Im Grunde verbindet die beiden norddeutschen Städte Hamburg und Bremen jede Menge: Beide sind Stadt und Bundesland in einem, genießen den Status einer Hansestadt und werden sozialdemokratisch regiert. Und doch verbindet sie eine jahrhundertealte Rivalität. Auf der einen Seite das große, weltoffene Hamburg, auf der anderen das doch etwas provinzieller anmutende Bremen. Auf Augenhöhe begegnen sich die Bürger beider Städte selten. Wenn die Hamburger von ihrer Stadt mit viel Pathos als "Tor zur Welt" sprechen, scherzt man in Bremen in Anlehnung an das eigene Stadtwappen, man hätte eben den Schlüssel zum Tor.
Einzig im Fußball herrscht so etwas wie Gleichgewicht. Die größten Vereine der beiden Städte - Werder Bremen und der HSV - zählen zu den erfolgreichsten Klubs der Bundesrepublik und belegen in der ewigen Tabelle der Bundesliga Rang drei und vier. 108 Mal trafen die beiden in Deutschlands oberster Liga aufeinander - nur Bayern und Bremen haben öfter gegeneinander gespielt. Die Spiele der beiden Rivalen waren nicht selten entscheidende Partien im Meisterrennen oder dem Kampf um Europa. 2009 stand man sich im Halbfinale des Uefa-Cups gegenüber - Werder stieg dank der Auswärtstorregel auf. Vom Glanz dieser Tage ist kaum noch etwas über. Die Realität hat die Nordklubs längst eingeholt. Werder gegen HSV steht im Jahr 2021 für beinharten Zweitligakick.
Vorhersehbarer Niedergang
Dass es soweit kommen musste, überrascht allerdings kaum. Der Abstieg beider Vereine zeichnete sich ab. Der HSV, sechsmaliger Meister und Sieger des Europapokals der Landesmeister 1983, musste 2018 zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den Gang ins Unterhaus antreten. Bereits in den Jahren zuvor war man dem Abstieg meist nur hauchdünn entkommen. 2014 und 2015 spielte man in der Relegation um den Klassenerhalt, konnte in vier Spielen gegen Fürth und den KSC keinen einzigen Sieg über 90 Minuten verbuchen und blieb dennoch erstklassig. 2017 rettete ein Last-Minute-Treffer von Luca Waldschmidt den Dino im letzten Saisonspiel. Ein Jahr später war das Glück schließlich ausgereizt und der HSV zum ersten Mal seit Gründung der Bundesliga zweitklassig. Die zweite Liga hätte ursprünglich nur ein Intermezzo darstellen sollen, inzwischen spielt man die vierte Saison in Liga zwei. In den vergangenen Spielzeiten war man als Vierter jeweils knapp am Aufstieg vorbeigeschrammt.
In Bremen konnte man sich ob der desaströsen Leistungen des Erzfeinds die Häme nicht verkneifen. Viel zu lachen hatten die grün-weißen Anhänger in den letzten Jahren jedoch auch nicht. 2004 holten die Werderaner zum vierten und letzten Mal die Schale, 2009 krönte man sich zum DFB-Pokalsieger. Es sollten die bis dato letzten Erfolge bleiben. 2013 geriet man unter Langzeittrainer Thomas Schaaf zum ersten Mal seit Jahren in Abstiegsnöte. Schaaf wurde entlassen, Bremen hielt die Klasse, pachtete jedoch einen Stammplatz im Abstiegskampf. Aber es schien zunächst, als würde man in der Stadt an der Weser im Endspurt stets die richtigen Kräfte mobilisieren. Auch durch die bedingungslose Unterstützung der Anhänger gelang es den Grün-Weißen ein aufs andere Mal, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Bis zur Vorsaison. Nach einer katastrophalen Rückrunde, mit lediglich einem Punkt aus den letzten zehn Spielen, rutschte man am letzten Spieltag vom Relegationsplatz auf den 17. Rang. Es war der zweite Abstieg nach 1980.
Beste zweite Liga aller Zeiten
Nun treffen sich die Traditionsvereine zum 109. Mal. Klingende Namen wie einst Diego, Ailton oder Ivica Olic sucht man auf beiden Seiten vergeblich. Ein Aufstieg in dieser Saison ist für beide Mannschaften keine Selbstverständlichkeit. Auch weil die zweite Liga vielleicht so hochkarätig besetzt ist wie nie zuvor.
In Gelsenkirchen muss man sich mittlerweile ebenfalls mit dem Alltag der zweiten Bundesliga anfreunden. Der FC Schalke 04, mit 132.000 Mitgliedern der fünftgrößte Sportverein der Welt, verabschiedete sich im Vorjahr nach einer der vereinsübergreifend schlechtesten Bundesligasaisonen aller Zeiten aus dem Oberhaus. Fortuna Düsseldorf, Hannover 96, der 1.FC Nürnberg, Dynamo Dresden und Hansa Rostock komplettieren ein wahres Who-is-who der Tradtionsvereine in Liga zwei. 31 Meistertitel, 32 Pokalsiege und vier Europacup-Titel versammeln sich in Deutschlands zweithöchster Spielklasse. Damit setzt sich ein Trend fort, der in Deutschland schon jahrelang zu beobachten ist: Hinter den Bundesliga-Topteams Bayern, Dortmund, Leipzig und mit Abstrichen Frankfurt, Gladbach, Wolfsburg und Leverkusen formieren sich zunehmend kleinere, aber gut aufgestellte Vereine, die den ehemaligen Großklubs wie Bremen, Schalke und Hamburg sukzessive den Rang abliefen. Teams wie Freiburg, Augsburg, Union Berlin oder Mainz halten sich mitunter seit Jahren beständig in der Bundesliga. Auch weil das dortige Umfeld die Erwartunsghaltungen nicht so hoch schraubt, die Verantwortlichen ruhiger arbeiten können.
Das Wort Aufstieg will man weder in Bremen noch in Hamburg oder Gelsenkirchen so richtig in den Mund nehmen. Tatsache ist aber auch, dass alle drei Klubs Verbindlichkeiten in schwindelerregenden Höhen plagen - bei Schalke sind es 217 Millionen Euro, bei Bremen 75, beim HSV 68. Die zweite Liga ist trotz attraktiver Gegner für die ehemaligen Topklubs monetär kaum zu verkraften. Gelingt die zeitnahe Rückkehr in die weitaus lukrativere oberste Etage nicht, droht eine Abwärtsspirale. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein ehemals großer Name durchgereicht wird. Die Liste an Beispielen im deutschen Profi-Fußball ist lang. Der 1.FC Kaiserslautern - 1951, 1953, 1991 und 1998 deutscher Meister - spielt mittlerweile nur noch drittklassig und kämpft regelmäßig gegen den Gang in die Regionalliga. Mahnende Beispiele wären zudem 1860 München, Alemannia Aachen oder der MSV Duisburg. Von diesen Schicksalen ist man in Hamburg und Bremen noch ein Stückchen entfernt. Noch.