
Er hat tausende Menschen buchstäblich in den Tod begleitet: Frank Ostaseski, 67, internationaler Bestsellerautor und Leiter des von ihm gegründeten Metta Institute in Sausalito, Kalifornien, das für Pflegekräfte und Laien aus der ganzen Welt Seminare über Sterbebegleitung anbietet. Für seine Pionierarbeit auf diesem Gebiet wurde Os-taseski heuer von der American Academy of Hospice and Palliative Medicine (AAHPM) mit dem prestigeträchtigen "Humanities Award" ausgezeichnet. Auf Deutsch erschien soeben sein jüngstes Werk: "Die fünf Einladungen. Was wir vom Tod lernen können, um erfüllt zu leben"(Übersetzt von Judith Elze. Knaur Verlag, 398 Seiten, 20,60 Euro).
Begonnen hat Ostaseski seine Arbeit Mitte der Achtzigerjahre in seiner Heimatstadt San Francisco, als die AIDS-Krise auf ihrem Höhepunkt stand und massenweise die Bürgerinnen und Bürger der Stadt hinwegraffte. Seinerzeit gründete er gemeinsam mit Freunden das Zen Hospice Project, das sich der Opfer dieser Krankheit ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung, ihres sozialen Status und des Umfangs ihrer Geldbörse annahm. Sein vom buddhistischen Glauben beeinflusster Einsatz für unheilbar kranke Menschen - und die durch seine Erfahrungen mit ihnen niedergeschriebenen Weisheiten - brachten ihm seitdem u.a. Einladungen zu Oprah Winfreys Fernsehshow, eine Serie beim öffentlich-rechtlichen US-Rundfunk PBS und eine Ehrung des Dalai Lama höchstpersönlich ein.
Bis heute hält Ostaseski weltweit Vorträge über seine Arbeit und Erkenntnisse in Sachen Sterbebegleitung. Die Bandbreite reicht von renommierten Medizinschulen wie der Harvard Medical School und der Mayo Clinic über internationale Konferenzen der Hospiz-Bewegung bis hin zu religiösen Einrichtungen. Der "Wiener Zeitung" erzählte der Mann, der dem Tod so oft ins Auge geschaut hat wie nur wenige Andere, was es heißt, den "Schmerz zu umarmen", was die meisten Menschen kurz vor ihrem Tod beschäftigt - und warum manche für eine Krebsdiagnose dankbar sind.
"Wiener Zeitung": Mister Ostaseski, Sie begleiten seit vier Jahrzehnten Menschen beim Sterben. Was sollten Leute mitbringen, die das ebenfalls tun wollen - oder in einer Situation sind, in der sie dazu gezwungen sind?
Frank Ostaseski: Das Bewusstsein dafür, dass wir das, was wir für diesen Job brauchen, nicht erst lernen müssen, sondern bereits in uns tragen. Für andere zu sorgen ist ein natürlicher Ausdruck unserer Menschlichkeit. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir den Prozess des Sterbens unnötig komplex gemacht, überprofessionalisiert und mystifiziert, sodass wir ihn jetzt oft als Bürde, als Pflicht empfinden. Wir müssen uns wieder daran erinnern, dass jeder von uns die innere Weisheit und Leidenschaft besitzt, für einen anderen Menschen zu sorgen, der leidet.