Wie bitte?

Ja, da reden wir von der Gleichmacherei. Wir leben ja immer mehr in einer Gleichmachergesellschaft. Wieso wird dem Lehrer nicht zugetraut, dass er nach vier oder noch mehr Jahren, die er mit seinen Schülern verbringt, am besten weiß, wie er sie prüfen soll? Nein, wir nehmen ihm die Verantwortung ab und delegieren sie an irgendeine Kommission. Oder nehmen Sie die Allergieverordnung: Wieso muss ich als Gastwirt kennzeichnen, welche Allergene in welchen Speisen enthalten sind? In einer Gesellschaft, die auf Verantwortung setzt, würde man es dem Allergiker zutrauen, dass er weiß, worauf er allergisch ist und danach fragt. Mich ärgert das so, dass ich eine Wut-Praline machen will. Da kommen alle Allergene aus der Verordnung rein, die muss nicht einmal gut schmecken. Das ist ein Statement. Oder die Gleichmacherei bei den Lebensmitteln. Wenn Sie heute in einen Supermarkt gehen, dann haben Sie zwar meterweise Joghurt, aber in Wirklichkeit ist alles gleich. Absoluter Massengeschmack, das, was jeder will: Erdbeere, Kirsche, vielleicht Vanille. Dabei ist das, was die Masse will, immer fad und seicht.

Hört sich nicht unbedingt so an, als ob Sie ein großer Demokratiefan wären.

Also, wenn es um die Führung meines Unternehmens geht, sicher nicht. Wir sind ein echt lässiger Betrieb, wir zahlen besser als andere, wir kochen gratis für unsere Mitarbeiter, in Bioqualität, wir schauen, dass sich jeder gut entwickeln kann. Aber Basisdemokratie im Unternehmen, das geht nicht. Ich bin ja ein großer Fan von Gemeinwohlökonomie, bin auch an der Gemeinwohlbank beteiligt, aber in einem Punkt, da kann ich nicht mit: Sie können die Mitarbeiter nicht alles mitentscheiden lassen - und auch Mitbeteiligung ist so ein Punkt. Hätte ich meine Mitarbeiter mitbeteiligt und dann gefragt: Wollt ihr, dass wir in den nächsten Jahren den essbaren Tiergarten aufbauen und daher etwas weniger Gewinn machen oder ihn nicht aufbauen und mehr Gewinn machen? Na, was glauben Sie, wofür sie sich als Miteigentümer entschieden hätten? Vermutlich für die Kohle. Ich muss als Unternehmer aber völlig frei agieren können. Wenn ich vorher um Erlaubnis fragen muss, kann ich das nicht.

Das sehe ich ein, es ist ja Ihr Geld. Aber dass Sie mich als Konsument, der letztlich Ihren Laden am Leben hält, nicht ernstnehmen, sondern sagen: Was dir schmeckt, ist mir so was von egal, das finde ich eigentlich unerhört.

Meinen Sie das jetzt ernst?

Ja. Sie haben zum Beispiel die Erdbeer-Balleros aus dem Sortiment genommen, das war meine absolute Lieblingssorte - und nicht nur meine. Soweit ich weiß, war das eine Ihrer beliebtesten Schokoladen.

Ich muss auch da die absolute Freiheit haben. Schauen Sie: das ist die Liste mit den neuen Sorten für das kommende Jahr, das sind rund achtzig Ideen, die ich unbedingt machen will. Das brauch ich, sonst macht das hier ja keinen Spaß. Und damit ich die unterbringe, müssen andere Sorten raus. Das geht nicht anders. Und auch da will ich mich von meinem Gefühl leiten lassen können. Ich habe daher meinen Controllern gesagt: Wehe, wenn ihr mir eine Liste vorlegt, wo drauf steht, welche Sorte wie viel Stück verkauft, ich will das gar nicht wissen. Der Markt ist ein Trottel. Wenn ich immer nach dem Markt produziere, geht irgendwann die Innovation verloren. Ich glaube jetzt zum Beispiel, dass ich unbedingt Marzipan aus Leindotter brauche, weil ich im Moment total von Leindotter begeistert bin. In Wirklichkeit braucht natürlich kein Mensch Marzipan aus Leindotter.

Da machen Sie wieder etwas, was Sie bei anderen kritisieren: Dinge entwerfen, die keiner braucht.

Ja, aber erstens macht es mir Spaß, zweitens glaube ich nicht, dass es ein für die Menschheit besonders schädliches Produkt ist, vielleicht ist es ja sogar nützlich. Und drittens: Sicher können wir uns alle zurücklehnen und sagen, wir sind eh so super. Aber, ob wir dann in fünf Jahren noch so locker da sitzen werden wie jetzt, weiß ich halt auch nicht. Innova-tion braucht es überall.