Sind Trachten per se reaktionär?

Landestrachten haben einerseits romantische und selbstvergewissernde Züge. Aber es ist auch immer ein Abgrenzungsmedium, das dem Gegenüber sagt: Du trägst diese Tracht nicht und gehörst nicht dazu. Ich habe beispielsweise in meiner Jugend lange Zeit ein gebrauchtes Jägerleinen besessen und sehr oft getragen. Aber heute würde ich es nicht mehr anziehen. Da hat sich für mich etwas an der Botschaft verändert.

Wird damit ein Stück Geschichte und Tradition den Rechten überlassen?

Es war sehr positiv, dass während des Präsidentschaftswahlkampf auch andere Parteien den Heimatbegriff sozusagen geentert haben. Dahinter steckt klarerweise politische Taktik, aber ich fand es ex-trem gut, dass eine Art Gegenbewegung entstanden ist. Plötzlich kam der Begriff von einer völlig gegensätzlichen Seite. Das macht es möglich, den Begriff Heimat wieder in den Mund zu nehmen und breiter zu diskutieren. Es war sicher ein Fehler, diesen Begriff lange Zeit dem rechtskonservativen Lager zu überlassen.

Wie genau funktionierte diese Heimatkonstruktion, die Sie in der Ausstellung thematisieren?

Da gibt es zum Beispiel den "Trestererbrauch", einen Perchtentanz aus dem Pinzgau im Salzburger Land. Dieser Brauch wurde Ende der Dreißiger wiederbelebt und diente dem Austrofaschismus und später dem Nationalsozialismus als identitätsstiftendes Element. NS-Volkskundler haben Ursprungstheorien dazu gedichtet und den Tanz genutzt, um Brauchtum zu verklären und zu überhöhen. Es gab zu dieser Zeit plötzlich auch Wiener Tresterergruppen. Dabei stammt der Brauch ursprünglich aus Venedig und ist erst relativ spät zu uns gekommen.

Es geht also darum, wie etwas aufgegriffen wird und anschließend argumentiert wird, das habe es schon immer gegeben. So fixiert man Kulturräume. Im Brauchtum sagt man gerne: Was wir heute machen, gab es schon immer. Dass dazwischen möglicherweise ganz andere politische Prozesse stattgefunden haben, bleibt dann oft auf der Strecke.

Sie sind seit 2013 Direktor des Volkskundemuseums. Was hat in den letzten Jahren gut geklappt - und wo sind sie vielleicht gescheitert?

Wir wollen eine Plattform sein und eng mit der Universität zusammenarbeiten. Das Museum soll ein offener Ort sein. Dafür haben wir zum Beispiel die Passage in den dahinter liegenden Park geöffnet, das war ein kleines Symbol für die Öffnung, aber mit großer Wirkung. Ein offener Ort muss auch absolut transparent sein. Das heißt, dass Jahresberichte mit Zahlen online abrufbar sind, offene Diskussionen mit Kooperationspartnern und dem Team. Ein öffentlicher Raum, der so weit wie möglich der Öffentlichkeit zugänglich ist. Letztendlich werden wir von der öffentlichen Hand finanziert und wollen das auch entsprechend zurückgeben. Das wird jetzt vielleicht jedes Museum von sich behaupten. Aber ich sehe leider in der österreichischen Kulturpolitik ein ex-tremes Mainstreaming. Da gibt es die großen Repräsentationsorte und Backstage-Verhandlungen. Große Kritik auch an diesem Haselsteiner-Essl-Albertina-Deal.

Die Privatstiftung des Industriellen Hans Peter Haselsteiner übernahm die Kunstsammlung von Karlheinz Essl, danach ging sie in den Besitz der Albertina über. Kritisiert wurde die Verflechtung zwischen den Interessen privater Sammler und staatlichen Museen.

Ja, das war nicht transparent, weil dort niemand involviert wurde. Während man in der Direktorenkonferenz zusammensitzt, macht einer von ihnen den Deal. Das geht nicht.

Sind Sie mit den Besucherzahlen zufrieden?

Ich finde es ganz wichtig, dass Menschen ins Museum kommen - und es sind in den letzten Jahren auch viel mehr Besucher gekommen. Aber das ist nicht mein erstes Argument für ein Museum. Uns geht es darum, ein Publikum herauszufordern, und wir möchten auch, dass das Publikum uns herausfordert. Wir machen viele Experimente mit ihm. Manches wird verstanden, manches nicht. Daraus lernen wir. Ich sehe das Museum als lernende Institution.

Was wurde nicht verstanden?

Vor zwei Jahren haben wir ein Projekt gemacht, das hieß "Klimesch - das Geschäft mit den Dingen". Da sind wir mitten im Thema Alltagskultur. Hier um die Ecke war ein Haushaltswarengeschäft, dessen Besitzer in Pension gegangen ist. Das Museum war fünfzig Jahre lang Kunde gewesen. Ich habe den Ladenbesitzer um eine kleine Erinnerung gebeten - und letztendlich haben wir das ganze Geschäft übernommen. Wir haben den gesamten Bestand übernommen und in ein Ausstellungsformat gegossen. Auf einer Bühne wurde der ganze Laden ausgebreitet, ein Zwischending zwischen Museum und Geschäft. Wir haben dann eine "Ding-Akademie" gemacht, bei der über Bedürfnisse, Waren und Konsum geredet wurde. Das ist natürlich kein Programm für viele Menschen, sondern es geht eher um Interaktion. Ich muss mich eigentlich mit jeder Person eigens auseinandersetzen. Viele gehen durch und verstehen gar nicht, worum es geht. Aber ein paar verlassen das Museum mit einer veränderten Perspektive. Die Qualität des Besuchs und der Nutzung des Hauses finde ich wichtiger als die Zahl der Besucher.