
Und trotzdem gehen Sie nach wie vor enthusiastisch an Ihre Arbeit heran. Woher schöpfen Sie Ihre Energie?
Von meinen Mädchen. Jeden Tag gibt es in diesem Gebäudekomplex neue Mädchen, neue Geschichten, neue Dimensionen. Wie sie geschmuggelt werden, wie sie benutzt werden, wie sie gezwungen werden. Ihr Schmerz und ihr Leid lassen mich immer weitermachen. Jeden Tag würde ich am liebsten sterben, aber dann sage ich mir immer: "Du darfst nicht sterben, es gibt noch zu viel zu tun. . ."
Haben Sie ein Idol?
Natürlich meine Eltern und meinen Großvater. Vor allem aber Mutter Teresa. Von ihr habe ich gelernt, dass man selbstlos arbeitet und nichts dafür als Gegenleistung erwartet. Das ist meine Lebensphilosophie.
Wenn es etwas in Ihrem Leben gäbe, das Sie ändern könnten, was wäre es?
Ich wünschte, ich könnte Maiti Nepal schließen. Das würde bedeuten, dass es keinen Menschenhandel mehr gibt.
Ist Prävention Teil Ihrer Arbeit, beispielsweise durch Bildungsprogramme?
Innerhalb von Maiti Nepal, hier in Kathmandu, haben wir unsere eigene Schule, wo wir die Kinder unterrichten. Wir machen Workshops und Trainingcenters, sowie Spezialklassen für sexuell missbrauchte Mädchen. In den Dörfern gibt es Präventionshäuser, wo wir Seminare und Trainings anbieten. Außerdem veranstalten wir mehrmals pro Jahr Sensibilisierungskampagnen. Dabei ziehen wir mit unseren Mädchen von Dorf zu Dorf, reden über Menschenhandel, veranstalten Theater und singen Präventionslieder.
Erhalten Sie Unterstützung von der nepalesischen Regierung?
Wir bekommen keine Unterstützung, aber das bedeutet nicht, dass sie gegen uns und unsere Anliegen sind. Sie reden darüber, unterzeichnen Verpflichtungen.
Wie kann man sich eine Bordell-Razzia vorstellen?
Wir arbeiten gemeinsam mit der Polizei und haben dort nach jahrelangem Vertrauen anständige Kollegen gefunden. So eine Razzia passiert in Etappen nach mehreren Nachforschungen unsererseits. Wenn es dann zur Razzia kommt, reagieren die Bordellbetreiber zumeist sehr aggressiv und verstecken die Mädchen. Aber wir finden sie. Leider können wir nicht immer alle Mädchen überzeugen, mit uns mitzukommen. Viele fürchten sich vor diesem Schritt. Oftmals haben es die befreiten Mädchen nachher sehr schwer, in die Gesellschaft reintegriert zu werden, und werden sogar von ihren eigenen Familien verstoßen. Aber sie können reintegriert werden. Viele unserer Mädchen arbeiten heute in der Tourismusbranche, in Gästehäusern, in Bäckereien, in Tischlereien überall in Nepal. Manche produzieren Schmuck und Taschen, die an Touristen verkauft werden. Wir geben ihnen eine Ausbildung und Unterricht, und wenn sie bereit sind, helfen wir ihnen, eine Arbeit zu finden.
Sie haben viele Preise erhalten, zuletzt auch den Mutter-Teresa-Lebenswerk-Preis. Was bedeuten diese Auszeichnungen für Sie?
Das bedeutet mir nichts und erfüllt mich auch nicht mit Stolz, wenngleich ich mich über den Mutter-Teresa-Preis gefreut habe. Ich brauche keine Auszeichnungen mehr. Sie erinnern mich lediglich daran, dass das Grundproblem nach wie vor da ist und ich weiter kämpfen muss.