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Rithy Panh: "Ich glaube an die Banalität des Guten"

Von Verena Mayer

Reflexionen

Der kambodschanische Filmemacher und Autor Rithy Panh berichtet über seine Kindheit unter den Roten Khmer: Seine Eltern starben, er hat überlebt, der Genozid in Kambodscha wurde sein Lebensthema. Im Gespräch denkt er über Formen der Traumabewältigung nach und berichtet über seine Begegnung mit dem Khmer "Duch", dem Leiter des berüchtigten Gefängnisses "S 21".


Wiener Zeitung:In Ihren Filmen widmen Sie sich den Verbrechen der Roten Khmer. Das einzige Werk, das man jedoch mit dem Thema verbindet, ist der alte Antikriegsfilm "The Killing Fields". Frustriert Sie das?

"Es braucht Künstler, die sich etwas überlegen, ein pädagogisches Konzept, Orte der Besinnung. Derzeit sieht man nur Gefängniszellen, Dokumente, Totenschädel." Rithy Panh
© Foto: Dung Vo Trung/politika/Corbis

Rithy Panh: Nein. "Killing Fields" ist kein schlechter Film. Es war sein Verdienst, ein internationales Publikum mit unserer Geschichte vertraut gemacht zu haben. Die Wahrheit ist, niemand will ins Kino gehen und für 15 Euro einen Film über einen Genozid sehen.

Über den Vietnam-Krieg gibt es Hunderte Filme.

Die meisten kommen aus Amerika und handeln von Amerikanern, die die Mutigen und Guten sind, auch wenn sie den Krieg verlieren. Die Leute wollen Rambo, der die Vietcong bombardiert. Als ich vor 25 Jahren meine ersten Filme machte, hörte ich: Warum alte Geschichten von den Roten Khmer aufwärmen, man kann doch etwas anderes erzählen.

Sie waren elf, als Pol Pot die Macht ergriff. Haben Sie gemerkt, dass etwas Furchtbares im Gange war?

Mein Vater beklagte sich, dass die Schule geschlossen wurde. Er war Lehrer und Bildungspolitiker und stellte sich Fragen über die Absichten der Roten Khmer. Irgendwann kamen die schwarzen Kleider, die wir anziehen, die kollektiven Kantinen, in denen wir essen mussten. Kinder wurden von ihren Eltern getrennt, Frauen von den Männern, das Leben wurde in militärischen Einheiten organisiert. Aber man glaubte, das sei nur vorübergehend. Mein Vater rechnete damit, kurz in ein Umerziehungslager zu kommen, und alles wäre wie vorher. Dass die Jungen ihr Schuljahr nicht beenden konnten, fand er am schlimmsten.

Das erinnert an den jüdischen Wissenschafter Victor Klemperer, der in seinen Tagebüchern beschrieb, wie er und viele andere die Bedrohung 1933 ausblendeten.

In Kambodscha gab es wie überall Gewalt, aber es gab viel Frieden. Kambodscha war ein Paradies mit Problemen. Als die Khmer Rouge am 17. April 1975 in Phnom Penh einmarschierten, haben sie wegen der Frustration der Armen gewonnen. Sie waren über Jahrhunderte ausgebeutet, amerikanische Bomben fielen ihnen auf den Kopf. Es war ein Leichtes, ihnen eine Revolution einzureden. Und dass die Leute aus der Stadt, die Intellektuellen, ihre Feinde seien und sterben müssen.

Ihre Brille liegt auf dem Tisch. Damals wäre sie Ihr Todesurteil gewesen.

Mein Vater hat seine Brille aus Angst versteckt, genau wie seine Krawatten. Er war ein hoher Funktionär im Bildungsministerium, trug immer Anzug und Krawatte. Eines Tages hat er seine Krawatten im Wald vergraben, und damit sein Leben. Die Roten Khmer dachten, Brillenträger sind Intellektuelle, also muss man sie ausrotten. Dabei haben die Roten Khmer selbst Brillen getragen. Man sieht das auf Archivbildern und denkt, warum ist das bei uns ein Verbrechen und bei denen nicht?

Die absurde Logik des Terrors.

Wie können Brillen etwas über Klassen aussagen? Auch Arme können schlecht sehen. Man trägt ja nicht eine Brille und spricht automatisch zehn Sprachen. Man ist nicht reich, wenn man einen Kugelschreiber dabei hat. Der Kugelschreiber war übrigens ein Zeichen der Roten Khmer. Alle hatten ein, zwei, drei Stifte in ihrer Brusttasche, selbst Pol Pot. Je mehr man hatte, desto höher stand man. Hätten wir hingegen einen Kugelschreiber gehabt, hätte es geheißen: Das sind Intellektuelle, die schreiben können. Man versteht es nicht.

Wenn man nach Kambodscha fährt, fällt einem auf, wie schön das Land ist, wie beeindruckend die Kultur, die Tempel von Angkor.

Und die Leute sind so nett, friedlich und hilfsbereit. Es erscheint einem fremd, dass dieses Volk zu einem Massaker fähig war. Aber ich habe keine Lust, alles zu verstehen. Man muss sagen, dass diese Dinge passiert sind und wie.

Wir sitzen in Hamburg, beim Ihrem Verlag, in dem Ihre Autobiographie "Auslöschung" erschienen ist. Wie ist es für Sie, in Deutschland zu sein?

Ich habe mich immer für Deutschland interessiert, es sind zwei Länder mit Tragödien. Ich war in Nürnberg, das hat mich berührt, ich kannte ja all die Bilder der Aufmärsche der Nationalsozialisten und die Filme von den Nürnberger Prozessen. Ich war beim Holocaust-Mahnmal in Berlin, das ich sehr gelungen finde in seiner Klarheit und der Präsenz, die es in der Stadt einnimmt.

Fehlt ein solches Mahnmal in Kambodscha?

Das Problem ist, wie konserviert man Erinnerung? Mit einem Museum, einem Mahnmal? Ich mag Museen nicht, wo man Tickets kaufen muss, wie im ehemaligen Foltergefängnis S-21 in Phnom Penh. Choeung Ek, eines der so genannten Killing Fields, auf denen die Menschen zu Tausenden erschlagen wurden, ist etwas besser aufbereitet. Es braucht Künstler, die sich etwas überlegen, ein pädagogisches Konzept, Orte der Besinnung. Derzeit sieht man nur Gefängniszellen, Dokumente, Totenschädel. Die Touristen rennen durch, sagen: Oh, was für ein Horror, und dann trinken sie ein Bier und fahren zum Fluss.

Chum Manh, einer von sieben Überlebenden von S-21 kommt jeden Tag an den Ort, an dem er ermordet hätte werden sollen. Weil er sonst nichts hat.

Niemand kümmert sich in Kambodscha um die Opfer, alle kümmern sich um die Henker. Ich sage immer: Ihr gebt so viel Geld für das Rote-Khmer-Tribunal aus, gebt diesem Mann doch ein kleines Stipendium, damit er seine Geschichte aufschreibt, mit Schulklassen redet und mit den Guides, die nur Quatsch erzählen. Aber niemand tut etwas. Es gab noch einen weiteren Überlebenden, einen Maler. Er war krank und hätte eine Dialyse gebraucht. Aber sie war teuer, niemand hat sie bezahlt, und so ist er gestorben.

"Ich war ein Kind, so konnte ich die Welt auf mich nehmen", schreiben Sie in "Auslöschung". Wie sind Sie aufgewachsen?

In einer großen Familie, mit vielen Festen. Cousins kamen vom Land, brachten Früchte und Gemüse. Meine Tanten kochten, meine Mutter pflanzte Minze und Blumen, im Garten hatten wir Hühner und Enten. Ich habe die Eier geholt, mit den Großeltern über dem Feuer gekocht. Es war eine Kindheit voller Düfte, Gewürze und Feiern.

Sie kommen aus einem bildungsbürgerlichen Elternhaus.

Wir waren neun Kinder und mussten viel lernen, meine Eltern waren sehr streng. Meine Großeltern waren Bauern, sie hatten nur so viel Geld, dass ein Sohn in die Schule gehen konnte, ausgesucht wurde mein Vater. Als er im Bildungsministerium war, reiste er viel, studierte das Bildungssystem in Amerika, Russland, Ägypten oder Frankreich. Er sprach zu Hause Französisch, über Poesie und Politik. Kambodscha hat keine Demokratie, keine Justiz, sagte er, aber wir müssen dafür sorgen, dass alle Bildung erhalten.

Wie war das, als Sie wie alle Städter von Phnom Penh aufs Land getrieben wurden?

Stellen Sie sich vor, Sie müssten die Stadt morgen verlassen, und es gäbe nichts mehr, kein Telefon, keine Infrastruktur, keine Schule, im Radio nur mehr Propaganda und Siegesparolen. Aber man passt sich schnell an, die Leute wollen leben. Nach sieben, acht Monaten gab es nichts mehr zu hoffen. Man wusste, man hat wenig Zeit, es zählte das nackte Überleben.

Sie beschreiben, wie die Polizei auf der Suche nach Verrätern eines Tages Ihre Familie durchsuchte. Im Tagebuch Ihrer Schwester steckte eine Visitenkarte Ihres Vaters, die ihn als Intellektuellen auswies.

Es ist schwer für sie, damit zu leben, aber es war nicht ihre Schuld. Sie haben meinen Vater nicht sofort exekutiert, weil sie annahmen, dass er hohe Rote Khmer kannte, viele von denen waren ja Lehrer und Professoren. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn mitnehmen und töten würden. Ich habe bei meinen Recherchen erpresste Geständnisse gefunden, in denen Funktionäre, die aus dem Ausland kamen und verhaftet wurden, von ihm sprachen.

Wie starb Ihr Vater?

Er hat eines Tages aufgehört zu essen. Er fand, dass die Nahrung, die man uns gab, nicht für Menschen ist, also hat er sie nicht mehr gegessen. Er hat bis zuletzt Französisch gesprochen, das war seine Form der Provokation. Als mein Vater sich bewusst wurde, dass die Roten Khmer alles zerstören, die Familie, das Leben, die Gesellschaft, ist er durch einen Prozess des Widerstandes gegangen. Am Ende hatte er keine Angst mehr.

Waren Sie stolz auf ihn?

Nein, ich war wütend. Er sollte essen, ich wollte, dass er lebt. Erst Jahre später habe ich ihn verstanden. Ich bin nicht stolz, ich hätte lieber einen lebenden Vater. Aber ich bewundere seinen Mut. Er hat mir viel Kraft gegeben, mich dazu gebracht, mich für andere zu interessieren. Er ist ein Modell der Menschlichkeit.

Was wurde aus Ihrer Familie?

Meine Mutter starb im Arbeitslager, meine Brüder und Schwestern machen Unterschiedliches. Einige sind in Frankreich und Deutschland, sie leben, sie arbeiten, aber es geht ihnen nicht sehr gut.

Ihre Geschwister mussten Zwangsarbeit leisten, Sie selbst als Kind Leichen in ein Massengrab werfen. Reden Sie über dieses Trauma?

Wir sprechen nicht darüber. Man muss respektieren, ob jemand reden will oder nicht. Es gibt 1,7 Millionen Tote und noch mehr zerstörte Leben. Das sind sehr viele Formen der Traurigkeit, und jedes Leid erfordert eine eigene Therapie. Wie wollen Sie jemandem garantieren, dass es ihm besser geht, wenn er redet?

Besteht nicht die Gefahr, dass die Geschichte der Opfer totgeschwiegen wird?

Ich mische mich nicht ein, wie eine Familie das handhabt, nicht einmal bei meiner eigenen. Wie können Eltern einem Kind erklären, warum es Insekten, Rinderhaut, Blätter essen musste? Warum es das Leben eines Höllentieres führte? Der Terror, die Exekutionen, dieser Prozess, der alle Revolte erstickt - das ist eine Form von Entmenschlichung.

Es ist schwer für Überlebende zu reden, weil sie bis zu einem gewissen Grad keine Menschen mehr waren. Eine Familie muss die Seele zur Ruhe bringen, ihre Würde wiederfinden. Es gab eine Kultur vor den Roten Khmer, die man aufnehmen kann. Man kann wieder kochen, Filme machen, seine Kinder zur Schule schicken. Es ist wichtig, dass nach einem Genozid der Geschmack des Lebens wiederkehrt.

Sie selbst suchten, als Sie in Paris lebten, einen Psychiater auf. Konnte er Ihnen helfen?

Ich litt an Schlaflosigkeit und Panikattacken. Der Arzt war bei mir um die Ecke, ein Psychoanalytiker. Es stellte sich heraus, dass er Jude war und seine Eltern im KZ ermordet worden waren. Er war sehr sensibel. Er sagte, das wird nie mehr normal, aber man muss das Leben fortsetzen.

"Das Land wurde zu einem einzigen riesigen Arbeitslager", schreiben Sie über Kambodscha unter den Roten Khmer. Wie überlebt man?

Ich glaube an die Banalität des Guten. Ich war nicht am Leben, weil ich so tapfer und gut war. Sondern weil es tapfere und gute Leute gab, die andere retteten. Der Mann, der meinem Vater sagte, er solle seine Krawatten verstecken. Der Funktionär, der im Krankenhaus, wo ich arbeiten musste, sagte: Hör auf, die Medikamentenpackungen zu lesen, sonst wirst du denunziert. Er wurde später exekutiert. Und da war meine Mutter, die immer sagte: "Geh weiter!" Und weitergehen heißt, sich aufrecht zu halten, den Horizont im Auge zu behalten. Ohne diesen Satz "Geh weiter!" wäre ich nicht mehr am Leben.

Der Soziologe Harald Welzer schreibt in seiner Studie "Täter", es habe in Kambodscha ein "System einer totalen Gewaltherrschaft" gegeben, "deren Vollstrecker systematisch zum Töten erzogen wurden".

"Es gibt 1,7 Millionen Tote und noch mehr zerstörte Leben. Das sind sehr viele Formen der Traurigkeit, und jedes Leid erfordert eine eigene Therapie." Rithy Panh
© Foto: Eric Fougère/VIP Images/Corbis

Damals unterschied man zwischen dem alten Volk, dem mit der glorreichen Vergangenheit, und dem neuen Volk, den Leuten aus der Stadt, den Intellektuellen. Es gab eine neue Kategorie von Mensch, nicht mehr Mann, Frau, Kind, sondern neu und alt. Es wurde genau gewählt, wer töten darf und wer getötet wird.

Einmal haben Sie und andere Jungen einem Soldaten mit einer Machete aufgelauert. Aber Sie griffen ihn nicht an. "Nicht jeder kann töten", schreiben Sie.

Der Mann hatte Dorfbewohner umgebracht, aber ich war nicht in der Lage, ihn zu töten. Selbst ein Henker braucht Gesetze und Vorschriften, um jemandem das Leben zu nehmen. Das ist vielleicht wieder die Banalität des Guten. Aber ich kann nicht sagen, was passiert wäre, wenn die Roten Khmer zwei Jahre länger an der Macht geblieben wären. Vielleicht hätten sie mich rekrutiert.

Wie sieht das Leben eines Jungen im heutigen Kambodscha aus?

Das hängt davon ab, ob er auf dem Land oder in der Stadt lebt. Wenn seine Eltern reich sind, hat er alles, er kann studieren, reisen. Wenn man auf dem Land lebt, hat man das alles nicht, es gibt keine Bibliotheken, kein Internet. Kambodscha ist das Land der Jugend, 70 Prozent sind jung. Wir müssen dafür sorgen, dass sie Bildung erhalten, sich für unsere Kultur interessieren. Wir sind ein altes Kulturland, und eine Kultur kann eine Industrie hervorbringen.

Interessiert sich ein durchschnittlicher Jugendlicher eigentlich für die Vergangenheit?

Inzwischen ja. Viele kommen in das "Audio Visual Ressource Center", wo ich Filme, Fotos und Tondokumente sammle. Sie schauen Dokus über Pol Pot, und eines Tages werden sie ihren Eltern Fragen stellen. Wo sind meine Großeltern? Warum wurden sie ermordet? Wer waren die Roten Khmer? Man kann nicht alles erklären, aber man kann einen Teil der Geschichte zugänglich machen.

Sie konnten vor den Roten Khmer erst nach Thailand fliehen, später nach Paris.

Ich bin nicht nach Thailand geflohen, sondern gegangen. Flucht hieße ja: Man kommt nicht mehr zurück. Ich bin freiwillig gegangen, ich wollte meine Familie treffen, eine Zeit lang weg sein, durchatmen.

Seit 1990 leben Sie wieder in Phnom Penh. Wie war es, zurückzukommen?

Ich schaffe es, weil ich mich dafür entschieden habe. Es ist kein Fest, ich komme ja nicht mit einer olympischen Medaille in meine Heimat zurück, sondern mit einer schwierigen Geschichte. Ich bin dort, weil ich nützlich sein kann. Weil ich dazu beitragen will, die Erinnerung an die Toten zu bewahren.

Ihr neuer Film "The Missing Picture", in dem Sie anhand von Tonfiguren und Archivbildern Ihre Kindheit rekonstruieren, wurde in Cannes geehrt. Wie kamen Sie zum Film?

Ich habe eine Form gesucht, die es mir erlaubt, zu arbeiten. Ich hätte auch Arzt werden können, habe mich aber mit zwanzig für die Kunst entschieden. Ich habe erst gemalt, dann habe ich gemerkt, dass Malen teuer ist, die Farbe, das Atelier. Ich hatte kein Geld und habe keine Technik gefunden. Eines Tages borgte mir dann ein Freund seine Kamera, und voilà.

Für Ihren Film "S-21 - Die Todesmaschine der Roten Khmer" haben Sie dessen Leiter Kaing Guev Eav, genannt "Duch", im Gefängnis interviewt. Wie haben Sie ihn erlebt?

Er ist ein Mann, der denkt, liest, schreiben kann, mehrere Sprachen spricht. Ein Mensch, kein Monster. Das war schwer. Wäre er ein Monster, wäre es einfacher gewesen. Er versuchte ständig, sich mit mir zu verbrüdern, sagte, ich wäre ein guter Chef von S-21 gewesen. Seine Botschaft war klar: Du bist wie ich, du hättest an meiner Stelle sein können. Ich entgegnete: Das hast du gewählt, nicht ich. Im Leben entscheidet man sich für Dinge. Manchmal ist es eine leichte Entscheidung, manchmal kostet eine Entscheidung das Leben, wie bei meinem Vater.

Sie beschreiben Duch als Bürokraten, der Listen der Gefolterten führte, den Folterern ein penibles Regelwerk auferlegte. Verkörpert er die Banalität des Bösen?

Wenn das Böse banal, also in uns allen ist, bin ich dann wie er? War Duch dann ein Opfer? Nein, mein Vater war ein Opfer. Es gab Leute, die ermordet wurden, weil sie Widerstand leisteten und versuchten, ihre Würde zu behalten. Das will ich für die nachfolgenden Generation festhalten.

Verena Mayer, geboren in Wien, arbeitet als Journalistin und Autorin und lebt nach einigen Jahren in Zürich nun wieder in Berlin.

Zur Person
Rithy Panh wurde 1964 in Phnom Penh geboren, als jüngstes von insgesamt neun Kindern. Sein Vater war Lehrer und Beamter im kambodschanischen Bildungsministerium. 1975 eroberten die Roten Khmer Phnom Penh und errangen damit die Macht über Kambodscha. Die Roten Khmer verwirklichten die radikale Vorstellung ihres "Bruders Nummer 1", Pol Pot, vom kommunistisch-primitivistischen Bauernstaat. Intellektuelle galten als überflüssig und unerwünscht, selbst Brillenträger waren gefährdet. In den folgenden vier Jahren wurden vor allem der gebildete Teil der Bevölkerung und die Regimekritiker von den Roten Khmer ermordet.
Auch die Familie Rithy Panhs wurde interniert, seine Eltern überlebten die Zeit im Lager nicht. Ihm selbst gelang 1979 die Flucht, er ging zunächst nach Thailand, dann nach Frankreich. Ab 1985 besuchte er die Filmschule IDHEC in Paris. Heute lebt Rithy Panh in Kambodscha und Paris.
Rithy Panh hat die traumatische Vergangenheit seines Heimatlands in zahlreichen Dokumentarfilmen und Büchern behandelt, u.a.: "S-21 - Die Todesmaschine der Roten Khmer"(2003) und "Der Fang" (2011). 2013 wurde sein Dokumentarfilm "L’Image manquante" ("The Missing Picture") auf den Filmfestspielen von Cannes mit dem Hauptpreis der Sektion "Un Certain Regard" ausgezeichnet. Heuer ist auch seine Autobiographie "Auslöschung. Ein Überlebender der Roten Khmer berichtet" im Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, erschienen.