Das Olympiastadion von Rom hat schon viele bedeutende internationale Fußballspiele erlebt: Deutschland etwa wurde hier 1980 Europa- und zehn Jahre später Weltmeister; Österreich hingegen erlebte bei der WM 1990 in Italien im Olimpico eine bittere Stunde gegen den Gastgeber, zumal der späte Kopfball-Treffer von Toto Schillaci zum 0:1 den Anfang vom Ende der rot-weiß-roten Aufstiegsträume einläutete. Serienmeister Red Bull Salzburg hatte indes bei seinem ersten Auftritt in der 70.000 Zuschauer fassenden Arena gleich eine Sternstunde erlebt: In der Europa-League-Gruppenphase 2009 wurde Lazio Rom mit 2:1 besiegt - dank später Tore von Franz Schiemer und Marc Janko. Gelingt den Epigonen im Bullen-Trikot am Donnerstag (21 Uhr/ ServusTV) gegen Stadtrivale AS Roma ein ähnlicher Coup, wäre der Achtelfinalaufstieg gegen das Starensemble von Jose Mourinho fixiert. Nach dem 1:0 von Wals-Siezenheim gehen die Salzburger jedenfalls mit Selbstvertrauen ins Rückspiel.
"Es wird eine brutale Challenge. Wir sind weiterhin der klare Außenseiter. Aber ich bin optimistisch, dass wir ein Wörtchen mitreden können", sagte Salzburg-Coach Matthias Jaissle vor dem Matchtag.
Wie schwer die Roma, aktueller Tabellendritter der Serie A und am Weg zu einem Champions-League-Startplatz, zu bespielen ist, zeigte sich am vergangenen Donnerstag. In Wals-Siezenheim waren die Italiener gemessen an den Chancen dem Sieg durchaus näher. Doch Salzburg hatte einen blendend disponierten Tormann Philipp Köhn, hielt mit einer taktisch reifen Leistung dagegen und erntete im Finish dank des Kopfballtors von Nicolas Capaldo (88.) die Früchte seiner Arbeit.
Jaissle zeigte sich überzeugt, dass das Weiterkommen mit einer disziplinierten Leistung "und hie und da dem Quäntchen Glück" im wohl ausverkauften Stadio Olimpico im Bereich des Möglichen liege. "Wer schon dort war, weiß, was für eine Energie das Stadio Olimpico ausstrahlt", meinte der 34-Jährige. "Der Schlüssel wird sein, dass wir wieder sehr diszipliniert agieren, sehr konzentriert verteidigen und mutig auftreten", sagte der Deutsche. "Dann können wir vielleicht erneut für eine Überraschung sorgen. Wir treffen auf einen absoluten Top-Gegner, das wird eine richtige Herausforderung und eine ganz andere Partie als im Hinspiel."
Mehr Räume als im Hinspiel?
Beim 3:1-Erfolg über die WSG Tirol am vergangenen Samstag konnte Salzburg jedenfalls Kräfte für eine intensive Partie sparen. Die Roma, Conference-League-Sieger 2022, hat vor eigenem Publikum in dieser Saison in elf Ligaspielen erst fünf Gegentore kassiert, im Europacup in den jüngsten 15 Heimpartien 11 Siege gelandet. Ein Auswärts-Tor ist für Österreichs Serienmeister freilich auch nicht unbedingt vonnöten - wenn wieder die Null steht. "Roma wird aktiver sein als im Hinspiel, nicht so tief stehen. Das kann sogar ein Vorteil sein nach Umschaltaktionen und mit unserem Speed vorne", mutmaßte Mittelfeldmann Nicolas Seiwald. Auch Innenverteidiger Oumar Solet machte sich keine Illusionen angesichts der Höhe der Hürde. "Wir wollen das Hinspiel völlig aus unserem Kopf bekommen, denken gar nicht an das 1:0 von Salzburg oder an irgendeinen Vorsprung", versprach der Franzose.
An seiner Seite wird wohl Bernardo die Defensivzentrale bilden, der Allroundverteidiger dürfte das gesperrte "Mentalitätsmonster" Strahinja Pavlovic ersetzen. Alternativoption Jerome Onguene laboriert an seiner Zehe. Solet fürchtet weder das volle Oval ("Für mich ist das mehr Ansporn als Druck") noch die Offensivkraft der Roma. "Es wäre nicht überraschend, wenn wir diesmal ein wenig mehr Raum für unsere Angriffe bekommen", meinte er analog zu Seiwald.
Fraglich ist allerdings, ob die Roma überhaupt ihre gefährlichsten Offensivleute wird aufbieten können. So bangte man bis zuletzt um Kreativwirbler Paulo Dybala, der in Salzburg aufgrund einer Überlastung des linken Beinbeugers verfrüht vom Platz musste. Noch am Dienstag trainierte der argentinische Weltmeister individuell, erst am Mittwoch entschied sich, ob er einsetzbar ist oder nicht. Zweifel hegte man auch im Falle Tammy Abrahams. Der Stürmer erlitt beim 1:0-Erfolg über Verona am Sonntag eine Verletzung des Augenlids, die genäht werden musste. Um ein neuerliches Aufplatzen zu verhindern, könnte der Engländer, der in Salzburg bei einer Großchance an Köhn scheiterte, am Donnerstag mit einer Gesichtsmaske antreten.
Schlechte K.o.-Bilanz
Salzburg kämpft nicht zuletzt gegen die schlechte Bilanz in K.o.-Spielen der jüngeren Zeit. Zuletzt gelang der Coup im Februar 2019, als Club Brügge auf dem Weg ins Europa-League-Achtelfinale ausgeschaltet wurde. Seither hat Salzburg keine K.o.-Runde in einem Europacup-Hauptbewerb mehr überstanden. Eintracht Frankfurt (2020), Villarreal (2021) und Bayern München (2022) hießen die namhaften Endstationen in Europa respektive Champions League. Achtmal stand man bisher im Sechzehntelfinale beziehungsweise in der Zwischenrunde der Europa League, dreimal gelang der Aufstieg ins Achtelfinale - 2014 gegen Ajax Amsterdam, 2018 gegen Real Sociedad und 2019 gegen Brügge.