Am Ende seiner kurzen und in vielerlei Hinsicht nicht gerade von rühmlichen Aktionen gepflasterten Amtszeit als ÖFB-Präsident sah sich Gerhard Milletich als Opfer, so liest sich zumindest seine offizielle Stellungnahme. Der Burgenländer sprach von einer "massiven medialen Negativ-Kampagne", aber auch von "internen Angriffen gegen meine Person" und "Feindseligkeiten einiger Mitglieder des Präsidiums". Das höchste Gremium des mit Abstand größten Sport-Fachverbandes des Landes ist tief gespalten, und daran wird auch Milletichs Abgang nichts ändern. Nichtsdestotrotz tagt das Präsidium am Freitag, um über seine interimistische Nachfolge zu entscheiden. An diesem Tag sollte Berichten zufolge auch der Ethikbericht präsentiert werden, in dem untersucht wurde, inwiefern sich der nunmehrige Ex-Präsident Verfehlungen in der Inseraten-Affäre hatte zuschulden kommen lassen. Mit seinem Rücktritt kam Milletich, dem vorgeworfen wird, sein ÖFB-Amt für Inseratenkeilerei für seine privaten Unternehmungen missbraucht zu haben, diesem nun zuvor.
Offiziell wird der neue Präsident erst im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung im Mai oder Juni gewählt. Bis dahin wird wohl einer der aktuellen Vizepräsidenten - Gerhard Götschhofer (Oberösterreich), Josef Geisler (Tirol), Johann Gartner (Niederösterreich) und Bundesliga-Aufsichtstratsvorsitzender Philip Thonhauser - einspringen. Heftige Diskussionen sind programmiert. Denn Götschhofer und Geisler sind nach derzeitigem Stand im Präsidium nicht mehrheitsfähig, und die Aussicht auf einen Bundesliga-Vertreter an der Spitze des ÖFB sorgt bei einigen Personen innerhalb des Verbandes für Stirnrunzeln. Gartner wiederum hat seinen 70. Geburtstag schon hinter sich und fiel des Öfteren mit skurrilen Aussagen auf, stimmte zudem gegen das Infrastruktur-Projekt Wien-Aspern. Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass der Niederösterreicher am Freitag bei der Sitzung in Graz das Rennen macht.
Reformen überfällig
Langfristig werden unter anderem Thonhauser Ambitionen auf das Amt nachgesagt. Georg Pangl hat sein Interesse bereits öffentlich bekundet, im Interview mit der "Wiener Zeitung" aber kürzlich gemeint, "vor 2024" aufgrund seines Zeitbudgets nicht zur Verfügung zu stehen. Der Ex-Bundesliga-Vorstand würde den Job zudem hauptamtlich ausüben wollen, wofür eine Strukturreform nötig wäre - und an echte Reformen, wie sie seit Jahren gefordert werden, ist im ÖFB in der momentanen Situation nicht zu denken.
Ansatzpunkte hat Pangl dennoch: Ihn störe "eine Art von Genügsamkeit", die er nicht verstehe, erklärte er. "Ich könnte mich niemals über eine Niederlage gegen Italien wie bei der jüngsten Europameisterschaft freuen. Wir müssen uns an der Schweiz orientieren, die bei der EM gegen Frankreich zurücklag, aber das Spiel noch gewonnen hat." Das zweite große Thema sei das Nationalstadion. "Da sind wir im europäischen Vergleich zu einem Entwicklungsland verkommen. Es braucht dringend Konzepte, wie sich das ändern kann."
Zu allererst wird Milletichs Nachfolger aber auch ein Brückenbauer sein müssen, als der dieser sich explizit nicht gesehen hat. Andernfalls aber droht eine lang anhaltende Lähmung des Präsidiums. "Wir brauchen jetzt einen Präsidenten, der einen kann, und das wird schwierig", erklärte der steirische Landespräsident Wolfgang Bartosch gegenüber der Austria Presse Agentur.
Zu allem Überfluss herrschen nicht nur im Aufsichtsratsorgan, sondern auch in der operativen Führung des Verbandes atmosphärische Störungen. Das Verhältnis zwischen Generalsekretär Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold, Geschäftsführer der ÖFB Wirtschaftsbetriebe GmbH, ist dermaßen zerrüttet, dass in Bälde wohl einer aus dem Duo den Verband verlassen muss. Auch mit dieser Frage wird der neue Präsident sich befassen müssen.
Milletich ist gegangen - die Probleme aber sind geblieben.(tamsl/apa)