Georg Pangl hat im europäischen Fußball so ziemlich alles gesehen. Er hat für die Uefa Endspiele der Champions League organisiert, als Generalsekretär der European Leagues, des Dachverbands der europäischen Profiligen, mit Gianni Infantino und Joseph Blatter verhandelt und war unter Präsident Frank Stronach Vorstand der österreichischen Bundesliga. Jetzt hat der Burgenländer ein Buch über das Erlebte geschrieben, "Mein Theater der Träume". Wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel in Doha hat er sich eine knappe Stunde Zeit für ein Gespräch genommen. Auch die Diskussionen um die WM in Katar hat er aus der ersten Reihe verfolgt.

"Wiener Zeitung": Freuen Sie sich auf die WM?

Georg Pangl: Die Vorfreude ist anders als sonst. Es sind so viele Dinge vorgefallen. Es geht dabei nicht einmal nur um die menschenrechtliche Situation in Katar und die Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Vergabe. Erst vor kurzem hat der Schweizer SRF ans Licht gebracht, dass Katar hochrangige Fifa-Funktionäre, Politiker und Journalisten ausspioniert haben soll. Diese Misstöne werden während dem Turnier in den Hintergrund rücken, aber man wird sie für immer mit ihm verbinden. Auch wenn es sicher tolle Bilder geben wird, die wahrscheinlich so gut wie noch nie bei einer WM sein werden. Gefühlt werden die Spiele von 40 Kameras aufgezeichnet, Drohnen kommen zum Einsatz, und die Stadien werden voll sein.

In Ihrem Buch beschreiben Sie die Diskussion um den genauen Austragungstermin. Haben die menschenrechtlichen Fragen damals keine Rolle gespielt?

In der Taskforce, in der ich war, ging es ganz explizit um den Termin. Ich war damals Generalsekretär der European Leagues, hatte also das Interesse des europäischen Klubfußballs im Auge. Wir hatten große Probleme mit dem Wintertermin und wollten wie geplant im Sommer spielen. Für die menschenrechtlichen Probleme waren andere Stellen zuständig. Sie hätten aber viel früher thematisiert gehört.

Wie kam es, dass sich die europäischen Vereine mit ihrem Terminwunsch nicht durchgesetzt haben? Die meisten Spieler, die bei der WM antreten, spielen in Europa.

Die Fifa hat alles darangesetzt, die Austragung im November und Dezember durchzusetzen. Wir haben unseren Plan, stattdessen im Mai, sprich einen Monat früher als bisher zu spielen, nicht konsequent genug verfolgt. Einige Funktionäre, auch die Führungsetage in der Uefa, haben das nicht mit Nachdruck unterstützt. Aber wir dürfen uns auch nicht täuschen lassen: Europa macht nur einen Teil der Fußballwelt aus und hat den Ruf, überall den Ton anzugeben. Das wollen andere Kontinentalverbände nicht und sind vielleicht froh, wenn sie uns einmal überstimmen können. Joseph Blatter hat das sehr bald verstanden.

Was meinen Sie damit?

Blatter hat seine Fifa-Präsidentschaft unter anderem auf die Stimmen der kleinen Verbände aus der ganzen Welt gebaut. Ich habe das auch bei den Fifa-Kongressen, bei denen ich war, gemerkt. Ich bin als Stakeholdervertreter immer ganz aber vorne gesessen, aber die Plätze der europäischen Delegation waren meist irgendwo, links hinten im Oberrang. Natürlich hat Blatter die Zustimmung der kleinen Länder bekommen, weil er ihnen Fördergelder in Aussicht gestellt hat. Er hat aber die Fifa auch saniert. Da muss man eine Lanze für ihn brechen. Die Fifa stand Anfang der 2000er vor der Pleite und war zerstritten. Ihm ist es gelungen, den Verband zusammenzuhalten. Zu den Korruptionsvorwürfen gegen die Fifa steht mir kein Urteil zu. Man kann aber einiges nachlesen, das sehr nachdenklich macht.

Sie schreiben, dass Sie auch Blatters Nachfolger, Gianni Infantino, gut kennen. Welche Meinung haben Sie von ihm?

Er kommt aus einer anderen Generation. Er ist agiler und aktiver als Blatter und ein Sprachengenie. Das gefällt den Leuten. Aber Infantino braucht Geld. Als er gewählt worden ist, hat er den Verbänden versprochen, dass die Summen, die sie jährlich von der Fifa bekommen, massiv erhöht werden. Deswegen die Idee einer jährlichen Klub-WM, deswegen eine Weltmeisterschaft mit noch mehr Teilnehmern: Er will das Maximum aus seinen Turnieren herauspressen und den Fußball auf der ganzen Welt promoten. Ich bin kein Kritiker von Infantinos Politik, aber mein Zugang wäre eher, das Optimum zu erreichen, also den Punkt, an dem sich Nachhaltigkeit und Profitabilität treffen.

Kommen wir nach Österreich: In Ihrem Buch kündigen Sie an, dass Sie 2024 Präsident des burgenländischen Landesverbands werden möchten. Warum wollen Sie das?

Ich bin jetzt 57 Jahre alt und habe mir in Absprache mit meiner Familie die Frage gestellt, was ich in meinem Lebensabend machen möchte. Ich komme aus Stotzing im Burgenland und bin in die große Welt des Fußballs eingetaucht. Ich weiß zu schätzen, dass ich trotz vieler Bürden ein privilegiertes Leben geführt habe. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben. Ich bin überzeugt, dass ich mit meiner Erfahrung und den Kontakten dem burgenländischen Fußball, der eine schwierige Phase durchläuft, helfen kann. Aber wenn mich die Vereine, die den Verbandspräsidenten wählen, nicht wollen, ist das deren demokratisches Recht. Das wäre auch okay. Dann fange ich vielleicht im Alter doch noch mit dem Golfspielen an.

Sie können sich auch vorstellen, ÖFB-Präsident zu werden. Was stört Sie am Verband?

Es gibt in Österreich eine Art von Genügsamkeit, die ich nicht verstehe. Ich könnte mich niemals über eine Niederlage gegen Italien wie bei der jüngsten Europameisterschaft freuen. Wir müssen uns an der Schweiz orientieren, die bei der EM gegen Frankreich zurücklag, aber das Spiel noch gewonnen hat. Die Schweizer haben sich seit der Jahrtausendwende für fast jede Großveranstaltung qualifiziert. Sie haben ähnlich wie die Dänen eine Konstanz, von der wir nur träumen können. Beide Länder sind mit uns vergleichbar. Das zweite große Thema ist das Nationalstadion. Da sind wir im europäischen Vergleich zu einem Entwicklungsland verkommen. Es braucht dringend Konzepte, wie sich das ändern kann. Etwas verwundert bin ich schon, dass die Politik seit Ausbruch der Corona-Krise mit Milliardensummen umherwirft, für ein neues Stadion aber kein Geld da ist. Da geht es um einen Bruchteil davon, und der Fußball hat wieder für 100 Jahre ein Stadion. Das muss doch zu stemmen sein.

Gerhard Milletich, wie Sie Burgenländer, ist ÖFB-Präsident. Er steht in der Kritik, weil er den Posten benutzt haben soll, um Inserate für seinen Verlag anzuwerben. Wie beurteilen Sie die Vorwürfe?

Ich habe mit Gerhard telefoniert, er ist davon überzeugt, dass er nichts falsch gemacht hat. Ich würde die Situation im Einklang mit strengen Compliance-Regeln trotzdem neu bewerten, bei der Inseratenakquise eventuell einen Schritt zurückmachen und im Sinne des Fußballs mit den betroffenen Medien ein klärendes Gespräch suchen. Aber bevor Sie mich fragen: Im Falle des Falles stehe ich für den Posten nicht zur Verfügung. Das erlaubt mein Zeitbudget nicht, meine Firma nimmt mich zu sehr in Anspruch. Deswegen auch der Zeitplan im Buch. Vor 2024 denke ich nicht an eine solche Funktion.