganze Text spult sich wie von alleine ab.

In Ihrem neuesten musikalischen Projekt, "Kawwawöaschns", interpretieren Sie internationale Welthits auf Wienerisch. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Bachofner: Die Idee entstand über die Wittenbrink-Liederabende. Ich war damals gerade am Schauspielhaus Hamburg engagiert, Franz Wittenbrink war dort musikalischer Leiter. An einem dieser Liederabende hatte Wittenbrink für mich den Song "When a Man Loves a Woman" ausgewählt. Franz meinte, es wäre eigentlich lustig, wenn ich diesen Song auf Wienerisch sänge. Also schrieb ich den Text um, das war im Grunde der Ursprung für "Kawwawöaschns".

Sprechen wir abschließend noch ein Thema an, für das Sie, Frau Suchy, sich besonders einsetzen: das Sichtbarmachen von Komponistinnen. Warum haben es Komponistinnen besonders schwer, in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden?

Suchy:Musik ist diejenige Branche, die am stärksten männlich besetzt und verwaltet ist. Elfriede Jelinek hat das Komponieren aufgegeben - als Schriftstellerin war es im Nachkriegs-Österreich für sie ein bisschen leichter. Ich sage das völlig wertfrei: Konzerthaus, Musikverein, Staatsoper - alle wichtigen Positionen haben Männer inne. An den Universitäten ändert sich langsam etwas, aber nur deshalb, weil es in den Rektoraten wie von der EU gefordert eine Quotenregelung gibt. Für diese Systemveränderungen bin ich der EU dankbar. Trotzdem kann von einer Ausgewogenheit keine Rede sein und gerade in diesem Kontext fallen oft Sätze, die ich nicht akzeptieren kann, wie "es könnte viel schlimmer sein" oder "es ist doch schon viel besser". Beide Sätze machen mich wütend - auch wenn sie manchmal vielleicht stimmen oder nett gemeint sein mögen, aber ich lasse sie nicht gelten.

Geben Sie sich gegenseitig Feedback auf Ihr berufliches Schaffen?

Suchy: Ja, das finde ich wichtig.

Bachofner: Wir sind auch dabei sehr ehrlich miteinander und (relativ) streng.

Weitere Folgen aus der Reihe "Seelenverwandte":

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