Ein Fußballspiel dauert bekanntlich 90 Minuten. Und nicht 45. In der Europacup-K.o.-Phase sind es sogar 180 Minuten ohne Nachspielzeit, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Diese Binsenweisheit wurde den Fans des FC Villarreal am Dienstagabend so richtig vor Augen geführt. Nach dem 0:2 im Hinspiel gegen Liverpool schienen alle Champions-League-Finalträume schon zerplatzt, ehe das "gelbe U-Boot" aus der spanischen Kleinstadt plötzlich wieder auftauchte und dank einer furiosen ersten Hälfte den Rückstand auf den englischen Traditionsklub egalisieren konnte. Doch dann nahm das Unheil seinen Lauf - zwei Gegentreffer per klassischem Wiener Gurkerl bescherten den K.o.-Schlag; und am Schluss folgte sogar noch das bittere 2:3 zur unverdienten Heimniederlage.
Worauf dieser Einbruch der Sensationsmannschaft der diesjährigen Königsklassen-Saison zurückzuführen war, darüber rätselte die Fußballwelt am Tag danach noch: Hatte Villarreal sein gesamtes Pulver schon verschossen gehabt? War das Zurückziehen in die Defensive schuld? Oder waren es die Reds, die ihr Spiel erfolgreich umstellten, um das Resultat noch vollends zu drehen? Letzteres meint jedenfalls Liverpool-Coach Jürgen Klopp: "So wie wir reagiert haben, das war besonders", meinte er und berichtete ansatzweise von seiner Ansprache in der Kabine: "Ein bisschen Taktiktafel, ein bisschen erklärt, wo wir hinwollen." In Hälfte eins sei man förmlich überrannt worden: "Wir hatten elf Probleme."
"Unvergessene erste Hälfte"
Im Lager der Spanier fühlte man sich trotz allem irgendwie als Sieger. "Auf die heutige Nacht können wir stolz sein. Wir haben bis zum Ende an uns geglaubt", betonte Villarreals Torjäger Gerard Moreno stolz. "Die erste Hälfte war unglaublich, sicher eine der besten der Saison. Das Match lief so, wie wir es haben wollten, aber der physische Aufwand machte sich bemerkbar. Und sie sind einfach sehr, sehr gut", meinte er Richtung LFC.
Das spanische Fachblatt "Marca" sah nicht weniger als eine "Heldentat" vom Europa-League-Sieger 2021. "Was Villarreal geschafft hat, ist Fußballgeschichte. Das wars, aber die erste Hälfte wird niemand vergessen. Nicht einmal Klopp selbst." Klopps Gegenüber Unai Emery, der dank seiner Europa-League-Siege längst als Experte für K.o.-Phasen gilt, meinte indes lapidar: "Wir haben gezeigt, dass wir nicht ohne Grund bis hierher gekommen sind."
Dass die Reds erster Finalist des Pariser Endspiels am 28. Mai sind, war jedenfalls ein hartes Stück Arbeit: Boulaye Dia (3.) und Francis Coquelin (41.) hatten ein alles in die Waagschale werfendes Villarreal in Führung gebracht. Aus Liverpool-Sicht machte sich aber besonders die Einwechslung von Luis Díaz bezahlt, der in der 67. Minute per Kopf durch die Beine von Keeper Gerónimo Rulli traf. Davor war Fabinho per Flachschuss (62.) erfolgreich; für den Schlusspunkt sorgte Ex-Salzburger Sadio Mané (75.).(may)