Es klingt fast, als hätten wir noch einen sehr unreifen Umgang mit all diesen relativ neuen Möglichkeiten.

Unreif ist ein sehr treffendes Wort. Ein informierter, reflektierter und respektvoller Umgang mit all diesen Fragen und den Beteiligten tut Not. Im Moment überwiegen noch die Reflexe.

In einem Interview haben Sie gesagt, Sie werden nicht gerne als Ethikerin bezeichnet. Warum nicht?

Ethik ist ein interdisziplinäres Unterfangen und ich trage dazu in erster Linie als Juristin bei. Im Übrigen gehört die Ethik allen.

Die "Neue Zürcher Zeitung" bezeichnet Sie als Vordenkerin und schreibt, Sie hätten keine Angst vor kontroversiellen Themen.

Zweites würde ich unterschreiben. Was sicher zutrifft, ist, dass ich gerne die Ränder abtaste, weil diese etwas über das Zentrum aussagen. Der gesellschaftliche Umgang mit Transgender-Personen sagt etwas aus über das Konzept des Geschlechts. Unser Umgang mit dem Islamischen Recht verrät Unsicherheiten mit Bezug auf eigene Errungenschaften. Der Umgang mit Leihmutterschaft sagt viel aus über unser "verkrampftes" Mutterbild. Gleichzeitig sind Grenzen Orte der Begegnung - und solche sind für mein Denken und Handeln zentral.