Auf die Kritik, "Knowmads" sei eine Gruppentherapie für reiche, verlorene Hippies, antwortet Spinder: "Knowmads ist eine Schule fürs Leben - und das ist nicht einfach zu verstehen, darum akzeptiere ich jede Kritik. Wir konfrontieren Menschen mit sich selbst - und das ist hart." - © Martin Zinggl
Auf die Kritik, "Knowmads" sei eine Gruppentherapie für reiche, verlorene Hippies, antwortet Spinder: "Knowmads ist eine Schule fürs Leben - und das ist nicht einfach zu verstehen, darum akzeptiere ich jede Kritik. Wir konfrontieren Menschen mit sich selbst - und das ist hart." - © Martin Zinggl

"Wiener Zeitung": Herr Spinder, wie kommt man darauf, seine eigene Schule zu gründen?

Pieter Spinder: Vor zwanzig Jahren leitete ich an einer Fachhochschule einen Marketingkurs mit 320 Overheadfolien und einer Beschreibung, wann, welche Folie aufzulegen ist. Als ich die vielen traurigen, abgekapselten Studenten sah, wusste ich, dass ich einen alternativen Bildungsweg entwickeln musste. Ich bat meine Studenten, das Lehrbuch selbst zu lesen und entschied, die Gruppe zu meinen Firmenklienten zu führen, um dort Marketing praxisnah zu erleben. Da allerdings nur vier Prozent der Studenten die Prüfung schafften, wurde mein Vertrag nicht verlängert.



Persönlichkeitsfördernde Maßnahmen und Einsichten stehen bei "Knowmads" im Vordergrund. - © Martin Zinggl
Persönlichkeitsfördernde Maßnahmen und Einsichten stehen bei "Knowmads" im Vordergrund. - © Martin Zinggl

Zwei Monate später teilte mir der Institutsvorstand mit, dass ich auf einer Skala von 1 bis 10 mit 8,7 bewertet wurde. Da das normalerweise mit guten Noten einhergeht, konnten sie sich das nicht erklären. Schließlich boten sie mir an, eine Bildungsreform an ihrer Hochschule durchzuführen. Dadurch entdeckte ich alternative Systeme außerhalb der Bildungsnorm, wie etwa das dänische Projekt "KaosPilots". 2007 trat ich dem Schwesterprojekt in Rotterdam bei und arbeitete dort zwei Jahre als Lektor und Teamleader. Als "KaosPilots" in Dänemark ein offizieller Bildungsweg wurde, beendeten wir unser Programm in Rotterdam.

Warum?

Wir wollten kein regulärer Lehrgang sein, da Kreativbildung nur funktioniert, wenn man die Studenten ins Zentrum rückt. Die Universitäten behaupten, die Studenten seien im Zentrum, aber dann stopfen sie ihnen ein fertiges Programm nach dem anderen in den Rachen. Mein Sohn brachte mich darauf, meine eigene Schule zu gründen. Ich nahm eine zusätzliche Hypothek auf mein Haus auf und startete im August 2009 mit einem Blatt Papier, auf dem nur "Knowmads" stand. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte.

Fürchteten Sie zu Beginn, es würden sich nicht genügend Kandidaten finden?

Nein, da das Kernteam aus ehemaligen "KaosPilots" bestand, die den Drang verspürten, eine neue Form von Bildung in die Welt zu setzen. Es gab also jede Menge Schwung. Außerdem bin ich kein ängstlicher Typ. Wir planten ursprünglich für 35 Studenten - und letztlich waren es nur ein Dutzend im ersten Tribe. Wären es zehn gewesen, hätten wir das Projekt aufgrund unserer finanziellen und inhaltlichen Kalkulationen abgebrochen. Heute sind wir bei Tribe 11 mit zwanzig Studenten angelangt.

Wie definieren Sie "Knowmads"?

Der Begriff "Knowmads" wurde von John Moravec geprägt und bezeichnet Leute, die keinen fixen Platz brauchen, um zu lernen und zu arbeiten. Echte Nomaden lernen überall und bauen auf das Gelernte, wo immer sie auch hingehen. Vielleicht sind wir technisch gesehen Nomaden, aber wir sind auch ein bisschen "mad", also verrückt. Wir geben unseren Studenten einen Schlüssel und sagen: "Das ist euer Gebäude, kreiert euer eigenes Lernumfeld." Das geht an der Universität mit zigtausenden Studenten natürlich nicht.

Was bedeutet der Slogan "Welcome Home"?

Wenn du in einer Gemeinschaft etwas lernen möchtest, brauchst du einen Ort, wo du dich wohl und sicher fühlst. Knowmads versucht diesen Raum zu schaffen, damit die Studenten einen natürlichen und keinen wettbewerbsorientierten Weg gehen. "Welcome Home" bedeutet: "Du bist gut genug, wenn du zu uns kommst." Im regulären Bildungsweg ist man das nicht, darum wollen sie dich ja auch ständig verbessern. Bei Knowmads finden wir heraus, wer die Leute wirklich sind und wer sie gerne sein möchten. Was ist deine Geschichte - und welche Geschichte möchtest du in die Welt hinaustragen? Und wie können wir dir dabei helfen?

Wie läuft ein Studienjahr bei Knowmads ab?

Es beginnt mit einer mehrwöchigen Teambuilding-Phase. Danach fordern wir die Leute heraus, basierend auf dem, was sie bereits gelernt haben in ihrem Leben - und damit meine ich nicht in der Schule oder an einer Uni. Was war brauchbar und was nicht? Und dann kommt das Schwierigste: das Verlernen oder Umlernen diverser Muster. Da fließen oft Tränen und es braucht jede Menge spirituelles und persönliches Coaching. Danach beginnt die Lernphase, die für manche einen Monat, für andere sieben Monate dauert. Wir stellen Fragen wie "Wer bist du?", "Wo willst du hin?" usw. und ermöglichen Workshops, abhängig davon, was die Studenten brauchen und machen wollen, sei es Social Media, Crowdfunding oder Gewaltfreie Kommunikation.

Welche Menschen besuchen Knowmads?

Die Studenten sind zwischen 19 und 35 Jahre alt und kommen aus der ganzen Welt, von Korea bis Brasilien. Manche haben bei großen Unternehmen wie Apple oder der Europäischen Union gearbeitet, andere in kleinen Familienbetrieben oder an Universitäten. Sie alle haben sich irgendwann die gleiche Frage gestellt: "Ist das nun mein Leben oder wartet da draußen noch etwas anderes auf mich?" Es gibt drei Menschentypen, die zu uns kommen. Erstens: "Ich weiß nicht, was ich tun soll, aber das reguläre Bildungssystem ist nichts für mich." Zweitens: Menschen, die den regulären Weg gegangen sind und/oder noch oder bereits arbeiten. Sie fühlen sich im System verloren. Und drittens: Leute, die ihre eigene Idee anwenden und in die Welt bringen wollen, auf eine alternativ-unternehmerische Art.