So viele und vor allem so prominente Abgänge können die Fußballer von Red Bull Salzburg gar nicht verzeichnen, dass sie nicht als Favoriten ins Bundesliga-Frühjahr gehen würden. Mittlerweile haben sich die Salzburger, die ab Freitag mit dem Spiel gegen ihren ersten und wohl einzigen ernsthaften Verfolger Lask (19 Uhr) auf ihren glorreichen siebenten Titelgewinn in der heimischen Meisterschaft hintereinander losgehen, mit der Akademie in Liefering, der dortigen Zweitliga-Mannschaft sowie den Synergien mit ihren anderen internationalen Dependancen ein schier unerschöpfliches Reservoir an talentierten Spielern im Mehr-oder-weniger-Eigenbau geschaffen, als Verstärkungen werden seit einigen Jahren traditionell junge Perspektivspieler verpflichtet. Im Jänner 2019 war es ein gewisser Erling Haaland, der der als Salzburgs designierter Superstar zu Österreichs Serienmeister gekommen war.
Der Preis freilich: Hält die Entwicklung, was man sich nicht einmal versprochen, sondern höchstens annähernd erhofft hatte, ist der Spieler ganz schnell auch schon wieder weg - im Fall des Norwegers in Dortmund, wo er in den ersten Frühjahrsspielen schon eingeschlagen hat. Und weil Salzburg nicht nur Haaland, sondern auch gleich Takumi Minamino abgab - ihn zog es nach Liverpool -, der Vorsprung auf den Lask zudem nur zwei Punkte beträgt, bestehen nun doch mancherorts Zweifel, ob das Kommen und vor allem Gehen an der Salzach der vielbeschworenen Kontinuität zuträglich ist - auch wenn in dem 18-jährigen Karim Adeyemi, am Mittwoch mit der U19-Mannschaft ins Youth-League-Achtelfinale eingezogen, schon der nächste junge Spieler nach oben drängt, Hwang Hee-chan sich in der Vorbereitung in Bestform gezeigt hat und Salzburg zudem das Schweizer Nachwuchsjuwel Noah Okafor geholt hat.
Selbst Sportdirektor Christoph Freund räumt ein, dass Haaland und Minamino nicht leicht zu ersetzen sein werden. Was Ersterer im Herbst in Österreich gezeigt hatte, sei "schon etwas sehr Spezielles, das selten vorkommt", gewesen. "Das war pures Entertainment." Dennoch fühlt sich Freund an die Prä-Haaland-Zeit erinnert, als Erfolgstrainer Marco Rose und fünf Spieler gingen und auch Unkenrufe über den vielleicht nicht zu bewältigenden Umbau laut geworden waren. Jetzt sagt er: "Die Mannschaft ist sehr gefestigt, aber wir müssen uns alles hart erarbeiten."
Wegweisend könnte dafür schon das erste Ligaspiel sein. Denn der Lask hat sich angeschickt, den großen Favoriten mehr als nur zu ärgern. Anders als zehn andere Trainer der Bundesliga-Klubs - einer, St. Pöltens Alexander Schmidt, setzt auf den Lask - hat sich Coach Valerien Ismael in der traditionellen Trainerumfrage der Austria Presse-Agentur nicht auf Salzburg als Meistertipp festgelegt. "Es ist noch zu früh, dazu etwas zu sagen", meinte der Elsässer, der selbst keine nennenswerten Abgänge zu verkraften hat.
Am liebsten ein Finale
in der Europa League
Die Chance für den Lask scheint jedenfalls groß wie schon lange nicht mehr. Geschäftsführer Andreas Protil wollte davon offiziell nichts wissen. "Wir wollen die Meisterschaft möglichst bis zum Schluss spannend machen", erklärt er. Das Spiel gegen die Salzburger am Freitag, das es auch im Cup-Halbfinale am 3. März gibt, sei ein "Gradmesser, aber nicht richtungsweisend." Und abgesehen von der Meisterrunde könnte es heuer noch zu einem weiteren Duell der beiden Bundesliga-Spitzenreiter kommen - denn mit Ausblick auf die Europa League, in der Salzburg in der kommenden Woche auf Eintracht Frankfurt, der Lask auf AZ Alkmaar trifft, sagt Salzburg-Coach Jesse Marsch: "Ich wünsche mir, dass beide ins Finale kommen." Am Freitag steht aber erst einmal ein möglicher Schritt zum glorreichen siebenten Titel in Serie im Vordergrund.(art/apa)